Ökumenischer Radiogottesdienst am 1. Mai aus Bremen

"In bestimmten Grundwerten sind wir uns einig"

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Radiomikrophon
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Radio Bremen überträgt am Tag der Arbeit einen ökumenischen Gottesdienst aus Bremen, an dem sich traditionell der Deutsche Gewerkschaftsbund beteiligt.

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Foto: Will Francis/Unsplash.com

Ernesto Harder, seit 2021 Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Bremen, hält im ökumenischen Radiogottesdienst am Tag der Arbeit die Kanzelrede. Sein Thema: „Mach dich stark“.

Herr Harder, wofür brauchen wir in unserer Gesellschaft Kraft und Stärke?

Ob Pandemie, Energiekrise, hohe Lebenshaltungskosten oder Inflation: Wir sind seit einigen Jahren ganz vielen Veränderungen ausgesetzt, die uns verunsichern und auch einschüchtern, weil sie uns das Gefühl geben: Wie soll ich das alleine schaffen? Ähnlich ist es in der Arbeitswelt, die sich in einem atemberaubenden Tempo wandelt und uns als Einzelpersonen oft überfordert. Gewerkschaften und Kirchen haben einen gemeinsamen Grundsatz, um mitzugestalten und den Herausforderungen etwas entgegenzusetzen.

Welchen?

Er lautet: Mach dich stark mit uns. Das ist ein Angebot und auch ein Hoffnungsschimmer: Du bist nicht alleine. Natürlich gehen wir unterschiedlich vor, aber wir wollen das Gleiche. Die Gewerkschaften nennen es Solidarität, die Kirchen nennen es Nächstenliebe. Kirchliche Verbände wie die Caritas gehen mit sozialen Ansätzen in die praktische Problemlösung. Das tun wir als Gewerkschaft auch, spezialisiert auf das Thema Arbeitswelt. Und wir verbinden es mit demokratischen Grundwerten.

DGB-Chef Bremen
Ernesto Harder, DGB-Geschäftsführer in Bremen. Foto: DGB Bremen

Wie die Kirchen auch ...

Genau. Die Kirchen haben gerade in den vergangenen Monaten mit ihren klaren Positionen zur Politik deutlich gemacht, wie wichtig das demokratische System für uns alle ist: für die Religionsfreiheit genauso wie für uns als Gewerkschaft. Denn nur in einer Demokratie können wir frei agieren und uns für verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen einsetzen.

Ist es immer so harmonisch zwischen Kirchen und Gewerkschaften?

Manchmal liegen wir über Kreuz, weil wir auch Beschäftigte vertreten, die bei den Kirchen angestellt sind. Aber das spaltet uns nicht in der Sache. In bestimmten Grundwerten sind wir uns einig.

Der ökumenische Gottesdienst am Tag der Arbeit in Bremen gemeinsam mit dem DGB: Ist er etwas Besonderes?

Ja, ein Gottesdienst, der in gewisser Weise auch eine politische Veranstaltung ist, in dem Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben Statements abgeben. Es sind zum Beispiel schon verfolgte Gewerkschafter zu Wort gekommen, die aus Belarus fliehen mussten, oder Betriebs- und Personalräte, die massiv benachteiligt wurden. In diesem Jahr spricht unter anderem ein Vertrauensmann vom Bremer Stahlwerk, wo es gerade starke Veränderungsprozesse gibt. Wir gehen mit unseren Forderungen als Gewerkschaft in den Radiogottesdienst, und die Kirchen geben uns die Möglichkeit, diese Plattform zu nutzen. Für uns eine tolle, einmalige Geschichte.

Unser Lieben Frauen Bremen
Kirche Unser Lieben Frauen. Foto: Wikipedia

Die Herausforderungen in der Arbeitswelt sind riesig. Wie ist die Situation in Bremen?

Der Zwei-Städte-Staat Bremen-Bremerhaven ist ein großer Industrie- und Dienstleistungsstandort. Jede Bewegung, die es in der deutschen Wirtschaft gibt, spüren wir auch hier: Transformation, Digitalisierung oder Energiewende – weg vom Verbrennungsmotor, hin zu erneuerbarer Energie. Hinzu kommt die geopolitische Krise, etwa durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder die irrsinnige Zollpolitik der Vereinigten Staaten. Bremerhaven hat einen der größten Autoterminals weltweit, auch in die USA wird exportiert. Was passiert, wenn Zölle aufgestellt und vorerst wieder zurückgenommen werden? Diese ganze Verunsicherung kriegen unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben voll auf die Knochen. In solchen Zeiten stellt niemand neue Leute ein, wer befristet beschäftigt ist, muss Angst haben, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Das bedeutet immer Sorge.

Anja Sabel

Ernesto Harder (47), Vorsitzender des DGB Bremen, arbeitete zuvor als politischer Sekretär der IG Metall in Bremen. Der Politikwissenschaftler und Historiker ist katholisch, er hat spanische Wurzeln, ist in Ostfriesland geboren und in Bonn aufgewachsen.

Den ökumenischen Gottesdienst wird gestaltet von Katharina Blüthner, Vikarin in Unser Lieben Frauen, und Propst Bernhard Stecker vom Katholischen Gemeindeverband Bremen. Radio Bremen überträgt den Gottesdienst am 1. Mai ab 10 Uhr auf Radio Bremen Zwei (UKW Bremen: 88,3 MHz, UKW Bremerhaven: 95,4 MHz). Er ist eine Kooperation der Bremischen Evangelischen Kirche, des Katholischen Gemeindeverbandes Bremen, des DGB Region Bremen-Elbe-Weser, des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung.

Im vergangenen Jahr predigte Pfarrer Peter Kossen im Radiogottesdienst. Der Geistliche solidarisiert sich seit vielen Jahren mit Arbeitsmigranten aus Osteuropa und fordert die Kirchen auf, aktiv Widerstand zu leisten gegen die Ausbeutung dieser Menschen.