Neues Konzept für Pastoral im Erzbistum

Grünes Licht für Sesam

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Personen stehen um eine Karte herum und diskutieren
Nachweis

Foto: Marco Heinen

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Diskussion vor einer Bistumskarte. Allein die Fläche ist ein Problem.

Hamburg, Schwerin, Rostock, Lübeck und Kiel sind in naher Zukunft die Orte, in denen Basisstationen die Pastoral im Erzbistum gesteuert werden soll. Die Arbeit in den Gemeinden soll vor allem durch Ehrenamtliche geleistet werden. Grund ist der Mangel an Priestern und Fachpersonal.

„Für mich ist die Ampel heute auf grün gestellt.“ Erzbischof Stefan Heße hat in einem Bistumstag am 24. Mai grünes Licht für einen Richtungswechsel gegeben. Unter dem Leitwort „Sesam“ (Sendung und Sammlung) wird jetzt ein System aufgebaut, das bei schwindendem Personal und Mitteln die Seelsorge im Erzbistum Hamburg sichern soll. Fünf zentrale „Basisstationen“, besetzt mit multiprofessionellen Teams, werden zunächst jene Pfarreien unterstützen, die selbst nicht mehr in allen Gemeinden die pastoralen Grunddienste leisten können. Ab 2040 sollen sämtliche pastoralen Fachkräfte in einer Basisstationen arbeiten – oder in Spezialfeldern wie Klinik- oder Gefängnisseelsorge.

Die Basisstation soll Ehrenamtliche schulen und begleiten. Sie soll ferner ein zentrales Programm bieten: Gottesdienste, Glaubensgruppen, Bildungsabende, Vernetzung in „Pastoralwerkstätten“. Daneben sollen „Servicebüros“ entstehen: zentrale Stellen, die Verwaltungsarbeit leisten oder Anfragen beantworten. Die Basisstation „ist der Ort der bleibt, wenn andere Strukturen nicht mehr funktionieren“, heißt in einem jetzt veröffentlichten „Fahrplan für die Pastoral im Erzbistum Hamburg“.

„Transformation“ statt „Optimierung“

Strukturen, die die mehr funktionieren – das gibt es nicht nur im Norden. Der Pastoraltheologe Jan Loffeld, Professor im niederländischen Utrecht, hat sich eingehend mit der Kirche der Zukunft beschäftigt. Bisher, sagt er, habe die Kirche durch „Optimierung“ auf den Rückgang reagiert – also versucht, das laufende System zu verbessern. Das funktioniere aber nicht mehr. Statt „Optimierung“ sei eine „Transformation“ nötig.

Dazu gehöre ein Blickwechsel von innen nach außen. Jahrzehntelang wurde „die Gemeinde“ als idealen Ort des Christseins betont, also die „Sammlung“ der Jüngerschaft Jesu. Ihr Blick nach außen, die „Sendung“ werde in der säkularen Gesellschaft immer wichtiger werden. „Unsere Zeit ist spannend“, sagte Loffeld, „und ich möchte in keiner anderen Zeit der Kirchengechichte leben.“ In ganz Deutschland und den Nachbarländern beobachtet der Theologe Überlegungen, wie eine Transformation der Kirche aussehen könnte. Allerdings gebe es kaum praktische Vorbilder. Denn nirgendwo seien die Lösungsansätze so konkret wie in Hamburg: „Sie sind die Speerspitze“.

Das Projekt „Sendung und Sammlung“ (Sesam) läuft seit einem Jahr. Es wurde in mehreren Stufen beraten, diskutiert und konkretisiert. Waren zuerst sechs bis acht „Basisstationen“ im Gespräch, so sind es jetzt fünf: In Hamburg, Schwerin, Rostock, Lübeck und Kiel sollen die pastoralen Fachkräfte zusammengezogen werden. „Selbst wenn wir nichts mehr halten können. Die Basisstationen wären das Letzte, das wir aufgeben“, sagte Erzbischof Heße, und im nächsten Satz: „In der Gemeinde läuft das, was die Gläubigen dort zuwege bringen. Pastoral wird ehrenamtlich sein. Oder sie wird nicht sein.“

Für viele Teilnehmer des Forums war die Aussicht nicht neu. Als Mitglieder von Gemeindeteams steuern sie heute schon die Gemeinde vor Ort. Sie organisieren Jugendarbeit, Glaubenskreise, Katechese – und einige Ehrenamtliche haben am nächsten Tag den Sonntagsgottesdienst geleitet.

Zustimmung, aber auch offene Fragen

Das wird bald nicht mehr die Ausnahme sein. Pfarrer Tobias Sellenschlo, der Personalleiter für Pastoraldienste im Bistum, hat sich das Jahr 2032 im Kalender vorgemerkt. Dann wird sich die Zahl der Priester, Diakone und Gemeinde- und Pastoralreferenten halbiert haben. Heute gibt es 238 Hauptamtliche, in sieben Jahren knapp 120, danach geht es weiter abwärts. Sellenschlo war Ansprechpartner im Raum „Personal“. Das war einer von 15 Themenräumen, in denen Aspekte des Sesam-Projekts vorgestellt wurden. Jeder Teilnehmer konnte auf Notizzetteln Kommentare abgeben.

Offene Fragen gab es etwa zum Verhältnis der fünf Basisstationen zu den 28 Pfarreien. Denn diese sollen bestehen bleiben. Mit welchen Aufgaben? Welche Rolle spielt künftig der Pfarrer? Wer entscheidet über den Personaleinsatz? Und was ist, wenn die Ehrenamtlichen an ihre Grenze kommen und Nein sagen? Und: „Gibt es Dinge, auf die ein Kirchenmitglied ein Recht hat?“ So fragte der Lübecker Propst Christoph Giering in einer großen Runde, die sich rund um eine Bistumskarte gebildet hatte. Fünf Punkte auf riesiger Fläche. Das hat viele Betrachter erschreckt. Ist es richtig, dass die Basisstationen Kiel, Lübeck und Rostock am Rand ihrer Einzugsgebiete liegen? Erreicht man sie mit Bus und Bahn? Diese Bedenken teilten viele Beteiligte. Sorgen bereitet auch die Frage nach dem persönlichen Kontakt. „Wo trifft man noch jemanden an?“, „An wen wenden sich Hilfesuchende?“ Und auf einem Zettel war zu lesen: „Menschen, keine künstliche Intelligenz!“

Gemessen an den Veränderungen war die Resonanz auf die Sesam-Präsentation aber positiv. Dass es „so nicht weitergeht“, war Konsens unter den 250 Anwesenden. Dass es auch anders geht, davon ist Generalvikar Geißler überzeugt. „Ich habe keine Angst“, sagte er in einem Schlusswort. „Die Kirche ist ja nicht meine Kirche, sondern die Kirche Christi. Er wird uns zuwachsen lassen, was wir brauchen. Bewahren wir uns ein Herz, das jederzeit mit Gottes Möglichkeiten rechnet!“

Andreas Hüser