Von der Konditorin zur Gemeindereferentin

"Ich bin auf der richtigen Spur"

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Manchmal schlägt das Leben eine andere Richtung ein – und die passt dann genau. So empfindet es Elisabeth Focks. Die Konditormeisterin hat mit 50 Jahren entschieden, eine neue Ausbildung zu machen: zur Gemeindereferentin.


Elisabeth Focks in der St.-Andreas-Kirche in Emsbüren.
Sie ist überzeugt, dass der Beruf der Gemeindereferentin
sie glücklich machen wird. Foto: Petra Diek-Münchow

Wo wir uns treffen? „Am besten gleich im Haus Geist“, sagt Elisabeth Focks. In dem historischen Gebäude neben der St.-Andreas-Kirche in Emsbüren hat sie ihr Büro. Dort plant sie als pastorale Mitarbeiterin der Pfarreiengemeinschaft die Katechese der Erstkommunionkinder, kümmert sich um die Messdienerschar, begleitet die Lektoren und eine Frauengruppe. Und das alles macht ihr sichtlich Freude. Dabei sieht diese Arbeit ganz anders aus als ihr bisheriger Beruf als Konditormeisterin. Aber jetzt möchte die 54-Jährige Gemeindereferentin im Bistum Osnabrück werden. Die ersten drei Jahre der Ausbildung hat sie in diesen Tagen geschafft (siehe auch „Zur Sache“). 2025 wird sie fertig sein und bei dem Gedanken daran überzieht ein Lächeln ihr Gesicht. „Es fühlt sich gut an. Der Weg musste so sein. Ich bin genau am richtigen Platz“, sagt sie.

Dieser Weg fängt bereits in Spelle an. In der Gemeinde, gerade 17 Kilometer entfernt von Emsbüren, wächst Elisabeth Focks mit sieben Geschwistern und den Großeltern in einem „riesengroßen Haushalt“ auf. Die Eltern sind fest verwurzelt in der katholischen Kirche. „Sie legten schon Wert darauf, dass wir Kinder sonntags in die Messe gehen.“ Das regelmäßige Gebet bei Tisch oder die gen Himmel geschickte Fürbitte bei Gewitter gehören ebenso selbstverständlich zu dieser Kindheit wie das Segenskreuz morgens auf die Stirn. „Und Mama machte immer eine Kerze für uns an, wenn irgendwas Besonderes los war. Das   fand ich sehr schön“, erinnert sich Focks gern zurück. So begleitet zu werden, gibt ihr das Gefühl, ein gutes Fundament für das Leben zu haben. 

An dem baut sie weiter mit der ersten Ausbildung. Mit einem Schmunzeln erzählt sie, dass sie „eigentlich was Soziales werden wollte“, aber aus praktischen Gründen Konditorfachverkäuferin und Bäckerin lernt. Mangels Auto muss es eine Firma im Dorf sein und damals gibt es wegen der geburtenstarken Jahrgänge „auch einfach nicht so viele andere Lehrstellen“. Aber die Arbeit macht ihr mit der Zeit immer mehr Spaß. „Da konnte ich meine Kreativität ausleben.“ Vor allem, als sie nach der Familienphase, in der sie ihre drei Kinder und den pflegebedürftigen Schwiegervater umsorgt, wieder neu durchstartet. Zuerst als Konditorin in einem Café im Matthiasspital in Rheine. Zusätzlich macht sie in diesen Jahren ihre Meisterin. Nachts arbeiten, Haushalt und Garten, pauken, zweimal in der Woche Schule in Osnabrück und Blockunterricht in Iserlohn: Hat sie überhaupt geschlafen? „Nicht viel“, sagt Elisabeth Focks, „das waren schon stressige Jahre.“ 

Kirche als Kontrapunkt im durchstrukturierten Leben

Ruhe und Ausgleich gibt ihr die Heimatkirche. „Wenn mir alles zu viel wurde, bin ich abends in die Messe gegangen.“ Und sie engagiert sie sich auch ehrenamtlich in der Speller Gemeinde: seit etwa 25 Jahren als Lektorin, im Pfarrgemeinderat, bei der Erstkommunion und Firmung. Die Kinder und Jugendlichen auf diese Sakramente vorzubereiten, „fand ich immer schön und gut“. Elisabeth Focks möchte ihnen als Katechetin christliche Werte mitgeben wie zum Beispiel Nächstenliebe, Achtung vor anderen Menschen und sich selbst. „Sie sollten immer das Gefühl haben, dass sie geliebt und wertvoll sind – dass sie gut sind, genau wie sie sind.“ 

Gerade in einer Zeit, in der vom Kindergarten bis zum Abitur alles „durchstrukturiert und auf Leistung ausgelegt ist“, muss Kirche ihrer Ansicht nach einen Kontrapunkt setzen. „Ich muss die Menschen da abholen, wo sie stehen und nicht da, wo ich sie gerne hätte.“ Und das klingt schon wie ein selbst formulierter Auftrag für ihren neuen beruflichen Weg in der Kirche.

Doch auf diesem Weg gibt es vorher noch ein paar andere Stationen. Nach der Etappe in Rheine macht sich Elisabeth Focks selbstständig mit einer kleinen Konditorei zu Hause. Für Hochzeiten, Familienfeiern oder Firmenjubiläen backt sie mehrstöckige, kunstvoll verzierte Torten. Eröffnet dann das Café „Sahnestück“ in Spelle und noch ein Bistro in einem Modehaus in Schapen. Die Geschäfte laufen gut. Zeitweise gehören bis zu 20 Angestellte zu ihrem Team, sie bildet viele junge Leute aus, gewinnt Tortenmeisterschaften. Wurde das zu viel? Die 54-Jährige sagt nachdenklich: „Das kann ich nicht mal sagen. Ich hab’ das gemacht, was ich gerne machen wollte.“ Und meint damit gutes Handwerk, eigene Rezepte, erfolgreiche Produkte, die eigene Frau im eigenen Betrieb sein.  

Aber trotzdem gibt es 2016/2017 immer mehr Momente, in denen sie sich fragt: „Bin ich eigentlich richtig hier?“ Elisabeth Focks räumt ein, dass sie die Gründe für ihren Berufswechsel nicht so richtig erklären kann – dass sie nur irgendwann weiß: „Du rackerst dich ab, aber das passt alles nicht mehr. Die Arbeit macht dich nicht mehr glücklich.“ Sie legt zuerst eine Auszeit aus – geht allein sechs Wochen lang von Frankreich über die Pyrenäen den Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela. Am Ende holt ihr Mann sie dort ab und geht noch ein Stück des Weges gemeinsam mit ihr.


Im ersten Beruf als Konditorin hat Elisabeth Focks auch
mehrstöckige Hochzeitstorten gebacken. Foto: privat

Steht dann der Entschluss fest, in die Kirche zu wechseln? „Nicht sofort“, sagt die Spellerin spontan. Am Tag nach der Rückkehr steht sie erst wieder im Betrieb, hört wenig später von dem plötzlichen Tod eines Geschäftspartners. „Und das war der Wendepunkt, dann wollte ich nicht mehr.“ Sie schließt die Konditorei, regelt, was zu regeln ist, und bewirbt sich in Gedanken an ihre ehrenamtlichen Erfahrungen beim Bistum. Dort hört sie von der Möglichkeit, über einen Seiteneinstieg Gemeindereferentin zu werden. 

Anfangs ist sie „völlig durcheinander“ von diesem Vorschlag. Nach einer erfolgreichen Karriere wieder neu anfangen, mit 50 Jahren eine Ausbildung machen, noch mal die Schulbank drücken? Es gibt Leute, die den Kopf schütteln, als sie davon erzählt. Aber auf die Frage, warum es ausgerechnet die Kirche sein muss, hat sie eine passende Antwort: „In Kirche verändert sich gerade so viel und da will ich dabei sein.“ Und nach einem Moment des Nachsinnens sagt sie noch: „Vielleicht passt das Wort Berufung ganz gut. Irgendwie hat da oben jemand an den richtigen Stellschrauben gedreht und es hat sich einfach alles gefügt.“ Viel Gottvertrauen spricht daraus. Elisabeth Focks ruht in sich, wenn sie von diesem Weg erzählt. „Dass ich hier gelandet bin, gibt mir die Gelassenheit, dass alles gut wird.“ 

Pastorales Team profitiert von ihren Ideen

Denn von der ersten Woche an im Kirchspiel Emsbüren ist sie sicher: „Das ist es jetzt, ich bin auf der richtigen Spur, ich bin richtig hier.“ Sie hat Lust auf die Arbeit und die Menschen, sie mag die Gespräche und Begegnungen. Und sie freut sich, dass sie während der zweiten Etappe als Gemeindeassistentin in Emsbüren weiterarbeiten kann sowie Teil des schulpastoralen Teams in der St.- Franziskus-Schule in Lingen wird. 

Hätte sie das nicht schon viel früher haben können? Da schüttelt die Spellerin den Kopf. „Alles andere vorher musste ich auch machen. Damit bin ich versöhnt.“ Die Familienphase, der frühere Beruf, die Selbstständigkeit, die ganze Lebenserfahrung geben ihr die Gewissheit, eigene Stärken und Schwächen gut einzuschätzen. „Ich habe mich genug ausprobiert, ich kann das jetzt auf mich zukommen lassen.“ Und das pastorale Team in Emsbüren profitiert gleich mehrfach: von ihren Ideen und ihrem Elan – und durch Pralinen und süßes Gebäck. Denn die bringt Elisabeth Focks immer mal mit.

Petra Diek-Münchow


Zur Sache

Der sogenannte Seiteneinstieg in den Beruf einer Gemeindereferentin und eines Gemeindereferenten beginnt in der Regel mit einer dreijährigen Tätigkeit als pastorale Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in einer Pfarreiengemeinschaft, dort mit einer halben Stelle. Mit der anderen halben Stelle ist sie oder er für ein praxisbegleitendes Fernstudium freigestellt, unterstützt durch monatliche Studientreffen in Münster. Danach können sich die Auszubildenden für die ebenfalls dreijährige Berufseinführungsphase als Gemeindeassistentin oder- assistent beim Bischöflichen Personalreferat bewerben. Die Ausbildung bis zur Gemeindereferentin dauert also insgesamt sechs Jahre.

Nähere Infos gibt es bei Ingrid Fangmeyer, Telefon 05 41/31 81 92, E-Mail: i.fangmeyer@bistum-os.de.