Leserinnen und Leser berichten
Es gibt sie, die Guten
Foto: imago images/Shotshop
Sie lud den Feind ein
Ich war in englischer Kriegsgefangenschaft und erst ein paar Tage im Lager bei Bedford. Das Wetter war recht freundlich, und ich wollte noch einen kleinen Abendspaziergang machen.
Erstaunt war ich, als mich eine Frau überholte und ansprach. Ich erklärte ihr, dass ich ein deutscher Kriegsgefangener bin und im Lager Clopham wohne. Sie lud mich spontan zu einer Tasse Tee ein. Auf dem Weg erzählte Frau Davies mir von ihrer Familie: Sie war Witwe und hatte fünf Kinder. Ihr Mann war Schiffskapitän und wurde bei einem Bombenangriff tödlich verletzt.
In ihrem Haus servierte mir das Hausmädchen Tee und Gebäck und Frau Davies lud mich ein, sie jederzeit zu besuchen, wenn ich in Bedford bin. Besonders an Weihnachten sei ich herzlich willkommen.
Weihnachten 1947 war es regnerisch und stürmisch. Inzwischen war ich in ein anderes Lager versetzt worden, das 18 Kilometer von Bedford entfernt war. Ich lieh mir ein Fahrrad und fuhr zu Familie Davies. Auch die fünf Kinder waren da: Hugh, Antony, Morris, Diana und Philippa. Es gab eine Kleinigkeit zu essen und ich bekam sogar ein Weihnachtsgeschenk: einen Rasierapparat im Etui. Auch am nächsten Weihnachtstag war ich noch Gast bei der Familie.
Im Lager lag ich noch lange im Bett und dachte darüber nach: Wie kann eine Frau, die ihren Mann, wie können Kinder, die ihren Vater durch deutsche Bomben verloren haben, einem deutschen Kriegsgefangenen so viel Sympathie und Gastfreundschaft entgegenbringen? Sie haben mir im tristen Alltag des Lagerlebens wieder Freude und Hoffnung gebracht. Ich denke oft an diese Zeit zurück und danke Gott für diese Begegnung.
// Ernst Deß, Nürnberg
Sie kämpft für Frauen
Für mich ist Annette Nehberg-Weber ein beherzter Mensch. Sie leitet seit dem Tod ihres Mannes Rüdiger Nehberg die Hilfsorganisation Target, die gegen weibliche Genitalverstümmelung kämpft. Target ist die erste und einzige Nicht-Regierungsorganisation, die ausschließlich mit islamischen Institutionen zusammenarbeitet. Denn rund 80 Prozent der täglich 8000 Opfer von Genitalverstümmelung sind Muslimas.
Der Brauch wird oft und fälschlicherweise mit dem Koran begründet. Um den Menschen das Grauen zu verdeutlichen, das die Genitalverstümmelung zur Folge hat, hat Annette Nehberg-Weber Fotos und Filme über die Schändung aufgenommen, denn nur Frauen sind bei den Verstümmelungen zugelassen. Schockierendere Bilder habe ich noch nie gesehen.
Das Volk der Afar in Eritrea war das erste, bei dem es Rüdiger Nehberg auf einer Konferenz gelang, dass die Clanführer den Brauch verboten haben. Die Geistlichen verwiesen auf Sure 95,4, derzufolge Allah den Menschen in bestmöglicher Form geschaffen hat. Es verbiete sich deshalb, seine Schöpfung Frau in solch schädlicher Weise zu verändern.
Der größte Erfolg jedoch wurde die Internationale Gelehrtenkonferenz zur Beendigung der weiblichen Genitalverstümmelung 2006 in Kairo, bei der höchste Vertreter des Islam Sensationelles beschlossen: „Weibliche Genitalverstümmelung ist ein strafbares Verbrechen, das höchste Werte des Islam verletzt.“
Dieses Wunder, möglich geworden durch einen Religionsdialog auf höchstem Niveau, verkörpert Annette Nehberg-Weber bis heute. Beherzt reist sie mit ihren beiden Kindern in die Länder, in denen Hilfe zur Selbsthilfe vonnöten ist.
// Felix Evers, Hamburg-Mümmelmannsberg
Sie halfen bei der Autopanne
Inzwischen ist es viele Jahre her. Es war auf meinem Rückweg von der Arbeit. Die Tankanzeige meines Autos stand im roten Bereich, aber ich war zuversichtlich, dass ich es bis zur nächsten Tankstelle schaffen würde. Es kam anders: Mein Auto stotterte und wurde plötzlich ganz langsam. Ich schaffte es gerade noch, mein Auto etwas an den Straßenrand zu lenken. Ohne Handy – zu der Zeit besaß ich noch keins – und ohne Reservekanister machte ich mich zu Fuß auf den Weg zur Tankstelle.
Ich brauchte nicht weit zu gehen, da hielt ein junges Pärchen an. „Ist das Ihr Auto, das da hinten steht?“ Ich erklärte mein Missgeschick und durfte einsteigen. Es tat mir gut, aufmerksamen und hilfsbereiten Menschen begegnet zu sein.
An der Tankstelle stieg ich aus und bedankte mich. „Nein, nein, jetzt holen Sie erst einmal ihr Benzin, dann bringen wir Sie wieder zu Ihrem Auto.“ Ich war sehr gerührt, glücklich und dankbar. Das junge Paar weigerte sich strikt, von mir Geld anzunehmen. „Wir freuen uns, wenn Sie anderen helfen, die Ihre Hilfe brauchen.“
Diese Erfahrung habe ich tief in meinem Herzen bewahrt und sie berührt mich noch heute. Ich bin fest davon überzeugt, dass so viel Gutes in die Welt getragen werden kann.
// Annemarie Schlütz-Lüke, Nieheim
Er rettet Insektenvölker
Mein Mann und ich sind sehr naturbegeistert. Wir lieben unseren Garten und jegliche Art von Lebewesen. Deshalb waren wir sofort dabei, als vor einigen Jahren Menschen gesucht wurden, die Hornissen bei sich im Garten aufnehmen würden.
Der Hornissenberater Rudi kam kurz darauf mit seinem Hollandrad aus dem 50 Kilometer entfernten Meppen angeradelt. Sämtliches Equipment, das er brauchte, hatte er ans Rad gebunden und siedelte nun ein Nest Hornissen bei uns an, das er kurz zuvor aus dem Garten einer Familie entfernt hatte.
Kürzlich erzählte Rudi mir, dass er wieder einmal ein Nest umgesiedelt hat, dieses Mal waren es Wespen. Er war mit dem Rad unterwegs, eine Strecke von 40 Kilometern lag vor ihm. Unterwegs merkte er, dass er in eine Schraube gefahren war und nun einen platten Reifen hatte. Sein Flickzeug war ausgetrocknet und er fand niemanden, der ihm helfen konnte. Es wurde dunkel, eine Weiterfahrt war nicht möglich. Also legte er sich zum Schlafen auf eine Bank am Wegesrand. Morgens in aller Früh schob er sein Rad ins nächste, zwölf Kilometer entfernte Dorf, um Hilfe zu bekommen. Völlig übermüdet kam er schließlich zu Hause an.
Ich habe so einen großen Respekt vor Rudi, der alles für diese Tiere gibt. Für mich ist er ein beherzter Mensch, der mich tief beeindruckt, weil er sich sehr für den Schutz dieser Insekten einsetzt, deren Bestand stark gefährdet ist.
// Elisabeth Wagner, Emsbüren
Sie kümmerte sich um Menschen mit Behinderung
Schwester Maria von de Berg war ein beherzter Mensch. Ihr Lebenswerk ist das Don-Bosco-Haus in Mölln, eine Therapie- und Fördereinrichtung für Menschen mit schwersten Mehrfachbehinderungen. Träger ist der Verein „Don-Bosco-Haus für das behinderte Kind e.V.“. 1968 gründete Schwester Maria diesen Verein und es entstand ein Internatshaus mit Kindergarten. Ihre Motivation war, Kindern mit schwersten Mehrfachbehinderungen für wenige Wochen ein Zuhause zu bieten, damit deren Familien Kraft schöpfen konnten.
Schwester Maria hat jeden Menschen aufgenommen. Sie hat sich eingesetzt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit schwersten Behinderungen, die zum Teil vernachlässigt oder versteckt wurden. Sie unterstützte Eltern, ihren Kindern größtmögliche Zuwendung und Förderung zukommen zu lassen. Ihre Vorbilder waren die vier seliggesprochenen Lübecker Märtyrer, die von den Nazis ermordet worden waren.
Schwester Maria hat die vier zeitweise im Untergrund betreut, sie im Gefängnis besucht und begleitet und ihre Glaubenseinstellung geteilt: „Es gibt kein unwertes Leben!“ Und: „Liebet einander, so wie ich euch geliebt habe.“ Dieses war der komplexe, aber eindeutige Ansatz von Schwester Maria und ihre Grundlage für den Aufbau der Einrichtung bis zu ihrem eigenen Tod im September 2003.
// Annefine Brommann, Ratzeburg