Erste Stellungnahme von Bischof Kohlgraf zur EVV-Studie

"Es darf keine unantastbaren Denkmäler mehr geben"

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Bischof Peter Kohlgraf hat eine erstes Statement zur Studie über Missbrauch im Bistum Mainz abgegeben. Die "EVV-Studie" ("Erfahren, Verstehen, Vorsorgen") hatten Rechtsanwalt Ulrich Weber und Co-Autor Johannes Baumeister heute in Mainz vorgestellt. Sie untersucht die Zeit von 1945 bis 2022. Kohlgraf gestand "große Verfehlungen und Versäumnisse im Bistum" ein. Von Ruth Lehnen


Bischof Peter Kohlgraf: "Ein ganzes System hat
versagt." Foto: Ruth Lehnen

"Die Taten und Vergehen, die mit der Studie an die Öffentlichkeit kommen, gehören genauso wie das Wegsehen und die Unfähigkeit, Betroffenen Gehör und Glauben zu schenken, zur Geschichte des Bistums Mainz", sagte Bischof Peter Kohlgraf in einer ersten Reaktion auf die Vorstellung der "EVV-Studie" (https://www.kirchenzeitung.de/wie-bisch%C3%B6fe-und-auch-pfarrgemeinden-versagt-haben). Den Bischöfen Albert Stohr, Hermann Volk und Karl Lehmann seien, so wichtig ihre Verdienste in vielen Bereichen waren, "der Schutz von Tätern und Kirche wichtiger" gewesen als die Not von Betroffenen, "auch wenn es in der Amtzeit von Kardinal Lehmann unterschiedliche Phasen gibt." Deshalb dürfe es um der Wahrheit für die Betroffenen willen "keine unantastbaren Denkmäler mehr geben".

Rechtsanwalt Weber habe deutlich gemacht: "Ein ganzes System hat versagt": "Menschen wollten nicht hinschauen, in Familien wollte man nicht glauben oder nicht reagieren, Gemeinden haben relativiert." Dahinter stehe ein überhöhtes Bisld vom Priester als Vater und heiligem Mann. Eine Theologie habe "teils versagt, weil sie überhöhte Priesterbilder entwickelt und ausgebaut hat."

"Menschen sind zerstört worden, Glauben und Vertrauen"

Kohlgraf stellte klar, dass es um Verbrechen gehe. "Wir reden nicht über ,Zölibatsverstöße', oder wie immer man die Missbrauchstaten einzuordnen versucht hat und heute noch versucht: Menschen sind zerstört worden, Glaube und Vertrauen."

Rechtsanwalt Weber habe keinen Maßnahmenkatalog entwickelt, sagte Kohlgraf, das sei Aufgabe des Bistums und seiner Unabhängigen Aufarbeitungskommission. Die Studie sei ein Meilenstein auf dem Weg, "das Thema aus der Tabu-Zone zu holen, die Fragen und Bedürfnisse von Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen und unseren Weg eines transparenten Umgangs mit Missbrauch und der Weiterentwicklung unserer Präventionsarbeit konsequent weiterzugehen". Das Bistum hat für kommenden Mittwoch eine Pressekonferenz zum Thema angekündigt. Hintergrund ist, dass die Bistumsspitze den Inhalt der mehr als 1000 Seiten starken Studie nun zuerst zur Kenntnis nehmen will. Auch Kohlgraf hatte sie erst mit dem heutigen Tag erhalten.

Von Ruth Lehnen

Hier geht es zum Download der Studie:

https://uw-recht.org/

Ruth Lehnen