Spiritueller LWH-Podcast

Gretchenfrage an eine Künstliche Intelligenz

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Michael Brendel, Studienleiter im Ludwig-Windthorst-Haus (LWH) in Lingen, ist Autor des monatlichen spirituellen LWH-Podcasts „Das glaub’ ich gern“. In der neuen Folge wagt er ein Experiment: Mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) spricht er über Glauben in der heutigen Zeit, Ethik, Gott und erlebt am Ende eine Überraschung.


LWH-Studienleiter Michael Brendel produziert regelmäßig
Podcasts. Foto: privat

Herr Brendel, was hat Sie daran gereizt, sich mit einer künstlichen Intelligenz zu unterhalten?

Das Thema KI ist seit Jahren eines meiner Steckenpferde. Neben der kritischen Auseinandersetzung und der Frage, was KI für die Medienpädagogik, die Gesellschaft und das Internet der Zukunft bedeutet, konnte ich mich dem Reiz nicht entziehen, einem Computerprogramm mal die Gretchenfrage zu stellen. Ich war neugierig, wie weit ich damit komme.

Für alle, die nicht mit KI vertraut sind: Wie hat das rein technisch funktioniert?

Man braucht einen Zugang zu ChatGPT, einem textbasierten Chatbot der Firma OpenAI, der mit Hilfe Künstlicher Intelligenz unterschiedliche Fragen beantworten kann – und zwar in einer bislang unbekannten Qualität. Dieses Computerprogramm spricht sehr strukturiert, es kann scheinbar Sinnzusammenhänge erkennen und rhetorisch brillant erzählen. Man kann beim Fragenstellen nachhaken und hat manchmal tatsächlich das Gefühl, ein echtes Gespräch zu führen. Was nicht heißt, dass ChatGPT nicht manchmal auch Fehler macht oder Unwahrheiten verkündet.

Wie ist Ihr Gespräch verlaufen?

Es war eine unterhaltsame Stunde. Ich war begeistert von der Wortgewalt und Strukturiertheit, mit der ChatGPT „spricht“ . Zum Thema Glauben wusste er durchaus etwas zu sagen. Ich habe zum Beispiel gefragt: Woran glaubst du gern? Oder: Woran können wir noch glauben? ChatGPT ist da sehr transparent und macht von vornherein klar, dass er nicht glauben kann und keine Meinung hat. Er spiegelt nur die Überzeugungen von Menschen wider, mit deren Texten er gefüttert worden ist.

Finden Sie das Experiment gelungen?

Ja, auf jeden Fall. Und ich hoffe, dass die Podcast-Hörerinnen und -Hörer ähnlich wie ich darüber nachdenken, ob ein Computerprogramm, das über Gott und Glauben redet, wirklich überzeugen kann. Es war interessant, aber Glaubensgespräche führe ich in Zukunft lieber wieder mit Menschen.

Wo hat ChatGPT seine Grenzen?

Er ist eben kein Mensch mit Emotionen, kein Gemeindemitglied, das ein Verhältnis zu Gott hat. Auch wenn ChatGPT unterhaltsam ist, muss man sich vor Augen halten: Man spricht mit einem pseudointelligenten Wortzusammenwürfler – obwohl sich mancher Prediger eine Scheibe davon abschneiden könnte.

Wo kann ChatGPT seinen Platz in der Kirche finden?

Er kann Glaubensinteressierten möglicherweise den Erstkontakt zu Religion und Glaube erleichtern, über Fakten informieren, und zwar ganz einfach vom Handy aus. Alles, was darüber hinausgeht, Seelsorge oder Liturgie, und alles, was uns als Glaubensgemeinschaft ausmacht – da kann ein Computer nicht mithalten. Aber die Kirche sollte sich der Technik nicht verschließen. Künstliche Intelligenz wird die Gesellschaft nachhaltig verändern. Da muss die Kirche sprachfähig werden und sich im kritischen Diskurs für die christlichen Werte starkmachen.

Was hat Sie im Gespräch besonders überrascht?

Ich habe ChatGPT gebeten, ein Gebet zu schreiben. Ich war überrascht, dass eine KI, die gar nicht weiß, was Gott überhaupt ist, ein so anrührendes Gebet formulieren kann. Sie spricht zum Beispiel vom „allmächtigen Gott, der uns auf dem richtigen Weg führt“. Und eine Künstliche Intelligenz „Amen“ sagen zu hören, war irgendwie befremdlich, aber auch ein einmaliges Erlebnis. 

Interview: Anja Sabel

An jedem ersten Mittwoch des Monats erscheint eine neue Folge des spirituellen Podcasts, zu hören auf www.dasglaubichgern.de sowie auf Spotify, Apple Podcasts, Amazon Music und Google Podcasts.