Schuldnerberatung für junge Menschen

Habe Schulden. Brauche Hilfe.

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Der Monat ist noch lang, die Rechnungen sind da – doch das Geld reicht nicht. Was tun bei Schulden? Die Caritas Jugendsozialarbeit Hannover bietet jungen Menschen Beratung an – online und bundesweit.


Ob Handyvertrag oder hohe Mietkosten – immer mehr junge Menschen mit Geldsorgen wenden sich an die Online-Schuldnerberatung der Caritas.

„Habe Schulden. Brauche Hilfe“ – Inge Mette hat täglich mit elektronischen Briefen zu tun, die so überschrieben sind. Oder noch drastischer: „Gehe gerade unter“ – heißt es bei einer, die aktuell als E-Mail ins Postfach gesendet wurde. Inge Mette ist Schuldnerberaterin bei der Caritas Jugendsozialarbeit Hannover (CJS) und kümmert sich um die Anfragen. Das Besondere: Sie kommen auf elektronischem Weg, sind in der Regel zunächst anonym und trudeln aus dem ganzen Bundesgebiet ein.

Online-Beratung gibt es seit zwölf Jahren

Vor zwölf Jahren hat der Deutsche Caritasverband bundesweit eine online-Beratung in verschiedenen Arbeitsfeldern etabliert: zum Beispiel Schwangerschaft, Sucht, Erziehung, Kuren, Leben im Alter oder rechtliche Betreuung. Auch die Schuldnerberatung ging online. 2016 hat sich die CJS zunächst für den Postleitzahlenbereich von Hannover der allgemeinen Beratung von Schuldnern angeschlossen. Doch schnell hat sich eine Erkenntnis breit gemacht: „Junge Leute haben andere Fragen“, sagt Inge Mette. Bei Erwachsenen haben Schulden fast ausschließlich mit Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit zu tun. „Die Schulden von Jugendlichen haben andere Ursachen“, erläutert sie. Deshalb die Idee: Es braucht eine spezielle Beratung für junge Leute unter 27 Jahren – auch und gerade online und im ersten Schritt anonym. Mit Unterstützung der Deutschen Fernsehlotterie wurde das Angebot 2017 auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet. Finanziert wird eine halbe Stelle mit 19,5 Wochenstunden. Jedoch läuft die Förderung zum 31. Dezember aus.

Schulden bei Jugendlichen: Verzockt mit dem Handy-Vertrag, zu viel bei Musikdiensten heruntergeladen oder versteckte Kosten bei Online-Spielen? „Sicher, das kommt vor“, berichtet Inge Mette. Wobei aus vermeintlich kleinen Schulden schnell „richtig Geld“ werden kann – wenn Inkasso­unternehmen ins Spiel kommen: „Dann wachsen die Schulden ganz schnell an und können von jungen Leuten nicht mal eben beglichen werden.“

Schuldenfalle: Miete, Strom, Wasser, Gas

Zurzeit macht Inge Mette aber eine andere Schuldenfalle aus: Mieten und die Kosten für Strom, Wasser oder Gas. „Mit dem ers­ten eigenen Geld wollen unsere Klientinnen und Klienten oftmals schnell weg von zu Hause“, beschreibt es die Schuldnerberaterin. Das deckt sich mit anderen Erfahrungen aus der Jugendsozialarbeit. Häufig ist es die Flucht vor familiären Problemen, die Jugendliche in Schwierigkeiten bringt. Für Inge Mette kommt noch etwas anderes dazu: „Die Ausbildungsvergütungen oder Einstiegsgehälter sind gering, die Preise auf dem Wohnungsmarkt haben sich massiv erhöht.“ Die Spanne für den Lebensunterhalt wird merklich kleiner.

„Junge Leute müssen da richtig anfangen zu rechnen“, meint Inge Mette. Da werden Handy-Schulden fast schon nebensächlich, es gehe wirklich an die Existenz.
Außerdem: „Unsere Ratsuchenden kommen eben nicht aus Familien, in denen die Eltern mit Unterstützung aushelfen können.“

Eine weitere Erfahrung der Beraterin, die auch in Schulen, Jugendprojekten oder beim Jobcenter Finanzcoaching für Jugendliche anbietet: „Jugendliche sind kaum auf das vorbereitet, was sie nach der Schule erwartet.“ Viele handeln naiv, wissen schlicht nicht um ganz grundsätzliche Dinge im Umgang mit Geld. „Da besteht ein echtes Defizit, da müssen wir auch in der Schule viel präventiver handeln“, unterstreicht Inge Mette.

Weitere Schulden und neue Fehler verhindern

Welche Hilfen kann die CJS jungen Schuldnern geben? „Solange es anonym ist, können wir die genauen Verbindlichkeiten herausfiltern, eine Gläubigerliste erstellen und einen Haushaltsplan entwickeln “, beschreibt Mette die Notfallhilfe. Das geht bei knapp zwei Drittel der Anfragen. Weitere Schulden verhindern, Ruhe reinbringen, nicht übereilt weitere Fehler machen – das seien die ersten Schritte. Bei höheren Schulden oder einer großen Anzahl von Gläubigern geht das nicht mehr: „Da steigen wir dann entweder in eine intensivere Beratung ein oder versuchen an einen Beratungsdienst in der Nähe der Klienten zu vermitteln.“
 


Täglich bekommt Inge Mette Hilferufe von jungen Menschen mit finanziellen Problemen.

Technisch wirkt das Ganze noch etwas altertümlich, gibt Inge Mette zu. Die Ratsuchenden müssen sich mit einem selbstgewählten Namen und einem Passwort anmelden. Dann können sie ihre Fragen und Situation aufschreiben und geschützt als E-Mail an die CJS abschicken. Innerhalb von 48 Stunden gibt es dann Antwort. „Für einige ist das durchaus ein zu langer Zeitraum“, weiß Inge Mette. Auch wenn die Anfragen rund um die Uhr gestellt werden können. Etwa ein Drittel von ihnen hat Absendezeiten zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens.

„An der Technik sind wir aber dran“, ergänzt Achim Stieve, Geschäftsführer der CJS. Der Deutsche Caritasverband stellt Schritt für Schritt das Online-Beratungs­angebot um, damit es auch für Smartphones und Tablets nutzbar wird. Das bedeutet aber auch: Die Reaktionszeiten werden kürzer. Und statt ein oder zwei längeren E-Mails wird der Kontakt zukünftig in kürzeren, aber häufigeren Antworten ablaufen. Auch für Beraterinnen wie Inge Mette eine Umstellung: „Wir werden anders schreiben müssen.“ Und vielleicht noch vorsichtiger. Denn nach ihrer Erfahrung sind junge Menschen mit Schulden eher „scheue Rehe – die haben immer Angst, das was Schlimmes passiert.“

Die Zahl der Ratsuchenden steigt

Achim Stieve erwartet, dass die Nutzerzahlen weiter steigen. 2017 gab es 409 junge Menschen, die sich an die CJS gewendet haben, 1052 Mails wurden ausgetauscht. Im Jahr drauf waren es bereits 517 Ratsuchende und ein Schriftverkehr von 1421 Mails. Für 2019 erwartet Stieve eine Zahl von mindestens 700 jungen Leuten – Fragen mit dem Handy lassen sich schneller stellen als am Computer. „Der Bedarf ist mehr als da“, sagt er.

Zwei Wege zur anonymen Schuldnerberatung: www.caritas.de, Klick auf online-beratung, dann auf Schuldnerberatung für junge Leute
Oder: www.cjs-hannover.de, Klick auf Schuldnerberatung, dann auf Online-Beratung.

Rüdiger Wala