Bei Lutter am Barenberg wurde eine der blutigsten Schlachten gschlagen.

„Etliche ins Feuer gehalten …“

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Norddeutschland wird während des Dreißigjährigen Krieges vor allem durch den Niedersächsisch-Dänischen Krieg erschüttert. Die einfache Bevölkerung weiß nicht, wie sie sich gegen die regulären Truppen und marodierenden Söldner erwehren kann. Ganze Landstriche liegen in Schutt und Asche, Dörfer werden zerstört, die Menschen umgebracht.


Bei Lutter am Barenberg wurde eine der blutigsten Schlachten des Krieges geschlagen. Ein Gedenkstein erinnert an den hier gefallenen General Fuchs. | Foto: Stefan Branahl

Ein zeitgenössischer Augenzeuge berichtet über die Behandlung der Einwohner bei der Eroberung Hannoversch Mündens durch die Truppen des katholischen Generals Johann T‘Serclaes von Tilly zu Pfingsten im Jahr 1626: „Etliche wurden in heißes Wasser geworfen und verbrüht, etliche von den Turmzinnen oder anderen hohen Stellen lebendig hinunter gestürzt, etlichen Schwarzpulver angehängt und damit gemartert, etliche gefesselt und gegen das Feuer gehalten, manche mit Stricken um den Kopf erdrosselt, manche gehenkt, manchen die Augen ausgestochen, kranke und schwache Leute wurden in ihren Betten umgebracht, manche kleinen Kinder aufgespießt und in der Höhe zappeln lassen … “

Die Ortschroniken erzählen von sich überbietenden Grausamkeiten. Wie konnte es dazu kommen?

Schon vor dem Dreißigjährigen Krieg war das Landsknechtswesen im Niedergang. Als die Zahlungsmoral des Kaisers und der Fürsten immer mehr verkam, verkam auch die Disziplin der Landsknechte. Der Sold verblieb trotz Geldentwertung auch nach fast 150 Jahren bei vier Reichstalern im Monat, und selbst der wurde oft nicht oder erst am Ende des Feldzuges gezahlt. Je länger der Krieg dauerte, je schlimmer eine Region bereits ausgepresst war, desto grausamere Folter mussten die Soldaten anwenden, um noch etwas herauszuholen. Aber zum Teil setzten sich die Bauern auch zur Wehr, etwa die „Harzschützen“, eine Art Guerrilla, insgesamt 600 Mann stark.

Eine Linie der Verwüstung zieht sich durch das Land

Geografisch gesehen zieht sich am Ende des Dreißigjährigen Krieges quer durch Deutschland eine Diagonale des Schreckens, von Pommern im Nordosten bis ins Elsass. In diesem Streifen ist nach dem Krieg die Bevölkerungszahl um mehr als 70 Prozent dezimiert. Das Eichsfeld gehört dazu. Schon zu Beginn des Krieges ließ Christian der Jüngere, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, das Kloster Gerode und 17 Dörfer der Umgebung abbrennen und das Vieh wegtreiben. In den Jahren 1631/32 lässt der Mühlhäuser Bürgermeister Andreas Selig die Dörfer Bickenriede, Breitenbich, Faulungen, Struth und das Kloster Anrode plündern und anstecken. Dem Korps Herzogs Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar fallen der Marktflecken Dingelstädt, die Dörfer Gernrode, Helmsdorf, Kefferhausen, Küllstedt, Martinfeld, Silberhausen, Wachstedt, Zella und in Worbis das Rathaus zum Opfer. Im Jahr 1640 wird Heiligenstadt fünfmal geplündert. Und diese Liste ist längst nicht vollständig.

Peter Hagedorn, ein Söldner des Dreißigjährigen Krieges, einer der wenigen, der schreiben konnte und so lange am Leben blieb, hatte am Ende des Krieges in Memmingen seine Erlebnisse in einem Tagebuch aufgeschrieben. Von 1627 bis 1648 war er dabei gewesen, hatte an den meisten Schlachten teilgenommen und in dieser Zeit 22 500 Kilometer zurückgelegt. Er hat auch den Sturm auf die Stadt Magdeburg mitgemacht, verbunden mit dem schlimmsten Massaker des Krieges. Kaiser Ferdinand II. will hier exemplarisch sein im Jahr 1629 ohne Zustimmung der evangelischen Reichsstände erlassenes Restitutionsedikt durchsetzen. Danach sollen alle seit dem Passauer Vertrag von 1552 säkularisierten geistlichen Besitztümer der katholischen Kirche wieder zurückgegeben werden. Außerdem will er hier seinen jüngsten Sohn Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich als Erzbischof einsetzen.

Der Sturm auf Magdeburg war das schlimmste Massaker

Nach monatelanger Belagerung und ergebnislosen Verhandlungen ist für den 20. Mai 1631 der Sturm auf die Stadt angesagt. Dann wird er wieder abgesagt und ein Parlamentär in die Stadt geschickt. Aber General Gottfried Heinrich zu Pappenheim erfährt davon nichts. Seine Soldaten legen 400 Sturmleitern an die Mauern und stürmen. Sie haben Glück und kommen über die Mauern. Die Magdeburger Mauerwächter wiederum hatten Tillys Parlamentär kommen sehen und gedacht: „Also doch kein Angriff!“ Viele von ihnen waren nach Hause gegangen.
 


Mordend und plündernd zogen die Söldner durch das Land – hier dargestellt auf einem Bild von Jacques Callot. | Foto: Wikipedia

Am Neustädter Tor  der Durchbruch. Die Landsknechte sind in einem Taumel der Raserei. Ein wildes Morden, Plündern und Vergewaltigen beginnt. Selbst eine Delegation Magdeburger Katholiken, welche die eingedrungenen Soldaten begrüßen will, wird abgeschlachtet. Zwischen 20 000 und 30 000 Menschen kommen bei der „Magdeburger Hochzeit“ wie sie von Tilly genannt wird, um. In Wien wird als Dank für den Sieg ein Tedeum gefeiert.

Söldnerehe als Zuflucht für Anstand und Fürsorge

Anna Stadlerin, die Frau des schwer verwundeten Peter Hagendorf, ist mit anderen Söldnerfrauen in das brennende Magdeburg gegangen, um auch etwas zu erbeuten. Sie bringt Kleider, zwei Silbergürtel, eine Kanne mit vier Maß Wein und etwas Weißzeug, um daraus Verbandszeug für ihren Mann herzustellen. Die Ehe zwischen dem Landsknecht und seiner Frau ist ein letzter Fluchtort an Anständigkeit und gegenseitiger Fürsorge in einer Welt, in der alle Maßstäbe aus den Fugen geraten sind.
Wenn Hagendorf und Anna Stadlerin auf den Feldzügen voneinander getrennt werden, tun sie alles, um sich wieder zu finden. Aber im Jahr 1633, zwei Jahre nach Magdeburg, kommt für ihre Ehe das Ende. Da sind die Pappenheimer in Bayern. Noch gezeichnet von einer schweren Geburt folgt die Stadlerin Hagendorf im Tross. Beide verpassen sich, suchen einander, verpassen sich wieder — und Hagendorf findet bei München nur noch ihr Grab und das ihres Säuglings Barbara.

Tilly wird ein Jahr nach der Eroberung Magdeburgs nach der Schlacht bei Rain am Lech am 15. April 1632 verwundet und stirbt an den Folgen zwei Wochen später. Immer wieder soll er auf dem Totenbett Gott um Vergebung für Magdeburg angerufen haben.

Wie die schier endlose Schlächterei mit dem Westfälischen Frieden im Jahr 1648 zu einem Ende kommt, und wie dieser Friede Deutschland geprägt hat, erfahren Sie in unserer nächsten Folge.

Tillo Nestmann