Ausstellung „saxones“ im Landesmuseum Hannover

Heiden, Sachsen, Sieger

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Es geht – wie eigentlich immer bei weitreichenden Entwicklungen – auch um Gewalt, Macht, Intrigen und Verwicklungen. Erzählt wird die Geschichte im Landesmuseum Hannover, sie handelt von den gemeinhin als sturköpfig geltenden Sachsen. Und davon, wie sie Einfluss genommen haben. Weit über den Norden hinaus.


Kreuzförmig sind die Verzierungen dieser Scheibenfibel
aus dem 7. Jahrhundert angeordnet. Ein frühes christliches
Zeichen im Norden. | Fotos: Stefan Branahl

Übertrieben lässig hängt er da in seinem Stuhl und schaut dem Betrachter über das Schreibpult mit leicht ironischen Zügen ins Gesicht: Lebensgroß hat der Maler den Schreiber Widukind, im 10. Jahrhundert Mönch im Kloster Corvey an der Weser, für die Ausstellung „saxones“ dargestellt. Widukind macht den Eindruck, als wisse er genau, dass er seinen Anteil daran hat, wenn Museumsdirektorin Katja Lembke selbstbewusst ankündigt: mit der Ausstellung werde die Geschichte der Sachsen ganz neu erzählt. Immerhin hat er gerade niedergeschrieben, was die Nachwelt von dieser Geschichte in Erinnerung behalten soll.

Das Landesmuseum korrigiert in einer Zeitreise durch die ersten zehn Jahrhunderte nach Christus in bemerkenswert spannender Form ein Bild, das gemeinhin in den Köpfen herrscht, ausgelöst vor allem durch den Widerstand gegen die römischen Herrscher nordöstlich des Rheins. „Sturmfest und erdverwachsen“, wie es die Nachfahren heute noch im Niedersachsenlied anstimmen, sollen diese Sachsen, ein uralter germanischer Stamm, gewesen sein. Doch von denen ist in den römischen Aufzeichnungen jener Zeit nie die Rede. Zwar taucht darin der lateinische Begriff „Saxones“ auf, doch bedeutet er nichs anderes als „Messermänner“ und bezeichnet skrupellose Piraten und Söldner verschiedener Regionen.

Glücksritter aus dem Elbe-Weser-Dreieck
 


Rund 850 Exponate sind in der
Ausstellung „saxones“ im Landes-
museum Hannover zu bewundern.

Als das römische Reich 410 seine Provinz in England aufgibt, entsteht im Norden ein Machtvakuum, das eine Art germanischer Warlords vom Kontinent anlockt. Von Anfang an dabei sind Glücksritter aus dem Elbe-Weser-Dreieck, erläutert die Ausstellung. Die Macht im Hinterland überlassen sie allerdings den konkurrierenden Königen der Thüringer, die sie später den Franken überlassen müssen. Die müssen sich immer wieder mit Aufständischen, jetzt tatsächlich Sachsen genannt,  aus dem Norden herumschlagen. Ihre Anführer der unterschiedlichsten Stämme unterwerfen sich nur, um Verträge bei nächster Gelegenheit zu brechen.

Heidenpack hat nur eine Wahl: Taufe oder Tod

Im 8. Jahrhundert tritt Karl der Große auf die Bühne. Er wirft den Aufständischen vor, dem Christentum gegenüber feindselig zu sein. Sachsen sind jetzt das Heidenpack, das nur eine Wahl hat: Taufe oder Tod. Es kommt zu Massenhinrichtungen, heilige Orte werden zerstört. „Nach heutigen Begriffen war das Terror“, ordnen die Ausstellungstexte ein. Immerhin gelingt Kaiser Karl, woran der römische Kaiser Augustus gescheitert war: Das Land zwischen Rhein und Weser unterliegt seiner Herrschaft. Ein Gott, ein König!

100 Jahre später schreiben die Sachsen ein Erfolgskapitel ihrer Geschichte: Ein Mann aus ihren Reihen, Heinrich, wird der erste König auf einem Frankenthron, sein Sohn Otto der Große später Kaiser und damit der mächtigste Herrscher in Europa. Der Mönch Widukind aus Corvey schildert ihr Erfolgsrezept ganz unverblümt: Heimtücke, Hinterlist und viel Gewalt.

Eine in jeder Sicht beeindruckende Schau haben die Ausstellungsmacher da in Hannover auf die Beine gestellt – mit 850 archäologischen Exponaten, zum gro­ßen Teil aus eigenem Bstand, aber auch zahlreiche Leihgaben. Doch sie lebt vor allem durch die herausragenden Erläuterungstexte und Hörstationen: Das furchterregende Taufbekenntnis, mit dem die „Sachsen“ dem Satan und ihren Gottheiten abschwören mussten, bleibt noch lange im Ohr.

Internet: landesmuseum-hannover.de

Stefan Branahl