Konfrontation statt Kooperation in der Weltpolitik

"Europa darf nicht jammern"

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Früher war die Politik des Westens von Kooperation geprägt. Heute regiert die Konfrontation. US-Präsident Donald Trump führt sich auf wie ein Feind. Für die Europäer kann das eine Chance sein. Weil sie gezwungen sind, enger zusammenzuarbeiten – und zu klären, was sie wollen.

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Eisiger Blick: Bundeskanzlerin Angela Merkel schaut beim G7-Gipfel in Kanada auf US-Präsident Donald Trump herab. Foto: imago

Den alten Westen gibt es nicht mehr. Dieser Westen hat auf Kooperation gesetzt. Auf Verträge, Vertrauen, Verlässlichkeit. Jetzt aber, da Donald Trump Präsident der USA ist, dominiert nicht mehr Kooperation, sondern Konfrontation. Der Egoismus regiert. Die USA, seit Jahrzehnten Europas wichtigster Partner, führen sich unter dem Präsidenten Donald Trump auf wie ein Feind. Trump hat Strafzölle auf Stahl und Aluminium verhängt. Beim jüngsten G7-Gipfel verweigerte er nachträglich dem gemeinsamen Kommunique die Zustimmung – ein Eklat. Trump pöbelt, er zerstört Gewissheiten, er stellt sich gegen den Freihandel. Was tun?

Werner Weidenfeld rät den Europäern, „ganz cool und unaufgeregt zu reagieren“. Der Politikberater war lange Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, er kennt sich aus mit den Finessen der Weltpolitik. Er sagt, die Europäer sollten die Zölle nicht einfach hinnehmen. Sonst, so Weidenfeld, „lacht sich Trump kaputt“. Die Europäer sollten mit Gegenzöllen reagieren und gleichzeitig signalisieren, dass sie gesprächsbereit sind – mit dem Ziel, die Zölle möglichst schnell wieder abzuschaffen.

Die Feindseligkeit Trumps sieht Weidenfeld als Weckruf für die Europäer. Der Politikberater mahnt: „Sie dürfen nicht über Trump jammern, sondern sie müssen seine Politik als Anstoß nehmen, das zu entwickeln, was sie längst hätten entwickeln müssen.“ Soll heißen: Die Europäer müssten „sehr viel enger zusammenarbeiten und sehr viel strategischer agieren als bisher“, so Weidenfeld: „Sie müssen eine Antwort auf die Frage finden: Was wollen wir in der Welt?“

„Die Europäer haben das Potenzial einer Weltmacht“

Eine stärkere gemeinsame Strategie hält der Politikexperte besonders bei zwei großen Themen für wichtig. Die EU müsse sich von einer Wirtschafts- und Währungsunion zu einer politischen Union entwickeln und in der Außen- und Verteidigungspolitik besser zusammenarbeiten. Wenn das gelinge, könne Europa eine gute Zukunft haben. Die Voraussetzungen sind da, davon ist Weidenfeld überzeugt: „Die Europäer haben das Potenzial einer Weltmacht.“ Wenn sie dieses Potenzial entwickelten, dann könnten sie neue Bündnisse ausbauen, mit China, Indien und Brasilien.

Aber kann die europäische Integration mit den rechtspopulistischen und EU-feindlichen Regierungen funktionieren, die stärker werden? Weidenfeld glaubt, dass das geht. Weil Umfragen zeigten, dass die Stimmungslage zur europäischen Zusammenarbeit die positivste seit 25 Jahren sei. Und weil die Politik der Populisten in der Praxis oft nicht so dramatisch sei, wie sie zunächst klinge. Entscheidend sei aber, dass die Politiker ihre europäische Strategie gut erklärten, mahnt Weidenfeld. Wenn sie das nicht schaffen, helfen sie nur den Populisten.

Von Andreas Lesch