Vorbereitungstreffen Weltgebetstag der Frauen 2023

Fremdes Land Taiwan

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Am Weltgebetstag der Frauen 2023 steht Taiwan im Mittelpunkt. Mitarbeiterinnen der ökumenischen Teams aus dem Bistum kamen im Lingener Ludwig-Windthorst-Haus zur Vorbereitung zusammen. Und lernten den Inselstaat kennen, der von China bedroht wird.


Der Inselstaat Taiwan steht im Mittelpunkt des Weltgebetstages
der Frauen im März 2023. Karte: © WGT e.V.

Taiwan ist das Weltgebetstagsland 2023. Der Inselstaat vor dem chinesischen Festland ist seit der russischen Invasion auf die Ukraine in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, denn China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll. Was heute mit der Ukraine passiert, könnte sich morgen in Taiwan wiederholen. Deshalb herrschte beim jährlichen Treffen der Mitarbeiterinnen der ökumenischen Teams in den Kirchenkreisen, Dekanaten und Regionen zur Vorbereitung des Weltgebetstages (WGT) im Lingener Ludwig-Windthorst-Haus (LWH) eine besondere Spannung. „Taiwan ist uns durch den Krieg in der Ukraine nähergekommen. Uns ist bewusst geworden, dass es auch ein Land ist, das um seine Unabhängigkeit kämpft“, sagt Jenni Wiggers von der Altreformierten Kirche in Nordhorn.

Das Land, mit dem die meisten Länder der Welt aus Angst um die Handelsbeziehungen mit China keine diplomatischen Beziehungen haben, zeichnet sich aus durch eine Vielfalt von Ethnien, Sprachen, Kulturen und Religionen. Mit knapp fünf Prozent bilden die Christen eine Minderheit. Rund 40 Prozent der Taiwaner hängen dem chinesischen Volksglauben an, daneben verbreitet sind Buddhismus (21 Prozent) und Daoismus (15,5 Prozent).

Nachdem die 30 Teilnehmerinnen den Film „Taiwan – Demokratielabor im Schatten Chinas“ gesehen haben, stellen sie fest, dass sie sehr wenig über das Land und dessen Geschichte gewusst haben. Einige Frauen sind erstaunt, wie stark sich junge Menschen in Taiwan politisch engagieren. Junge Menschen, die in der Demokratie aufgewachsen sind, wehren sich gegen Chinas Machtanspruch, was ein Teil der älteren Gesellschaft missbilligt. 

Diese Spaltung hat auch das WGT-Komitee in Taiwan geprägt. Es hat sich in den 1980er Jahren geteilt und erst für die Erarbeitung des WGT 2023 wieder enger zusammengearbeitet. Dass der Glaube es ermöglicht, Spaltungen zu überwinden, kommt in dem Motto „Glaube bewegt!“ zum Ausdruck. Das erste Lied des WGT-Gottesdienstes greift das Motto auf. Die Melodie ist eingängig, und die Teilnehmerinnen der Werkstatt können das Lied auf Anhieb singen. 

Im Fokus des Weltgebetstages stehen immer Frauen des jeweiligen Landes, ihre Anliegen und Probleme. Darüber hat die Journalistin Carina Rother, die seit 2016 in Taiwan lebt, einen Vortrag gehalten, den die Teilnehmerinnen der Werkstatt digital verfolgen. Die Situation der Frauen in Taiwan ist zwiespältig: Offiziell sind sie gleichberechtigt, sie haben die gleichen Bildungschancen wie Männer, sind politisch gut repräsentiert, die meisten Frauen sind berufstätig und arbeiten in Vollzeit. Doch das hat seinen Preis. Lange Arbeitstage, kaum Urlaub und der Anspruch auf nur fünf Krankheitstage im Jahr prägen das Arbeitsleben in dem technisch hochentwickelten Industriestaat mit seinen rund 23 Millionen Menschen. Familie und Beruf sind noch schwerer zu vereinbaren als in Europa. Hinzu kommt, dass die Geschichte Taiwans durch den chinesischen Einfluss patriarchal geprägt ist. Frauen galten in dem System als minderwertig und hatten kaum Selbstbestimmungsrechte. Bis heute ist es nicht selbstverständlich, eine gleichberechtigte Partnerschaft zu führen. All das führt dazu, dass viele Taiwanerinnen spät oder gar nicht heiraten und nur wenige Kinder bekommen. Mit 1,1 Kindern pro Frau hat Taiwan die niedrigste Geburtenrate der Welt.

Die Teilnehmerinnen können tief ins WGT-Land eintauchen


Bild zum Weltgebetstag mit dem Titel “I Have Heard About Your Faith”
von der taiwanischen Künstlerin Hui-Wen Hsiao. © 2021 World Day
of Prayer International Committee, Inc.

Die Einblicke in das Leben von Frauen in anderen Ländern und die Begegnungen mit fremden Kulturen sind für die Teilnehmerinnen der Werkstatt immer wieder reizvoll. Rita Steinbreder, Referentin für die Arbeit mit Frauen in den Sprengeln Osnabrück und Ostfriesland-Ems arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Ökumenischen Werkstatt mit. „Ich liebe es, über den Tellerrand zu schauen, mich inspirieren zu lassen“, sagt sie. Gertrud Möddel aus Lingen stimmt ihr zu. Auch sie macht seit Jahrzehnten beim WGT mit, und das hat ihr Leben sehr bereichert, versichert die kfd-Frau.

Für Christa Funck vom Kirchenkreis Diepholz ist es wichtig, „zu merken, dass wir nicht allein sind auf der Welt.“ Sie hat einige Gegenstände aus Taiwan ausgestellt, wo ihre Tochter vier Jahre lang gelebt hat, darunter traditionellen Kopfschmuck. Orchideen sind dabei, sie schmücken auch die gestaltete Mitte und stehen im Vordergrund des von der Künstlerin Hui-Wen Hsiao gestalteten WGT-Titelbildes – sie symbolisieren den Stolz der Bewohner Taiwans und sind ein Sinnbild für die Stärke der Frauen. 

Nach zwei Corona-Jahren sind die Mitarbeiterinnen der ökumenischen Teams froh, wieder wie gewohnt zusammenzukommen. „Die Vorbereitung über ein ganzes Wochenende findet die Mehrheit der Frauen intensiv und entspannt zugleich, weil es die Möglichkeit bietet, einerseits tief ins WGT-Land und seine besonderen Themen einzutauchen und gleichzeitig Raum bleibt für Austausch untereinander“, sagt Catherine Rohloff-Lyk, Multiplikatorin für die Synodalverbände Grafschaft Bentheim, Emsland/Osnabrück und Bundesebene. 

Die Pandemie hat aber auch Positives bewirkt. „Corona hat die WGT-Arbeit verändert und auch bereichert. Wir waren gezwungen, neue Ideen zu entwickeln, kreativ zu werden“, stellt Rita Steinbreder fest. Teilweise sind die Aktionen auf den Sommer verlegt worden, in einer Gemeinde wurde ein Picknick im September angeboten. „Das Ausbrechen aus den starren Strukturen hat frischen Wind gebracht“, meint eine Teilnehmerin. Daraus ergeben sich Vorschläge für die Zukunft: Soziale Medien stärker nutzen, junge Frauen direkt ansprechen.

Elisabeth Tondera