Wie in der Wohnungslosenhilfe Weihnachten gefeiert wird

Keine Rede von Besinnlichkeit

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An einem Tisch sitzen mehrere Menschen zusammen und trinken Kaffee. Eine Frau läuft durch das Bild mit einem Teller Essen in der Hand.
Nachweis

Foto: SKM/ Angela von Brill

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Ein Blick in die Tageswohnung: Hier gibt es etwas zu essen und Gesellschaft. Foto: SKM/ Angela von Brill

Thomas Kater ist Fachdienstleiter der Tageswohnung für wohnungslose Menschen in Osnabrück. Im Interview erzählt er, wie sie dort Weihnachten feiern. Allerdings ist die Stimmung eher trüb.

Wie gestalten Sie die Vorweihnachtszeit in der Tageswohnung?


Der Weihnachtsbaum ist schon aufgestellt. Aber wir dürfen uns da nichts vormachen, die Advents- oder Vorweihnachtszeit ist für die Menschen, die auf der Straße sind oder in prekären Wohnsituationen leben, von der Stimmung her die schlechteste. Das ist auch bei uns in der Tageswohnung deutlich spürbar.


Wie erklären Sie sich diese Stimmung?


Viele denken an die Zeit, in der sie Weihnachten noch gemeinsam mit ihren Familien verbracht haben. Das ist mit traurigen Erinnerungen verbunden, die sie eher verdrängen wollen. Viele sind froh, wenn es vorbei ist. 


Wie äußert sich das?


Das zeigt sich vor allem durch eine erhöhte Reizbarkeit und einen vermehrten Alkoholkonsum. Wir versuchen, dagegenzusteuern, indem wir für eine etwas ruhigere Stimmung sorgen. Von Besinnlichkeit kann aber nicht die Rede sein.


Was hat es mit dem erhöhten Alkoholkonsum auf sich?


Ich will damit nicht sagen, dass alle ein Alkoholproblem haben. Aber es wäre nicht ehrlich, wenn man das Thema Alkohol und Drogen unter wohnungslosen Menschen totschweigen würde. Ich sage immer relativ provokativ: Ich habe Verständnis für die Leute, die wohnungslos sind und trinken. Wenn ich morgens nicht wüsste, wo ich nachts schlafen werde, dann würde ich den Alkohol auch nutzen, um mir das alles etwas erträglicher zu machen. Es ist ja auch immer die Frage nach Henne und Ei: Wohnungsverlust durch Alkohol oder Wohnungsverlust und dann die Alkoholabhängigkeit. 

Portraitbild eines Mannes mit grauen Haaren und einer dunklen Brille
Thomas Kater arbeitet seit 29 Jahren in der Wohnungslosenhilfe. Foto: SKM/ Angela von Brill


Was tun Sie, wenn jemand alkoholisiert in die Tageswohnung kommt?


Auch wenn jemand alkoholisiert kommt, darf er trotzdem rein. Aber es ist eine Gemeinschaftseinrichtung, also muss er sich gemeinschaftskonform verhalten. Er darf nicht rumpöbeln oder die Leute belästigen. Dann ist alles in Ordnung. Wenn er sich nicht gemeinschaftskonform verhält, dann muss ich ihn darum bitten, das zu unterlassen. Wenn er auf Verwarnungen nicht reagiert, habe ich die Möglichkeit, ihn des Hauses zu verweisen. Wir sind ein gewalt- und drogenfreier Rückzugsort. Zum Schutze der anderen müssen wir diese Regeln durchsetzen. 

 


Wie wird in der Tageswohnung Weihnachten gefeiert?


Am 22. Dezember gibt es unsere Weihnachtsfeier mit großem Essen. Traditionell mit Rouladen, Klößen und Rotkohl – unser Standardweihnachtsessen. Dann singt der abseits-Chor und im Anschluss werden Präsenttüten verteilt. Die sind wie jedes Jahr mit Lebensmitteln, Tabak und Gutscheinen gefüllt. Mit dieser Feier können wir die Stimmung ein bisschen aufhellen und einen Hauch von Weihnachten vermitteln. Aber wie schon gesagt, die Stimmung ist relativ trüb.


Wer nimmt an dieser Feier teil?


Bei der Weihnachtsfeier sind in der Regel so um die 120 Frauen und Männer dabei. Darunter sind aktuelle Wohnungslose, ehemalige Wohnungslose und Menschen aus der Armutsbevölkerung. 


Hat die Tageswohnung an den Weihnachtstagen geöffnet?


Die Tageswohnung hat an Heiligabend sowie am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag komplett geöffnet. Das ist tatsächlich keine Schwierigkeit. Wir haben einige Ehrenamtliche, die solche Dienste an Feiertagen gerne übernehmen. Das gilt übrigens auch für die Wochenenddienste, die wir in der kalten Jahreszeit zusätzlich anbieten. Besonders stolz bin ich auf ein paar unserer ehemaligen Wohnungslosen, die sich mittlerweile ehrenamtlich bei uns engagieren. Sie kennen die Situationen der Menschen und fühlen sich mitverantwortlich, dass solche Einrichtungen wie die Tageswohnung auch am Wochenende und an Feiertagen geöffnet haben.

 

Zur Sache

Tageswohnung für Wohnungslose
Die Tageswohnung des Katholischen Vereins für soziale Dienste (SKM) in Osnabrück (Bramscher Straße 11) ist eine Anlaufstelle für Wohnungslose, Obdachlose und Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen. Es gibt dort Frühstück und Mittagessen für einen günstigen Preis, Duschmöglichkeiten, eine Kleiderkammer und Freizeitangebote. Die Sozialarbeiter vor Ort helfen in Krisensituationen, klären den Hilfebedarf und vermitteln an geeignete Fachstellen. Im Durchschnitt besuchen täglich 50 bis 60 Personen diese Einrichtung.

Mehr Informationen: www.skm-osnabrueck.de
 

Jasmin Lobert