Als Trompeter im katholischen Posaunenchor
Es sind die Lippen, nicht das Blech
Foto: Marco Heinen
Eine Trompete ist keine Blockflöte. Wenn man hinein pustet, kommt nichts. Kein Ton, sondern nur Luft. Wer einen Trompetenton haben will, muss am Mundstück die Lippen zum Schwingen bringen. „Das Instrument ist hier eigentlich der Mensch“, sagt Michael Hoffmann. „Die Trompete verstärkt nur den Ton, den ich mit der Lippenspannung erzeuge.“ Je höher die Spannung der Lippen, desto höher der Ton. Das Problem: Die strahlenden hohen Töne, die die Trompete über alle anderen Instrumente triumphieren lässt, sind anstrengend. „Vier oder fünf Stücke hintereinander spielen – das macht der Tuba und dem Waldhorn nichts aus. Aber wir, die ersten Trompeter, sind dann geschafft.“
Michael Hoffmann weiß, wie man seine Kraft einteilt. Er spielt seit 43 Jahren Trompete – und noch einige andere Blechblasinstrumente. Eine ganze Sammlung davon hat er im Haus: Trompeten, Flügel- und Waldhörner, sogar eine seltene, 1,50 Meter lange Aida-Trompete. Die Tuba, das große Bassinstrument der Blechfamilie, ist nicht so sein Ding. Die Tuba darf meistens nur einzelne Tupfer aus der Tiefe besteuern. Hoffmann aber spielt lieber ganz oben, die leitende Melodie. Klar ist aber: Nur das Zusammenspiel mit den dunklen und tiefen Instrumenten, der Posaune, dem Tenorhorn, dem Euphonium und mit der dicken Tuba bringt den satten, vollen und warmen Klang eines Blasorchesters. „Wenn nur die Trompeten spielen, klingt das nicht.“
Beim Üben bin ich nicht der Fleißigste.
Daher spielt Trompeter Hoffmann auch fast nie allein. „Beim Üben bin ich deshalb nicht der Fleißigste“, gesteht er. „Ich übe, wenn wir Probe haben.“ Das ist einmal in der Woche. Am Freitagabend trifft sich der Kreis katholischer Bläser aus Neukloster, Warin und Wismar. Für Michael Hoffmann ist das eine Familiensache. Sein Vater hat in diesem Chor schon Trompete geblasen und erst mit 80 Jahren aufgehört. Sein Bruder Dietmar ist heute der Chorleiter. Alle vier Geschwister waren dabei.
Eigentlich sind „Posaunenchöre“ eine Spezialität der evangelischen Kirche. Beim evangelischen Posaunentag werden Anfang Mai 15.000 Bläser in Hamburg spielen. Katholische Posaunenchöre sind eher selten – außer in Mecklenburg, wo es fünf katholische oder ökumenische Bläsergruppen gibt. In Neukloster hat der aus Schlesien stammende Pfarrer und Historiker Josef Traeger das Blechblasen eingeführt. Die Gründungslegende erzählt, wie es 1962 losging: Der Geistliche, der Musikinstrumente sammelte und die meisten davon spielen konnte, trommelte einige Musikliebhaber im Pfarrhaus zusammen. Auf einem Tisch lag ein Haufen Blechblasinstrumente. Jeder durfte sich ein Instrument aussuchen. Dann fingen alle an zu spielen.
Einfach loslegen. Anders geht es nicht. Michael Hoffmann entlockte mit zwölf Jahren seiner Trompete die ersten Töne. „So richtig wollte ich erst nicht. Es war für mich sehr mühsam, nach Noten zu spielen. Nach eineinhalb Jahren habe ich aufgegeben, habe nach einer Probe den Trompetenkoffer hingestellt und bin nach Hause gegangen.“ Aber dann war es ein älterer Musiker, der den Vater tröstete: „Lass mal, der wird schon wieder kommen!“ Tatsächlich war Michael bald wieder dabei. „Dass jemand von den Alten sagte ,Ich glaub an den Jungen!‘ hat mir Mut gemacht. Dann habe ich erst richtig angefangen und war mit Leib und Seele dabei.“
Das Instrument, das ist eigentlich der Mensch.
Das Problem mit den Noten hat Michael Hoffmann heute gelöst. Er spielt einfach ohne Noten, nur nach dem Gehör – im Notfall hilft ein schneller Blick auf die Ventile des Nebenmanns. Blasmusik ist halt eine Gemeinschaftssache. Selbst wenn ein Stück nicht zum eigenen Musikgeschmack passt: „Beim Zusammenspielen ist das etwas ganz anderes. Da schwimmt man mit, nimmt es in sich auf, als ob man Bestandteil der Musik wäre.“
In den ersten Jahren spielte der Bläserkreis fast nur Kirchenlieder. Heute hat das Ensemble ein Repertoire von 400 Titeln. Dazu gehören nicht nur Choräle, sondern auch poppige Lieder wie „Atemlos durch die Nacht“ oder „Mein kleiner grüner Kaktus“. Sehr zur Freude des Trompeters, der die Abwechslung mag. „Musik ist Musik. Der Musik ist es egal, ob man sie in der Kirche spielt, auf einer Hochzeit oder auf einem Stadtfest.“
800 Auftritte und ungezählte Übungsstunden hat der Bläserkreis bis heute absolviert. Natürlich zählt auch die Geselligkeit – das Bier hinterher. „Mit trockenem Mund kann man nicht spielen“, sagt Hoffmann und erzählt die Geschichte, wie bei einem Konzert im Hochsommer das ganze Orchester fast vertrocknet wäre. „Wir hatten alle hochrote Köpfe. Die Ohren standen quer ab. Erst nach dem fünften Stück kamen die Gastgeber auf die Idee, uns einen Kasten Bier hinzustellen.“
Zu erleben gibt es immer etwas, wenn man in einem solchen Ensemble spielt. Dabei hätte Michael Hoffmann auch sonst keine Langeweile. Der Altenpfleger setzt sich für das historische Erbe seiner Kirche und seiner Heimat ein. „Meine Hauptbeschäftigung außer Musik ist im Moment der Denkmalschutz“. Kürzlich hat er für den Erhalt der Reste der Wariner Bischofsburg (13. Jahrhundert) gekämpft. Und er gehört zum Kreis von Leuten, die durch ehrenamtliche Handwerksarbeit alte Gutshäuser vor dem Ruin retten. Auch das ist – wie die Musik – ein Erbe, das gepflegt werden muss, damit es nicht verschwindet.
Zur Person
Michael Hoffmann (55) lebt in Neukloster im Herzen Mecklenburgs. Sein Beruf ist Altenpfleger, darüber hinaus hat er zahlreiche Talente. Er engagiert er sich in seiner Gemeinde, für den Tier- und Denkmalschutz und nicht zuletzt für die Musik und als Text- und Bildautor in der Öffentlichkeitsarbeit.