Alles unter einem Hut: Familie, Ehrenamt und Beruf

"Wo ich Dich grad' sehe..."

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Stephan Schnelle
Nachweis

Foto: privat

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Mit Parteikollegen - Stephan Schnelle, der Politiker.

Stephan Schnelle ist Pressesprecher des Bistums Limburg, Vater von sieben Kindern – und jetzt auch noch ehrenamtlicher Ortsbürgermeister. Warum hat er Ja zu dieser Verantwortung gesagt? Und wie bekommt er Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut?

Die beste Zeit des Tages ist für Stephan Schnelle morgens, von fünf bis sechs. Er geht dann eine Runde mit dem Hund, er joggt, betet, liest. Schnelle sagt, er brauche diese Routinen, um gut in den Tag zu kommen. Denn sein Tag kostet Kraft. Und zieht sich. „22 Uhr ist für mich die Grenze“, sagt Schnelle. Dann versucht er, bei Veranstaltungen zu gehen – damit noch etwas bleibt, für ihn und seine Frau.

Seit Juli vergangenen Jahres muss Schnelle noch mehr Termine in seinen Kalender quetschen als zuvor. Seitdem ist er Ortsbürgermeister von Hillscheid. Seine Frau, erzählt er, habe ihn dazu gebracht zu kandidieren. Sie lebten seit fast 20 Jahren in dem 2500-Einwohner-Ort im Westerwald, und er saß ohnehin schon lange für die CDU im Gemeinderat und hatte Lust, die Zukunft dort zu gestalten. Aber er fragte sich: Könnte er das schaffen? Könnte er das Ehrenamt ausfüllen und gleichzeitig seiner Frau und seinen sieben Kindern gerecht werden – und seinem Job als Pressesprecher und Leiter der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Bistums Limburg?

Stephan Schnelle mit Bischof Bätzing
Mit Bischof Georg Bätzing - Stephan Schnelle, der Pressesprecher. Foto: privat

Schnelle beriet sich mit Bischof Georg Bätzing und Generalvikar Wolfgang Pax. Er erzählt, sie hätten klargemacht, dass sie Kirchenleute unterstützen wollen, die sich in der Politik engagieren. Seine Kinder, 9 bis 19 Jahre alt, halfen ebenfalls. Sie verteilten im Wahlkampf Flyer, bereiteten Infostände vor, packten zu Hause mit an. Schnelle gewann die Wahl mit einem Stimmenanteil von 50,3 Prozent gegen den Amtsinhaber Andreas Rath (SPD). 

Und jetzt? Steht Schnelle dem Gemeinderat vor, setzt mit der Verwaltung die Ratsbeschlüsse um, bereitet Sitzungen vor, plant Bauprojekte, verwaltet eine Kita und eine Grundschule. Gratuliert zu Goldhochzeiten und 90. Geburtstagen, hält Grußworte bei Neujahrsempfängen und Karnevalsfeiern – und hört zu. 

„Ich jongliere permanent mit meinen Prioritäten“

Seine Handynummer bewirbt Schnelle offensiv; wer will, kann ihn anrufen. Mittwochs von 18 bis 20 Uhr bietet er eine offene Sprechstunde im Rathaus an. Häufig kommen die Menschen auch auf der Straße oder im Supermarkt mit ihren Anliegen zu ihm: „Wo ich dich grad sehe …“ Schnelle freut das, denn so spürt er: Die Leute vertrauen ihm; sie glauben, er kann ihnen helfen, ihr Problem zu lösen. Seit Oktober informiert der Bürgermeister in einem eigenen WhatsApp-Kanal darüber, was im Ort los ist. Er erzählt, kürzlich habe eine 85-jährige Frau zu ihm gesagt: „Ach, Herr Schnelle, das ist so schön, dass Sie mir jeden Tag über WhatsApp schreiben!“ Das hat ihm gezeigt, dass es wirkt, was er tut. 

Wie viele Stunden er pro Woche investiert, um Bürgermeister zu sein? „Ich zähle das nicht“, sagt Schnelle. Er akzeptiert, dass sein Beruf, sein Privatleben und sein Ehrenamt ineinander übergehen. Wenn ein Bürger ihn im Büro anruft und es passt, geht er ran. Wenn der Anruf am Sonntag kommt, beim Spielen mit der Familie, dann auch. Ist das für seine Frau und seine Kinder okay? Schnelle sagt: „Sie kennen mich ja. Sie wissen, wie ich bin.“ Aber klar, er müsse sich zwingen, auch mal zu sagen: Jetzt geht’s nicht. Das gelinge mal mehr, mal weniger: „Ich jongliere permanent mit meinen Prioritäten.“ 

Stephan Schnelle
Mit Frau und Hund - Stephan Schnelle, der Familienmensch. Foto: privat

Natürlich, sagt Schnelle, übernehme er nach wie vor Aufgaben im Haushalt: Fahrdienste, Einkäufe, Putzen, Wäsche. Und Runden mit dem Hund. „Da will ich mich auch gar nicht rausziehen.“ Aber den Familienalltag manage schon meist seine Frau, die als Grundschullehrerin arbeitet. Vor fünf Jahren, als die Kinder noch kleiner waren und nicht so viel helfen konnten wie heute, hätte all das noch nicht funktioniert. 

Nun hat Schnelle sich bewusst dafür entschieden, lokalpolitische Verantwortung zu übernehmen. Er sagt: „Mein Antrieb ist, dazu beizutragen, dass Menschen hier in unserem Ort gut leben können.“ Er mag es, zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln und gemeinsam Lösungen für Probleme zu suchen. Er will in Hillscheid die Energiewende vorantreiben, Kitas sanieren, das Gewerbegebiet entwickeln. Und neue Wohnformen für alte Menschen schaffen, denen ihre Häuser zu groß geworden sind.

Manchmal hört er, früher sei alles besser gewesen. Dann betont er, dass es gute Gründe gibt, heute und morgen optimistisch zu sein, an sich zu glauben und sich zu engagieren. Dafür zitiert er in einer Ansprache auch schon mal Dietrich Bonhoeffer. Schnelle sagt, jeder im Ort wisse, dass er Christ ist: „Ich will die Menschen nicht missionieren. Aber ich halte mit meinen Werten und Überzeugungen auch nicht hinter dem Berg.“

Für fünf Jahre ist er als Bürgermeister gewählt. Klar, sagt er, sei das zuweilen anstrengend: „Ich bin kein Superheld. Ich habe auch meine Grenzen.“ Aber er habe Menschen um sich herum, die ihn unterstützen – im Ehrenamt, im Beruf, in der Familie. Und Lust auf eine zweite Amtszeit habe er schon jetzt. Denn vieles, was er anfange, werde Zeit brauchen – und er wolle es gern zu Ende bringen.

Andreas Lesch