Bistum Fulda

„Ich habe Kraft“

Image
Krav Maga
Nachweis

(Foto: SKF Fulda)

Bundesweit kommt es jährlich zu etwa 13 000 Anzeigen wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Der Sozialdienst katholischer Frauen Fulda setzt sich für die Frauen ein. Mit einem Selbstverteidigungstraining möchte er ihnen Stärke zurückgeben.

Sie wurde beim Training an die Wand gedrückt, im Würgegriff gehalten, und konnte sich dennoch aus der Enge befreien, aus eigener Kraft. Die Sozialpädagogin und traumazentrierte Fachberaterin Jana Schindler ist selbst immer noch ganz beeindruckt davon, was sie beim Krav Maga-Kurs gelernt hat. Sie ist stärker als sie sich vorstellen konnte. Die Leiterin der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Fulda hat das sechswöchige Kampfsport-Training für ihre Klientinnen organisiert. Frauen, die häusliche Gewalt erlebt hatten, haben den Wunsch geäußert, in einem geschützten Rahmen Selbstverteidigungstechniken zu erlernen.

Sie konnten in einem geschützten Raum trainieren

Schindler konnte Rainer Handwerk, einen Krav Maga Instructor aus Fulda dafür gewinnen, den für die Frauen kostenfreien Kurs zu leiten. Finanziert wird das Angebot durch Spenden. Handwerk zeigte Übungen, die die Teilnehmerinnen gleich ausprobieren konnten. „Wir sind sehr froh, dass das geklappt hat. Die Frauen würden nie in ein Kampfsportstudio gehen. Man muss bedenken, wie schwierig die Situation für die Frauen ist, dass manche allein schon vor Körperkontakt Angst haben. Hier hatten wir Zeit und die Ruhe, um uns ganz um die Bedürfnisse der traumatisierten Frauen zu kümmern“, sagt sie. Trainer Handwerk konzentrierte sich auf die Techniken, Schindler arbeitete traumasensibel, hatte die zehn Frauen im Blick und schaute, wie es ihnen ging, ob sie eine Pause, eine kurze Stabilisation brauchten oder auch einfach für einen kurzen Moment den Raum verlassen wollten. „Das war ideal“, sagt die Sozialpädagogin.

Krav Maga ist ein modernes israelisches Selbstverteidigungssystem, das Schlag- und Tritttechniken nutzt, aber auch Grifftechniken, Hebel und Bodenkampf beinhaltet. „Der große Vorteil ist, dass die Techniken recht schnell zu erlernen sind. Sie setzen an den natürlichen Körperreaktionen an. Um mitzumachen, sind keine körperlichen Voraussetzungen nötig. Die Teilnehmerinnen werden sich der eigenen Kraft bewusst, lernen, sie zu intensivieren. Sie bauen Ängste ab und reagieren schneller“, erklärt Schindler. Beim Training haben die Teilnehmerinnen etwa gegen Kissen getreten und waren überrascht, wie fest ihre Tritte waren. Genauso unerwartet war, wie laut ihre Stimmen werden können.

„Unser Ziel war es, ihnen durch die Techniken des Krav Maga nicht nur praktische Verteidigungsfähigkeiten beizubringen, sondern sie vor allem auch wieder in die Selbstermächtigung zu bringen und ihnen die eigenen körperlichen und mentalen Stärken bewusst zu machen“, sagt Schindler.

Die Rückmeldungen der Frauen waren sehr positiv, wie der SkF Fulda berichtet. „Ich fühle mich jetzt sicherer und stärker und habe es seit Jahren das erste Mal geschafft, wieder allein herauszugehen“, erzählt eine Teilnehmerin. Eine weitere Teilnehmerin resümiert: „Ich merke, wie ich innerlich gewachsen bin, das ist ein schönes Gefühl. Ich spüre ein Potenzial in meinem Körper, das ich nicht kannte. Plötzlich kann ich mich wehren, das ist ein neues Gefühl.“ Hierzu ergänzend sagt eine Teilnehmerin: „Ich merke: Ich habe eine Stimme! Ich darf laut werden und für mich einstehen! Ich darf mich und meinen Körper verteidigen.“ Noch eine Teilnehmerin erklärt: „Ich habe meine Grenzen erneut entdeckt und habe die dann verteidigen können.“

Selbstverteidigung ist Teil des Heilungsweges

Positiv fand auch die Stadt Fulda das Angebot und hat es mit dem ersten Preis  für Vielfalt und Teilhabe ausgezeichnet, der mit 1500 Euro dotiert ist. Jana Schindler freut sich, dass die Frauen so gute Erfahrungen gemacht haben. „Wir sehen die Selbstverteidigung als Teil des Heilungsweges. Es geht darum, ihnen ein Stück Selbstbestimmung und Würde zurückzugeben. Sie lernen, dass sie Überlebende sind, dass sie die Kraft haben, sich zu verteidigen. Die Nachfrage nach dieser Art von Kursen ist sehr groß“, erklärt die Sozialpädagogin.

Frauen, die körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren haben, können sich für einen nächsten Kurs an Jana Schindler wenden: beratunggsg@skf-fulda.de

Theresa Breinlich

Zur Person

Jana Schindler ist Sozialpädagogin und traumazentrierte Fachberaterin beim Sozialdienst katholischer Frauen in Fulda. Sie arbeitet bei der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt. Sie hat das Selbstverteidigungstraining initiiert. (thb)

Zur Sache

Krav Maga (hebräisch: Kontaktkampf) ist ein Selbstverteidigungs-system aus Israel. Der Sportler Imrich Lichtenfeld hat es in den 1930er Jahren in Bratislava entwickelt, um sich zu verteidigen. In den 1940er Jahren wanderte er nach Israel aus. Krav Maga ist kein Wettkampfsport. Laut der Internationalen Krav Maga Federation (IKMF) Deutschland sind die Bewegungsabläufe leicht zu lernen, da die Zahl der Techniken niedrig gehalten wird. (thb)