Im Kloster Esterwegen kann man Karfreitag und Ostern entdecken
Im Kreuz ist Hoffnung
Fotos: Ute Müller
Das Kreuz ist nur eins der sprechenden Kunstwerke im Kloster Esterwegen. Seit 2007 gibt es den Konvent der Mauritzer Franziskanerinnen, für den das Bistum Osnabrück ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Bundeswehr umgebaut hat - direkt neben der Gedenkstätte für die 15 Emslandlager. Tausende von Menschen haben die Nazis zwischen 1933 und 1945 hier gefangen gehalten. Haben sie gedemütigt, drangsaliert, durch harte Arbeit im Moor, durch Hunger, Kälte und rohe Gewalt getötet. Die Ausstellung will daran erinnern und zugleich mahnen, diesen Teil deutscher Geschichte niemals zu vergessen.
Und angefüllt mit dem, was die Gäste in der Gedenkstätte gesehen und gefühlt haben, kommen viele danach auch in das Kloster. Drei Ordensfrauen leben hier zusammen. Jeden Tag öffnen Schwester Annegret Budde, Schwester Birgitte Herrmann und Schwester Agnelda Schulenkorf ihre Türen von 10 bis 18 Uhr. Sie sind da, wenn jemand reden oder einfach schweigen möchte. Zeigen das Kloster und seine Räume, halten Erfahrungen mit aus und bieten Beistand an. „Absichtslose Präsenz“ nennt Schwester Annegret diesen Auftrag, weil sich die Franziskanerinnen nicht aufdrängen, nicht missionieren wollen. „Ich fange nie an, von Gott zu sprechen. Entweder machen das die Gäste oder eben gar nicht“, sagt Schwester Birgitte. Und auch ein Gebet spricht sie nur, wenn es sich in der Situation ergibt oder sich die Besucher das wünschen.
"Die Wunde drückt die Hoffnung nach Heilung aus"
Bei den Kunstwerken ergibt sich das nicht selten von selbst. Wie bei dem Kreuz von Klaus Simon, in dessen Querbalken Schwester Birgitte fast einen Passionsweg erkennt. Der Einschlag, das ist für sie der Karfreitag und nach rechts hin wird das Holz wieder heller. „Diese Wunde drückt die Hoffnung nach Heilung aus, wie im Osterevangelium“, sagt sie und erzählt, dass manche Gäste darin Parallelen zum eigenen Leben entdecken. „Es bringt Leute dazu, über ihre Verletzungen zu sprechen.“
Dabei wollen das Kreuz, die Glaswand von Günter Grohs und weitere Holzskulpturen im Kloster das Leid nicht einfach nur vertrösten. Das wäre nach Ansicht der Mauritzer Schwestern falsch. Ganz massiv kommt daher auch die Torf-Lore auf einem Drehkreuz im „Raum der Sprachlosigkeit“ daher. Mit solchen Loren mussten die Häftlinge den im Moor gestochenen Brennstoff transportieren. Klaus Simon hat das Objekt aus toten Bäumen des Odenwalds herausgehauen: geknickt, zerbrochen, gestorben wie viele Gefangene in den Emslandlagern. Hier verstummt man im halbtransparenten Licht der Metallmaschen-Wände vielleicht zunächst. Aber wenn Licht auf eine Seite der Lore fällt, dann wirken die Jahresringe im Holz wie eine aufscheinende Sonne. Erna de Vries, eine Überlebende des Holocaust, hat genau das bei ihren Besuchen in Esterwegen darin erkannt: die Sonne, die sie in Auschwitz so sehr vermisst hat. „Kein Raum hier ist hoffnungslos. Es ist schlimm, aber der letzte Punkt ist noch offen“, meint Schwester Birgitte. „Wie am Karfreitag und Ostern, wie im Leben.“
Anfangs kamen öfter Zeitzeugen hierher: ehemalige Gefangene der Lager, die erst nach Jahrzehnten über ihr Leid berichten konnten. „Aber die meisten sind mittlerweile verstorben“, berichtet Schwester Annegret. Jetzt stehen hin und wieder noch deren Kinder und Enkel vor der Tür, die darüber reden möchten, was ihre Väter, Großväter oder andere Familienangehörige durchlitten haben. Mehr aber reisen heute Schulklassen, Firmlinge, Konfirmanden und andere Gruppen an, die dabei auch von Seelsorger Michael Strodt mit betreut werden. Schwester Annegret erzählt auch von Motorradclubs, Betriebsausflügen oder Polizeibeamten, die den Weg nach Esterwegen finden.
Genau wie viele Einzelpersonen, die nach dem Besuch in der Gedenkstätte dann im Kloster Zeit zur Reflexion möchten. Mal still und sehr nachdenklich, mal nach dem Spaziergang über die ehemalige Lagerstraße fast aufgebracht darüber, dass heute rechtsextremistische Strömungen so erschreckend stark wieder zunehmen. Die Sorge darum kann Schwester Birgitte nur zu gut nachvollziehen. „Die gleichen Worte wie damals, die gleichen Sprüche - wie kann man in Deutschland nur so reden?“
Wer möchte, kann seine Gedanken dazu in ein Fürbittbuch schreiben und eine Kerze entzünden. Dafür gibt es eine Art Installation in einem weiteren Raum. Schwere Betonpfeiler stehen mitten im Torf, darüber in die Wand geschrieben das „Lied der Moorsoldaten“, das 1933 in einem anderen Emsland-Lager entstand und später international bekannt wurde. Bis heute berühren diese Zeilen über das Leid der Gefangenen jeden Zuhörer – weil sie von der Angst und dem Leid erzählen, aber auch von der Sehnsucht und der Hoffnung. Wie bei dem Gedicht, das der Lyriker und Ordensmann Andreas Knapp für Esterwegen geschrieben hat. „Wir sind wie Sterbende, sie schicken uns ins Moor“, heißt es darin. Und am Ende. „und siehe: wir leben.“
Wenn Sie mehr über die "Emslandlager" erfahren möchten, lesen Sie unseren Artikel "Wie tief können Menschen sinken?".