Poträt über die Künstlerin Beate Heinen

Gott führte sie ins Kloster und wieder heraus

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Ihr Leben scheint aus Fügungen zu bestehen: „Ich habe immer Glück gehabt“, sagt Beate Heinen aus Wassenach. Und das, obwohl das Leben der Malerin mehrmals anders verlaufen ist als geplant. Die Kunst der Künstlerin besteht eben auch darin, das Positive zu sehen, wo es ihr begegnet. Ihr Name ist Programm: Beate, das heißt die Glückliche, die Gesegnete. Eine Begegnung. Von Julia Hoffmann.

Beate Heinen Foto: Julia Hoffmann
Künstlerin Beate Heinen in ihrem Atelier in Wassenach.
Hier malt sie auch ihre berühmten Weihnachtsbilder. Foto: Julia Hoffmann

Als sie den Petersplatz betritt, ist sie der festen Überzeugung, dass ihr Gemälde nicht aufgehängt wurde. Beate Heinen hat Katharina Kasper anlässlich der Heiligsprechung der Westerwälderin gemalt. Ein Bildausschnitt soll von einem Gebäude des Vatikans herabhängen. Neben anderen Heiligen. Doch Beate Heinen ist skeptisch. Sie geht weiter, und dann, plötzlich, sieht sie das Bild. Ihr Bild. Sechs Meter groß blickt das Gesicht Katharina Kaspers auf sie herab. Heinen ist so überwältigt von dem Anblick, dass ihr die Tränen kommen. „Das war der schönste Moment in meinem künstlerischen Leben“, sagt sie. „Jetzt kann ich sterben.“ Dabei hatte sie vorgehabt, sich die Heiligsprechung zuhause mit einer Tüte Chips vor dem Fernseher anzuschauen. Im letzten Moment bekam sie doch noch eine Karte für den Petersplatz und flog nach Rom.

Bis zu diesem Moment auf dem Petersplatz war es ein weiter Weg. Als fünftes von sieben Kindern wurde sie 1944 in Essen geboren. Das Haus wurde von Bomben zerstört, ihre Familie wurde teilweise evakuiert. Ihre Mutter zog mit ihren beiden jüngsten Kindern, eines davon war Beate Heinen, nach Oberpleiß im Siebengebirge. Ihr Großvater hatte dort eine Apotheke.

Ihr Vater war Biologe. Von diesem Beruf war die Schülerin nicht sonderlich begeistert. In der Schule erzählte die junge Beate deshalb kurzerhand, ihr Vater sei Feuerwehrmann. „Das war viel spannender und interessanter für mich selbst und für die Zuhörenden“, sagt sie.

Schon als Kind liebte sie es zu malen. Als sie einmal den Bürgersteig mit Kreide bemalte, drohte ihr eine Spielkameradin: „Das darfst du nicht, dafür kommst du ins Kittchen.“ Ins Kittchen wollte Beate Heinen nicht, aber aufhören zu malen wollte sie ebensowenig. Und tatsächlich kam bald darauf ein Polizist auf sie zu. Die anderen Kinder rannten weg, Heinen blieb gebannt stehen. „Na, Kleine“, sprach der Schutzmann sie an. „Komm ich jetzt ins Kittchen?“, fragte sie ängstlich zurück. Der Polizist stutzte. „Aber warum das denn?“, fragte er. „Weil ich den Bürgersteig bemalt habe“, sagte sie verlegen. Der Polizist konnte kaum glauben, dass das Gemälde vor ihm von einer Vierjährigen stammen sollte. „Aber nein. Das ist wunderschön, dafür spendiere ich dir ein Eis“, sagte er zu ihr. So bekam sie ihr ers-tes Honorar für eines ihrer Bilder.

Das Malen hat Heinen ebenso wie ihr Glaube an Gott ein Leben lang begleitet. Ihr Talent wurde früh entdeckt, mit 16 Jahren verließ sie die Schule. Sie malte lieber, anstatt für gute Schulnoten zu büffeln. Im selben Jahr bewarb sie sich an der Kölner Werkkunstschule. Sie wurde angenommen und studierte dort.

Wer jetzt annimmt, dass ihr Leben fortan klar vorbestimmt war, der irrt. Denn anstatt als Künstlerin zu arbeiten, entdeckte sie einen anderen Plan für ihr Leben: Sie wollte in ein Kloster eintreten. Inspiriert wurde sie von ihrer eineinhalb Jahre älteren Schwester Gisela, mit der sie sich in Köln ein Zimmer teilte.

Mit dem Fahrrad nach Maria Laach und Eibingen

Sie waren gemeinsam bei den Pfadfindern und wollten mit dem Fahrrad zum ersten Katholikentag nach München fahren. Um sich darauf vorzubereiten, unternahmen sie zunächst eine Fahrradtour entlang des Rheins. „Wir waren noch jung. Und nach dem ersten Muskelkater ging das“, erinnert sie sich. Die beiden Mädchen waren mit ihren gusseisernen Fahrrädern ohne Gangschaltung unterwegs. Ihre erste Station war Maria Laach. In den Pfingstferien unternahmen sie diese Radtour, mit der ihre Schwes-ter Gisela einen ganz bestimmten Plan verfolgte: Sie wollte Ordensfrau werden und in Maria Laach nachfragen, wie sie in ein Kloster eintreten könne. Als Beate Heinen das herausfand, erschrak sie sehr. „Wir waren doch wie Zwillinge“, sagt sie. Deshalb sei sie wenig begeistert gewesen von den Plänen ihrer Schwester. „Ich war nicht so fromm und ich mochte keinen Weihrauch“, sagt sie.

Die Ordensbrüder in Maria Laach schickten die Mädchen weiter nach Eibingen zu den Benediktinerinnen der Abtei St. Hildegard. Mit den Worten „Sie sollen jeden Gast aufnehmen wie Christus“, lockte ihre Schwester sie damals zur Klosterpforte. Denn die beiden waren von der Fahrradtour sehr hungrig. Tatsächlich bekamen sie von den Schwestern Kuchen und eine Kanne Saft spendiert.

Ihre Mutter wollte ihre Schwes-ter zunächst nicht eintreten lassen, weil sie noch nicht volljährig war. Heinen setzte sich für sie ein und wandte sich „an den obersten Chef“: Sie schrieb dem damaligen Papst Johannes XXIII. einen Brief. Er möge „ein Machtwort sprechen“, ihre Mutter umstimmen und ihre Schwester ins Kloster eintreten lassen. Heinen bekam sogar eine Antwort vom Vatikan: Der Papst freue sich sehr über das Anliegen. Allerdings solle ihre Schwester auf ihre Eltern hören und mit dem Eintritt warten, bis sie volljährig sei. Jesus sei auch erst mit 30 Jahren in der Öffentlichkeit aufgetreten und habe zuvor seinen Eltern gehorcht. Heinen ärgerte sich so sehr über die Antwort, dass sie den Brief zerriss.

Aus Beate Heinen wird Schwester Felicitas

Obwohl sie sich erst sträubte, faszinierte auch Beate Heinen die Berufung zunehmend. „Ich habe mich verliebt in Gott“, sagt sie. Letztendlich trat ihre Schwester nicht in den Orden ein, dafür aber Beate Heinen. „Ganz gleich was passiert, der Schöpfer des Himmels und der Erde ist dein Bräutigam, er wird dir jeden Wunsch von der Seele ablesen“, formuliert sie ihre Gedanken in der damaligen Zeit.

Sie bat ihre Mutter so ausdauernd darum eintreten zu dürfen, dass diese ihr mit 19 Jahren schließlich die Erlaubnis erteilte. „Nach den Sommerferien darfst du ins Kloster gehen, dann bist du bis Weihnachten bestimmt wieder zu Hause“, sagte sie zu ihrer Tochter.

Beate Heinen trat in die Benediktinerinnen-Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim-Eibingen ein und nahm den Ordensnamen „Felicitas“ an. Ihre künstlerische Arbeit setzte sie fort. 1968 ging sie für drei Jahre zu einem weiteren Kunststudium in die Schweiz und besuchte ihr Mutterhaus lediglich in den Ferien. 1971 wurde das Kloster Maria Laach auf ihre Kunst aufmerksam. Seitdem entwirft und malt sie bis heute religiöse Motive für den Kunstverlag Maria Laach.

Kurz vor ihrem 30. Geburtstag verließ Heinen den Orden wieder. „Erst war es traurig, aber letztendlich war es wie eine Befreiung“, sagt sie. „Als Künstlerin konnte ich außerhalb des Klosters einfach mehr bewegen“, sagt sie.

Auch nach ihrem Austritt arbeitete sie für den Kunstverlag Maria Laach. Wiederum zehn Jahre später folgte, was sie selbst als „den schönsten Fehltritt meines Leben“ beschreibt: Sie wurde schwanger. Ihre Tochter Elisabeth wurde 1983 geboren. Als sie heranwuchs, führte sie viele religiöse Gespräche mit ihr. In einer Vollmondnacht auf der Insel Fehmarn sprachen sie über die Liebe Gottes. „Überleg mal Mama, wie kann es sein, dass Gott alle Menschen gleichzeitig liebt?“, fragte die Achtjährige ihre Mutter bei einem nächtlichen Spaziergang. Um es ihrer Tochter zu erklären, kam Heinen der Vollmond zuhilfe. „Stell dir vor, der Mond dort oben, das wäre der liebe Gott“, sagte sie zu ihrer Tochter. Das Licht, das der Mond auf uns wirft, ist die volle Liebe Gottes. Dann ging sie mit ihrer Tochter ein Stück, um herauszufinden, wen er denn mehr liebe, ihre Tochter oder sie. Die Erkenntnis: Jeder bekam den vollen Glanz ab, egal, an welchem Platz auf dem Strand er stand. „Mama, er liebt mich wirklich“, freute sich Elisabeth.

„Alles was geschieht hat mit Gott zu tun.“

Heute erfreut sich Beate Heinen an zwei Enkelkindern und geht als liebende Frau durchs Leben. Aber sie durchlebte auch schwierige Zeiten. Sie ist überzeugt: „Alles was geschieht hat mit Gott zu tun.“ Auch die schlechten Dinge. Dabei müsse man sich nur manchmal fragen, was Gott einem damit sagen will. „Er will einen nicht quälen, aber manches lässt er einen erleben“, sagt sie. Etwa gesundheitliche Probleme ihrer Tochter im Säuglingsalter. Oder den Tod ihrer Mutter.

Einmal ist die Wohnung abgebrannt, in der sie sich eingemietet hatte. Sie war unterwegs von Engelberg in der Schweiz nach Hause. Es war Winter und so kalt, dass die Scheiben ihres Autos ständig gefroren. Vor ihrer Abfahrt in Engelberg bat sie darum, ihrer Vermieterin Bescheid zu geben, dass sie nach Hause komme. Als das Wetter immer schlechter wurde, machte sie Halt in Bingen und übernachtete dort bei einer Bekannten im Heilig-Geist Hospital. Sie rief bei ihrer Vermieterin an, um ihr zu sagen, dass sie nun doch nicht mehr komme. Als sie anrief, hatte sie einen Beamten der Kriminalpolizei am Apparat, der ihr mitteilte, dass ihre Wohnung lichterloh brannte. Die Vermieterin hatte ihr etwas Gutes tun wollen und den Ofen in der Küche angeheizt. Ein Funke war übergesprungen und hatte das Haus in Brand gesetzt.

Als sie später bei Tauwetter in den Überresten ihrer Habseligkeiten stöberte, entdeckte sie ein Relief aus Gips, das einen Gitarrenspieler zeigt. Die Feuerwehrleute hatten es wie alle anderen Einrichtungsgegenstände aus dem Fenster des Hauses geworfen. Das Relief hatte den Sturz überlebt. Ebenso wie die Kälte und die Feuchtigkeit. Als sie den Gitarrenspieler in den Händen hielt, meinte Beate Heinen eine innere Stimme zu hören, die zu ihr sagte: „Siehst du den Gitarrenspieler? Er hat sein Lied gesungen in der Hitze des Feuers und in der Kälte des Eises. Er hat alle Widrigkeiten überstanden. Du bist so in meiner Hand, dass auch dein Lebenslied weiterklingt, bis es eines Tages bei mir erklingen wird.“