Beten mit den Füßen

Was ist eigentlich pilgern? Was ist das Besondere? Will man Gott begegnen oder einfach nur die eigenen Grenzen kennenlernen? Muss man auf den spanischen Jakobsweg oder kann man nicht einfach von der Haustür aus losgehen?

Anlass zu pilgern, kann der Wunsch nach Neu-Orientierung im Leben sein. Eine Lebenskrise. Ein Verlust. Eine Phase des Umbruchs. Den Weg (wieder) zu sich selbst finden. Außerdem wird in der Pilgerliteratur oft vom Beten mit den Füßen gesprochen.

Hildegard Becker-Janson ist Ehrenpräsidentin der St. Jakobus-Gesellschaft Rheinland-Pfalz-Saarland. Sie hat beobachtet, dass sich der Beweggrund zum Pilgern in den vergangenen Jahren zwar nicht völlig geändert hat, allerdings sind neue Aspekte dazugekommen: „Heute spielt nicht nur der christliche Glaube eine entscheidende Rolle beim Pilgern, sondern auch sportliche Herausforderungen. Oder nach einer Sinnkrise, nach beruflichen, privaten und gesundheitlichen Krisen kulturelle, historische Orte kennenzulernen. Es können auch spirituelle Gründe sein oder die Suche nach einem Ort des Reflektierens, des Abschaltens. Manchmal wollen auch soziale Kontakte gefunden werden.“

Immer mehr Pilgerwege wurden nicht nur in Spanien, sondern vor allem in vielen anderen europäischen Ländern reaktiviert, erzählt sie weiter. „Obwohl Spanien immer noch die Nummer Eins der Jakobswege ist, hat sich gerade in der Schweiz, Österreich oder vor allem auch in Deutschland die Wiederbelebung dieser Pilgerwege in der Coronazeit und danach als positives Zeichen gezeigt. Sie rücken immer mehr in den Fokus der Pilgernden.“

Für Becker-Janson heißt pilgern auch heute noch, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. „Zu erkennen, wie wenig es braucht, um wirklich glücklich zu sein: Innere Ruhe, Ausgleich, Inspiration zu finden, körperliche Grenzen zu erfahren, Natur zu erleben, in all ihren Facetten zu genießen und ein Miteinander – gerade in wertvollen Begegnungen und Gesprächen mit Menschen – zu erkennen.“