Podiumsdiskussion der Bischöflichen Stiftung für das Leben

Heil oder Unheil?

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Derzeit nur wenig beachtet, aber trotzdem ein gesellschaftlicher Dauerbrenner: Wie gehen wir mit dem Thema Sterbehilfe um? Hintergrund einer Diskussion: Das Suizid-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor einem Jahr.


Die Angst vor einem elenden Tod fördert den Wunsch
nach Sterbehilfe. Dabei gibt es heute auch in vielen
schwierigen Situationen Medikamente, die den
Schmerz nehmen oder erträglich machen.

Mehr Differenzierung statt extremer Positionen – dafür plädiert Bischof Heiner Wilmer in der Frage der Neuregelung der Suizidbeihilfe. Bei einer im Internet übertragenen Podiumsdiskussion der Bischöflichen Stiftung für das Leben sagte Wilmer, er respektiere die Entscheidung bei der Verabreichung eines tödlichen Medikaments werde er aber nicht dabei sein wollen, das könne er vor seinem Gewissen nicht verantworten.

Beim Schutz des Lebens von Beginn bis zum Ende gebe es keine Patentlösungen, sagte Wilmer. In Zeiten der Corona-Pandemie sei vielen bewusst geworden, dass der Mensch zerbrechlich ist. „Jetzt ist die Zeit zu überlegen, welche Gesellschaft wir wollen, welche Visionen wir haben“, so der Bischof.

Der Göttinger Rechtswissenschaftler Gunnar Duttge setzte sich für eine straffreie Suizidbegleitung ein. „Das heißt nicht, jeder kann machen was er will“, sagte er. Das Leben sei zu wertvoll, um es dem freien Spiel der Kräfte freizugeben. „Aber wenn ein Mensch nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kommt, dass er aus für ihn guten Gründen sterben will, muss das res­pektiert werden. Das gilt auch, wenn seelsorgliche Begleitung und medizinische Therapie abgelehnt werden“.  Im übrigen, stellte er klar, mache sich das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil nicht die Argumente von Befürwortern der Sterbehilfe zu eigen. Vielmehr habe es deutlich gemacht, dass eine Bestrafung der Hilfe nicht rechtmäßig sei.

Kurt Bliefernicht vom hannoverschen Hospiz Luise sagte, dass er das Urteil skeptisch sehe. Es  könne zum „Dammbruch“ kommen, weil Menschen aus dem Leben scheiden wollen, um anderen nicht zur Last zu fallen. Dringend warb er dafür, den Hospizgedanken und die Möglichkeiten der schmerzlindernden medizinischen Möglichkeiten stärker in den Vordergrund zu stellen. „Sollte sich trotz aller Alternativen dann doch jemand für den Suizid entscheiden, würde ich ihn nicht verurteilen sondern begleiten“, so Bliefernicht.

Martina Wetzel, Chefärztin am Hildesheimer Sankt Bernwardkrankenhaus, berichtete von ihrer Erfahrung: „Menschen, denen die Angst vor Schmerzen, Einsamkeit und Hilflosigkeit genommen wird, ziehen ihren Wunsch zu Sterben häufig zurück.“ Für Ärztinnen und Ärzte, die sich der Heilung verpflichtet sehen, sei es zudem eine völlig neue Situation, sollten sie Patienten beim Sterben assistieren.

Alexander Merkl, Moraltheologe am Institut für Katholische Theologie in Hildesheim, lehnte einen assistierten Suizid in kirchlichen Einrichtungen ab und warnte davor, dass sich alte und schwerkranke Menschen rechtfertigen müssten, sollten sie ihn nicht in Anspruch nehmen. Zugleich mahnte er,  Autonomie dürfe nicht zu einem absoluten Wert gemacht werden. Merkl: „Es kann nicht darum gehen, den verzweifelten Menschen abzuschaffen sondern die Verzweiflung.“

Die Diskussion im Internet zum Nachschauen finden Sie unter https://youtu.be/C-OS_4F8vXw

Stefan Branahl

 


Martina Wetzel

 

 

 

 

„Ich kann mir nicht vorstellen,
dass ein Arzt verpflichtet werden kann,
gegen sein Gewissen beim Suizid
zu helfen.“
(Martina Wetzel)

 


Bischof Heiner Wilmer

 

 

 

 

„Viele verwechseln
‚Vor einem schrecklichen Sterben bewahren‘
mit ‚Von einem schrecklichen Leben erlösen‘.
Eine fatale Entwicklung.“
(Bischof Heiner Wilmer)


Kurt Bliefernicht

 

 

 

 

„Wir müssen empfindsamer werden
für das Thema Sterben und Tod.
Der Hospizgedanke muss
in die ganze Gesellschaft,
in jeden Stadtteil getragen werden.“
(Kurt Bliefernicht)


Gunnar Duttke

 

 

 

 

„Der Staat hat die Aufgabe Leben zu schützen.
Das muss er auch nach Überzeugung des
Bundesverfassungsgerichts nach wie vor ernst nehmen.
Aber die Hilfe bei eines aus freien Stücken getroffenen Suizids
zu bestrafen ist nicht verhältnismäßig.“
(Gunnar Duttke)


Alexander Merkl

 

 

 

 

 

 

 

„Die Angst vor Schmerz und Siechtum müssen wir anerkennen,
aber immer Alternativen zur Selbsttötung anbieten.“
(Alexander Merkl)