Neuere Theologie als Glaubenshilfe
Gottes Spur im ganz normalen Leben

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Karl Rahner meldet sich zu Wort: auf der Würzburger Synode 1975
„Wird es einmal Menschen geben, die grundsätzlich und in jeder Phase ihrer Existenz kein Ohr mehr haben für das Wort: Gott?“ So fragte der Theologe Karl Rahner (1904-1984). „Wird es Menschen geben, die nicht mehr über dieses und jenes Fragbare in seiner endlosen Vielfalt hinaus nach dem Unsagbaren fragen?“ Auf den ersten Blick ist die Antwort klar. Es gibt diese Menschen. Sie sitzen in Bus und Bahn, spielen Fußball, arbeiten, essen, trinken – und verschwenden keinen Gedanken an Gott.
Aber so einfach war das für den Theologen Rahner nicht. Ihm war klar: Menschen stellen Fragen. Sie fragen sich, wer sie selbst sind, sie überschreiten ihre Horizonte. Und damit stehen sie unwissentlich vor dem Geheimnis Gottes. In der Sprache Rahners: Der Mensch ist das Wesen, in dem sich Gott mitteilt. Und jeder Mensch ist „das ausgesagte Geheimnis Gottes, das in Ewigkeit am Geheimnis seines Grundes teilhat“.
Karl Rahner zu verstehen, ist nicht einfach. Man kennt zwar seinen Namen, seine Bedeutung als Konzilstheologe, als kritischen Kirchenmann, als gepriesenen „Kirchenvater des 20. Jahrhunderts“. 40 Jahre nach seinem Tod erscheinen laufend neue Bücher über ihn, sein eigenes Werk füllt 32 dicke Buchbände. Aber viele Leser sind erst einmal abgeschreckt von seinen verschlungenen Gedankengängen und langen Sätzen, vom mystischen, oft etwas dunklen Tonfall, in dem vom „Unaussprechlichen“, vom „Geheimnis“, von „unendlicher Fülle“ und Ähnlichem die Rede ist. „Glauben heißt nichts anderes, als die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten“, so ein bekanntes Rahner-Zitat, das sogar Eingang ins „Gotteslob“ gefunden hat.
Wo Rahner leicht zu lesen ist
Nicht immer ist Karl Rahner schwer. Denn es gibt noch einen „anderen“ Rahner: den Autor von geistlichen Texten und Gebeten. Sie sind leichter verständlich, gehen in die Tiefe und schöpfen aus der Erfahrung des „ganz normalen Lebens“. Hier schreibt er in kurzen Sätzen, findet eingängige Formulierungen und aussagekräftige Bilder.
An diesen Texten orientiert sich der „Norddeutsche Rahner-Kreis“, der sich jetzt in Hamburg gegründet hat. Der Kreis besteht derzeit aus sieben Personen. Nicht alle sind studierte Theologen, viele kommen von der Caritas. Ihr Ziel: im Kielwasser von Karl Rahners Texten über den Glauben sprechen, das Gespräch suchen in Gemeinden, in Glaubenskreisen oder Wortgottesdiensten.
Warum Karl Rahner? Der Initiator des Kreises, Rudolf Hubert, antwortet: „Bei Karl Rahner gibt es keine theologische Sonderwelt. Leben und Glauben bilden bei Karl Rahner eine untrennbare Einheit, in der Heil oder Unheil sich ereignen.“ Deshalb könne Rahners Theologie Menschen ansprechen, denen Religion vermeintlich fremd ist. Rudolf Hubert: „Die ,Pilger der Hoffnung’ miteinander ins Gespräch zu bringen, das ist das Anliegen dieses Kreises. Er ist für all jene offen, für die dieser Verkündigungsdienst Sache des Herzens und des Verstandes gleichermaßen ist.“
Für den Rahner-Kenner Rudolf Hubert widerstreiten Rahners Denkwege der Versuchung, sich als Kirche in das Versteck der Gleichgesinnten zurückzuziehen. Auch der neue Rahnerkreis will das nicht. „Wir nehmen nur das mit, was wir nach außen tragen können“, sagt Diakon Jörg Kleinewiese. Dompropst Berthold Bonekamp: „Was wir wieder brauchen, ist Glaubwürdigkeit und Sprachfähigkeit. Wir müssen den Glauben niederschwellig erfahrbar machen und ins Bewusstsein bringen.“Kontakt: E-Mail: rudolf.hubert-privat@gmx.de