Segen vor dem Fußballspiel

"Für Gott bist du ein Großer"

Thomas Klenner spendet vor dem Spiel einen Segen

Foto: Anke Polednik

Besinnung auf dem Fußballplatz: Pfarrer Thomas Klenner spricht vor dem Anpfiff ein Gebet auf dem Spielfeld.

Seit dem Sommer bietet der Regensburger Pfarrer Thomas Klenner den Fußball-Jugendteams in seiner Region einen Segen vor dem Anpfiff an. Erst hatte er Angst, dass er ausgelacht wird. Bald aber merkte er, dass seine Aktion bestens ankommt – und Erstaunliches bewirkt.

Manchmal rätselte Thomas Klenner, was plötzlich los war mit ihm. Er, der evangelische Pfarrer, stand am Rand des Fußballplatzes, beschimpfte den Schiedsrichter, beleidigte einen Spieler, der seinen Sohn gefoult hatte, hatte sich nicht mehr im Griff. „Ich bin am Spielfeld ein anderer Mensch, ein kleiner böser Bube“, sagt Klenner. „Ich bin da wirklich Sünder.“

Dass Emotionen im Jugendfußball eskalieren, beobachtete der Pfarrer aus Regensburg nicht nur bei sich. Er hörte oft, dass Eltern ihre Kinder anspornten, den Gegner umzutreten; dass Trainer aufeinander losgingen und Schiedsrichter bepöbelten. Das schmerzte ihn – weil ihm der Fußball am Herzen liegt: Klenner hat selbst gespielt, arbeitete als Sportjournalist beim Magazin kicker, war Schiedsrichter und Kreisjugendleiter des Bayerischen Fußball-Verbands. Nun schaute er als Pfarrer seinen zwei Söhnen beim Kicken zu und überlegte, was er gegen die Aggressionen tun könnte. Er fragte sich: Wie wäre es, vor dem Anstoß einen Segen anzubieten?

Er verteilt Hoffnungsträger-Bändchen

Klenner (58) stellte den Leuten im Verband den Plan vor, sie fanden ihn gut. Er selbst aber war unsicher. Er wusste, wie rau das Klima auf dem Platz oft ist – und wie seltsam die Jugendlichen es finden könnten, wenn vor dem Spiel ein Pfarrer auftaucht: „Ich hab Riesenangst gehabt, dass das ein Flop wird und die mich auslachen.“ Doch niemand lachte. Bald spürte Klenner, dass sein Segen funktioniert.

Thomas Klenner spendet einer Fußballspielerin den Segen vor dem Spiel
Thomas Klenner spendet jeder Spielerin und jedem Spieler einen Segen vor dem Spiel. 
Foto: Anke Polednik

Er wusste, seine Aktion durfte nicht zu einer Andacht ausarten. Also plante er sie kompakt, höchstens zehn Minuten lang. Seine Botschaft: Leute, ihr seid Hoffnungsträger – hier auf dem Platz, aber auch für unsere Gesellschaft! Klenner versammelte die Teams im Mittelkreis und verteilte Hoffnungsträger-Bändchen, die die Spieler sich um den Arm binden konnten – mit Samenkörnern darin, als Zeichen dafür, was hier wachsen kann. Er sprach ein Fairplay-Gebet, das die Nationalmannschaft von Ghana nutzt. Dann segnete er jeden Spieler – ganz individuell. Er zeichnete ihnen ein Kreuz auf die Stirn, legte ihnen die Hand auf oder sprach nur ein paar Worte. Torhütern sagte er: „Gott möge dir flinke Hände geben und eine gute Sprungkraft.“ Spielführern sagte er: „Du hast Verantwortung dafür, dass der Schiedsrichter fair behandelt wird.“ Kleinen Spielern machte er Mut: „Für Gott bist du ein Großer.“ Muslimischen Kickern sagte er: „Allah segne dich!“

Einmal stehen über 30 Menschen im Kreis

Die individuelle Ansprache hätten die Jugendlichen als wertschätzend empfunden, berichtet Klenner. Einige hätten beim Segen die Augen geschlossen und seien andächtig geworden. Andere hätten gelächelt. Wieder andere hätten erstaunt gewirkt, weil sie so einen Segen noch nie erlebt hatten. Für Klenner war es ergreifend, dass fast alle mitmachten. Nicht nur die Spieler, teils auch Schiedsrichter, Trainer, Eltern. Einmal standen über 30 Menschen im Kreis.

Bei drei Partien war Klenner bisher im Einsatz, seit er seine Aktion im August begonnen hat: zweimal in der U19, einmal in der U15. Er hofft, dass sich herumspricht, wie gut der Segen ankommt – und dass ihn im Frühjahr weitere Vereine anfragen.

Aber was bewirkt die Aktion? Verändert sie den Charakter eines Spiels? Klenner sagt: „Der Segen ist kein Zaubermittel.“ Die Jugendlichen spielten danach immer noch oft unfair. Aber ein wenig brachte die Besinnung vor dem Anpfiff doch. Bei einem Mädchenspiel, berichtet Klenner, hätten sich die Spielerinnen gegenseitig aufgeholfen – und den Ball ins Aus geschossen, wenn jemand verletzt am Boden lag. Und bei einem Jungensspiel, in dem der Tabellenerste gegen den Zweiten antrat, habe kaum jemand über den Schiedsrichter gemotzt. Auch seien die Eltern weniger aggressiv gewesen als sonst, sagt Klenner: „Ich hab das als Erfolg verbucht.“ Wenn er mit seinem Segen fertig ist, schaut der Pfarrer sich die Spiele immer komplett an. Viele Eltern, so erzählt er, sagten ihm, wie gut ihnen die Aktion gefallen hat. Und manche stellten dadurch Erstaunliches fest: „Ich merke, dass das nur ein Spiel ist.“

Andreas Lesch