Brauchtum im Bistum: Bittprozessionen

Kreuztragen in der Abendsonne

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Männer tragen das Kreuz von Lage.
Nachweis

Foto: Andrea Kolhoff

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Männer tragen das "Ersatzkreuz", das mit 110 Kilogramm etwas leichter ist als das historische Kreuz zu Lage, das 135 Kilo wiegt.

Um Bereitschaft zu Frieden und Versöhnung, aber auch um genügend Regen und Sonne wird in den Bittprozessionen gebetet, die oft im Mai stattfinden und an einigen Orten durch die Felder führen – zum Beispiel im nördlichen Osnabrücker Land oder im Emsland.

Der Wind wird frischer, aber die Abendsonne scheint noch, als um 19 Uhr die Bittprozession beginnt. Kräftige Männer holen das Kreuz zu Lage, das während der Prozession durch die Felder getragen wird, einer ist dabei, der gleich die Kolpingfahne trägt. Auch mehrere Mitglieder der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) sind gekommen. Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Die Männer mit dem Kreuz gehen voran, es folgen die jungen Messdienerinnen und Messdiener sowie Pater Bernhardin Seither und Markus Hörnschemeyer, der mit Pater Bernhardin im Wechsel vorbetet. Die beiden sprechen in ein Mikrofon, so dass auch diejenigen, die am Ende der Prozession laufen, alles gut verstehen können. Der Mikrofonton wird durch einen mobilen Lautsprecher, den Küster Bernhard Kreuzmann trägt, verstärkt. 

Direkt nach Verlassen des Klostergeländes an der Wallfahrtskirche zu Lage geht es links ab in Richtung Kreuzberg. Auf der asphaltierten Nebenstraße wandern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu dem Ort, an dem der Legende nach zwei Ritter der Kommende Lage die Vision vom Kreuz hatten. Die Gläubigen ziehen vorbei an größeren Höfen und kleineren Bauernhäusern, an Silos und Hecken aus blühendem Flieder, außerdem an Höfen, auf denen heute keine Landwirtschaft mehr betrieben wird, sondern die Gebäude vermietet wurden. Deren Bewohner treten aus den Häusern und betrachten interessiert die Prozession, die an ihnen vorbeikommt: die Männer mit dem Kreuz vorneweg, das im Wechsel immer wieder von verschiedenen Teilnehmern auf die Schulter genommen wird, danach die anderen Gläubigen, die mit flottem Schritt folgen und dabei singen und beten. Viele haben ein Gotteslob dabei, doch die meisten brauchen es gar nicht. „Vaterunser“ und „Gegrüßet seist du, Maria“ können sie auswendig, und auch viele der Liedtexte sind bekannt.

Neu und frisch wirken die Texte, die zwischendurch gebetet werden, die Bitten um Frieden und Gerechtigkeit, darum, dass wir selbst in unserem Umfeld Frieden stiften lernen, und auch dafür, dass die Sonne scheint und genügend Regen fällt, damit wir eine gute Ernte haben. Die Texte hat Pater Bernhardin, der in Rieste Wallfahrtsdirektor ist, zusammengestellt, einige Texte auch selbst geschrieben. 

Die Prozessionsstrecke beträgt etwa 4,5 Kilometer. Die Gläubigen sind 75 Minuten unterwegs. Am sogenannten Kreuzberg wird der erste Halt gemacht, das Kreuz so aufgestellt, dass alle es sehen können, während Pater Bernhardin mit Weihrauch und Weihwasser Kreuz und Prozessionsteilnehmer segnet. Dann geht es weiter durch Feld und Flur, während der Rosenkranz gebetet wird. In der Ferne ist der Turm der Kirche St. Johannis zu erkennen. 

Bittprozession auch in der heutigen Zeit nicht überflüssig

An einem Wegekreuz wird erneut gehalten, dann geht es zurück zur Kirche, die letzten Hunderte Meter auf einem Feldweg. Auf dem Klostergelände angekommen, tragen die Männer das Kreuz in die Kirche zurück, hier endet die Prozession mit dem Segen, der mit einem als Reliquie gefassten Kreuzpartikel erteilt wird. Und dann lädt Pater Bernhardin noch zu einem Umtrunk im Klosterhof ein, bei Bier, Schorle und Wasser können alle noch ein bisschen zusammenstehen. 

Mit einem geselligen Beisammensein endete auch die Bittprozession, die am Tag vor Christi Himmelfahrt von der Kirche St. Nikolaus im emsländischen Groß Hesepe zur Klein Heseper Kapelle führte. Die Gläubigen konnten eine schöne Strecke großteils an der Ems entlang von Groß Hesepe zur Kapelle gehen, wo es zum Schluss den Wettersegen gab. Und das Zusammensein bei Würstchen und Toast. „Das ist einfach schön, das fördert die Gemeinschaft“, sagt Annegret Marien, Gemeindereferentin in Geeste, Groß Hesepe, Klein Hesepe und Osterbrock.

Am Tag zuvor fand in der Pfarreiengemeinschaft Geeste schon die Prozession für die Ortschaften Geeste und Osterbrock statt, diese startete am Hof Holtkötter, einem Obst- und Gemüsebetrieb,  und führte teilweise durch einen Wald. Die Texte mit den Bitten um Frieden und um eine gute Ernte hatte Pfarrer Jürgen Altmeppen zusammengestellt. 

Eine Bittprozession ist auch in der heutigen Zeit der maschinellen Landwirtschaft keineswegs überflüssig, denn am Wetter können die Menschen nicht drehen. Dass die Bitte um das richtige Wetter keineswegs antiquiert ist, hat der Sommer des vergangenen Jahres gezeigt. Es war viel zu trocken und zu heiß, was zu schlimmen Tiefständen beim Grundwasser und zur Gefahr von Waldbränden führte. Eigentlich könnten auch die Klimaaktivisten sich an einer Bittprozession beteiligen, meint Annegret Marien.

Der Wettersegen wird in regional unterschiedlichen Zeiträumen erteilt. Meistens kann er ab dem Markustag (25. April) gespendet werden, mancherorts ab dem Gedenktag des heiligen Georg (23. April). Der Text des Wettersegens lautet: „Gott, der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern. Er segne die Felder, die Gärten und den Wald und schenke euch die Früchte der Erde. Er begleite eure Arbeit, damit ihr in Dankbarkeit und Freude gebrauchet, was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist.“

Andrea Kolhoff