Lokaler Weltjugendtag für Jugendliche in Israel

Katholische Jugend im Heiligen Land feiert Einheit und Vielfalt

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Podiumsgespräch mit Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, am 13. Juli 2023 bei einem christlichen Jugendfest in Deir Rafat (Israel).
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Foto: kna/Andrea Krogmann

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Podiumsgespräch mit Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, beim christlichen Jugendfest in Deir Rafat (Israel).

Manchmal scheinen Grenzen unüberwindbar. Im Heiligen Land kommen zu nationalen Grenzen nicht selten politische und religiöse Konflikte. Das entfremdet die Menschen voneinander. Aber es gibt Gegenmittel.

Deir Rafat (KNA) Stell dir vor, es ist Weltjugendtag in Lissabon, und du darfst nicht hin. Genau das ist die Realität manch junger Katholiken im Heiligen Land. Als Kinder von Arbeitsmigranten fehlen ihnen Papiere und Aufenthaltsstatus, die die Tore der Welt für sie öffnen könnten. Ein Jugendfest, organisiert vom Sankt-James-Vikariat des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, brachte stattdessen Weltjugendtagsfeeling ins Heilige Land. Und auch sonst begegneten sich am Donnerstag am Marienheiligtum Deir Rafat Welten: Erstmals kamen arabisch- und hebräischsprachige Jugendliche verschiedener katholischer Kirchen zusammen.

„Es ist ungewöhnlich, hebräischsprachige Katholiken zu treffen. Wir würden sie sonst nicht von Juden unterscheiden“, sagt Christian. Der 24-jährige arabischsprachige Christ aus dem nordisraelischen Jisch will mit seiner Jugendgruppe die Gelegenheit nutzen, „voneinander zu lernen und zu teilen“. So viele Menschen von verschiedenen Orten zu sehen, mache sie glücklich, ergänzt Ella (14) aus Jerusalem. Die Tochter philippinischer Gastarbeiter gehört zu denen, für die Lissabon unerreichbar ist, das Jugendfest vor Ort sieht sie deshalb als eine Chance, neue Freunde zu gewinnen.

Ein bisschen wie auf dem Weltjugendtag

„Gute Gespräche, ein schöner Gottesdienst und neue Eindrücke“ sind die Motivation von Anna (20). Die Osnabrückerin steht kurz vor Abschluss ihres Freiwilligenjahres bei den Benediktinern in Tabgha. Im Laufe des Jahres sei ihr bewusst geworden, „wie privilegiert wir in Deutschland sind: Ich kann vor die Tür gehen und es ist Frieden, kann Deutschland meine Heimat nennen und muss nicht fürchten, dass was passiert“. Und trotzdem wirkten die Menschen hier glücklich, das sei „schön zu sehen“. Mit Anna und anderen jungen Volontären aus der Schweiz, Frankreich, Österreich und Portugal erhält ein Stück katholisches Ausland Einzug in das Fest der Heiliglandjugend, ein bisschen wie auf dem Weltjugendtag.

Über den eigenen Tellerrand schauen und dabei das Schubladendenken und die eigene Komfortzone verlassen. Stolz die eigene Identität bewahren und die Andersartigkeit des anderen annehmen, „in Liebe, nicht in Hass“: Diese Mission trägt Patriarch Pierbattista Pizzaballa den rund 130 Jugendlichen in seiner Predigt auf. Trotz vollen Terminkalenders und bevorstehender Auslandsreise nimmt sich der italienische Franziskaner Zeit für die Jugend, feiert mit ihnen Gottesdienst, steht Rede und Antwort.

Christsein in gemischtreligiösem Umfeld

Nach Antworten suchen auch die Jugendlichen selbst, nicht nur bei ihrem Kirchenoberhaupt. In gemischten Kleingruppen diskutieren sie Fragen der christlichen Identität und der kirchlichen Anbindung in einem Land, in dem Christen eine kleine Minderheit sind. Jeden Tag und „vermutlich bis ans Lebensende“ sei er mit seiner christlichen Identität konfrontiert, sagt etwa Nadav aus Ramat Gan. Der jüdischstämmige Soldat ist der einzige Konvertit in der Gruppe, und in seinem Umfeld „immer der einzige Christ“.

Eine Herausforderung sei das Christsein auch im muslimisch-drusischen Milieu, sagt Maia aus dem gemischtreligiös-arabischen Ort Schefar'am, „wenn ich arabisch spreche, aber nicht Muslimin oder Drusin bin“. In ihrem Dorf Mi'ilja seien alle Christen, so Carla, „aber in der Kirche trifft man nur auf die Alten“. Gerade darin aber liege doch ihre Mission, erwidert Elena aus Tiberias, „Christen zu sein und wieder in die Kirche zurückzukehren“.

„Was ihr hier macht, ist gesegnet“, ruft Pizzaballa den jungen Menschen zu. Sich zu treffen in einem Land und einer Kirche, die von Spaltungen und Angst vor dem anderen geprägt seien, „das kann nur die Jugend!“. Keine Gemeinde ohne Jugendgruppe, fordert der Patriarch, denn die Jugend sei nicht nur Zukunft der Kirche, sondern auch ihre Gegenwart in einer sich rasant verändernden Welt. „Ihr müsst uns dabei helfen, diese Veränderungen zu verstehen – und eure Fragen zu verstehen, denn ich spreche nicht immer die Sprache der Jugend.“ Die Jugendlichen reagieren mit spontanem Applaus. Ganz offenbar hat er den Ton getroffen.

Andrea Krogmann