Fürbittbücher

Heilende Solidarität

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In diesen Tagen setzen viele Menschen ihre Hoffnungen auf persönliche Gebete. Im Wallfahrtsort Wietmarschen zum Beispiel stehen im Anliegenbuch in der Marienkapelle viele Fürbitten, die sich auf die Corona-Krise beziehen. Pfarrer Gerhard Voßhage erklärt, warum Beten helfen kann und welche Texte er dafür empfiehlt.


Viele Menschen machen sich wegen der Corona-Krise Sorgen um die Zukunft. An besonderen Orten im Bistum können sie nicht nur Kerzen anzünden, sondern auch Bitten aufschreiben. Foto: Petra Diek-Münchow

In einer Fürbitte legen wir Gott all diejenigen ans Herz, die uns wichtig sind. Kann solch ein Gebet wirklich in dieser schwierigen Zeit helfen und wie?

Nach meiner tiefen Überzeugung kann es nicht nur helfen, es hilft auch tatsächlich. Die spannende Frage für mich ist ja: Verändert Beten nur mich selber und wie ist das mit anderen? Wenn wir für andere bitten, bilden wir im Glauben ein ganz großes Netzwerk und lassen uns hineinnehmen in das Dasein Jesu „für euch und für alle“. Wir nehmen damit teil an dessen heilender Solidarität.

Vielleicht einmal ganz grundsätzlich: Gott sagt Ja zu unserer Welt und zu uns Menschen. Er liebt sie und uns – und darin bezieht er unser Mithandeln im Gebet und im Tun der Liebe mit ein. Unser Gebet ist daher der vorzügliche Ort, an dem wir uns von der Liebe Gottes aufschließen lassen, damit sie Zugang zu uns finden kann. Das Gebet ist so die zentrale Einlassstelle, in die Gottes Liebe in unser Leben einströmen und es verändern kann.

Über unsere persönliche Veränderung hinaus erhoffen wir im Bittgebet, dass uns keine noch so schreckliche und tödliche Situation von Gottes Liebe trennt und dass diese Liebe auch im Alltag aufscheint. Unsere konkrete Lebenswelt kann durch das Vertrauen auf Gott für seine Liebe empfänglich sein. Und diese Liebe kann die verschiedensten Ebenen unserer Wirklichkeit, auch die materiell-körperliche und die gesellschaftlich-kulturelle, durchdringen und heilen. Also, in diesem Vertrauen auf Gott werden sich Dinge ändern.

 

Wenn ich ein Gebet gesprochen habe, fühle ich mich oft danach schon besser. Kann das auch ein Ziel des Gebetes sein? 

Natürlich, denn Ziel des Betens ist ja das Gespräch mit Gott. Er hört mir zu, bei ihm kann ich lassen, was mich bedrückt oder wofür ich auch danken will. Und dass es mir danach besser geht, kann durchaus ein Ergebnis und eine Frucht sein.

 

Nutzen denn derzeit mehr Menschen die Kirche für ein stilles Gebet oder auch um eine Fürbitte in das Anliegenbuch zu schreiben?

Ja, das beobachten wir ganz eindeutig so. Ein Anzeichen, dass mehr Menschen zu uns kommen, sind zum Beispiel die Kerzen, die vor der Muttergottesstatue angezündet werden. Es sind rund 30 Prozent mehr als sonst. Ostern waren es sogar doppelt so viele Kerzen. Und das, obwohl die Kolping-Wallfahrt mit meist 1000 Besuchern am Karfreitag ausgefallen ist. Wir hören auch, dass viele Besucher sehr dankbar dafür sind, dass die Kirche und Kapelle in dieser Zeit weiter geöffnet sind. Wietmarschen ist für viele ein Kraftort. Deshalb heißt unser Motto ja auch: „Suche Maria. Finde Kraft.“

 


Pfarrer Gerhard Voßhage. Foto: privat

Welche Gebete und Orte empfehlen Sie den Menschen in diesen Tagen? 

Als Gebet zuerst einmal natürlich das Vaterunser. Und dann den wunderbaren Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirt“, im Gotteslob die Nummer 37. Als Lied schätze ich besonders die Nummer 422 im Gotteslob: „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr.“ Dieses Lied begleitet mich schon durch mein ganzes Leben, schon seit Jugendjahren. Nebenbei lautet deshalb so auch die Zahl in meiner Autonummer. Sehr passend finde ich auch das Lied „Ich will dir danken, weil du meinen Namen kennst, Gott meines Lebens“, im Gotteslob 433.

Beten kann man eigentlich überall, aber in einer vertrauten Umgebung fällt es sicherlich leichter. Das kann zu Hause an einem ruhigen Ort sein, im eigenen Garten unter einem Baum oder ganz praktisch morgens nach dem Aufstehen vor dem Spiegel. Zum Beispiel mit dem Satz aus dem Lied 433: Ich will dir danken Gott, weil du meinen Namen kennst.

 

Und was und wo beten Sie am liebsten?

Das ist das Gebet von Romano Guardini aus dem Gotteslob 19,1 mit dem Titel „Schöpfung“, wo es zum Beispiel heißt: „Immerfort blickt dein Auge mich an und ich lebe aus deinem Blick.“ Wo ich am liebsten bete – das sind besondere Momente von Vertrautheit und Innigkeit wie bei der eucharistischen Anbetung. Und das geht für mich eher in kleineren Kapellen als in großen Kirchen. Ich brauche dafür einen geschützten Raum wie zum Beispiel bei Exerzitien.

Zu Hause habe ich für meine Gebete am Morgen von sechs bis sieben Uhr einen Gebetsstuhl. Und danach verfolge ich im Internet immer die Morgenmesse, die Papst Franziskus in der Kapelle der Casa Santa Marta feiert. Ich bin ihm sehr dankbar für seine Auslegung der Schrift. Das ist wirklich gut und für mich persönlich eine Ermutigung in dieser Zeit. 

Interview: Petra Diek-Münchow