Schulpastoral im Bistum Osnabrück

In Krisenfällen besonders gefragt

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lachende Kinder
Nachweis

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Schulpastoral sorgt dafür, dass es an den Schulen nicht nur um Unterricht und Leistungsdruck geht. Foto: Fotolia/Christian Schwier

Schulseelsorgerinnen und -seelsorger beraten und begleiten, vermitteln bei Konflikten, sie gestalten Gottesdienste und Besinnungstage, stehen in schwierigen Situationen bei, öffnen Räume und Zeiten für Stille und Gebet. Wie wichtig ist dieses Angebot an katholischen und öffentlichen Schulen auch in Zukunft? Fragen beantwortet Elisabeth Lis (35). Die Pastoralreferentin und Sozialpädagogin ist Referentin für Schulpastoral im Bistum Osnabrück.

Frau Lis, vor welchen Herausforderungen steht die Schulpastoral in Zeiten, in denen die Kirche an Ansehen und Akzeptanz verliert?

Wir können tatsächlich froh sein, wenn sich die Schülerinnen und Schüler überhaupt noch etwas unter Seelsorge vorstellen können – besonders an öffentlichen Schulen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass sie da ist, deshalb sind Demut und Dankbarkeit angesagt. Wenn die Kirchen – was absehbar ist – noch weiter an Relevanz verlieren, kommt es darauf an, dass sich Schulpastoral relevant macht und akzeptiert wird. Das kann sie erreichen, wenn sie unterstützend wirkt und hilfreich ist, sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für die oft belasteten Lehrkräfte. Wichtig: Es muss ein freiwilliges Angebot sein, das auch die Frage nach Gott wachhält – außerunterrichtlich und ohne Notengebung.

Wie unterscheidet sich Schulpastoral an katholischen und öffentlichen Schulen?

Man könnte sagen: Für die einen ist Schulpastoral selbstverständlich, für die anderen nicht. Aber so einfach ist es nicht. Es gibt im Bistumsgebiet öffentliche Schulen, die seitens ihrer Schulleitung und ihres Kollegiums sehr offen sind für schulpastorale Praxis. Und es gibt katholische Schulen, die noch „Hausaufgaben“ zu erledigen haben. Zum Beispiel Schulen, deren lange Ordenstradition leider enden musste. Die müssen für sich erst mal klären, wie sie den Alltag als kirchliche Schule künftig gestalten wollen. Da geht es nicht nur darum, Ersatz für den Priester zu finden, der wöchentlich die Messe an der Schule gemacht hat, sondern nachzudenken: Was macht uns eigentlich als katholische Schule aus? Wie wollen wir Schulpastoral erleben?

Wie steht es denn um die Aus- und Weiterbildung von Schulseelsorgern im Bistum?

Wir haben schon drei Mal das Schulpastorale Projekt an weiterführenden, öffentlichen Schulen gestartet. Zum Konzept gehört es, Tandems zu bilden, bestehend aus einer pastoralen Mitarbeiterin oder einem pastoralen Mitarbeiter und einer Religionslehrkraft. Diese Tandems besuchen verpflichtend einen Qualifizierungskurs und machen gleichzeitig schulpastorale Angebote vor Ort. Zum Beispiel Morgenimpulse im Advent, Segnungen vor Prüfungen, Wallfahrten, Gesprächsangebote in Krisenfällen und Tage persönlicher Orientierung. Das Projekt schließt mit einem Zertifikat ab.  
Auf meinem Schreibtisch liegt gerade ein dickes Arbeitspaket: Wie geht es weiter mit der Ausbildung von Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorgern? Wie geht Schulpastoral an öffentlichen Schulen und wie kann sie an katholischen Schulen weiterentwickelt werden? Das ist alles komplexer geworden. Wir bieten beispielsweise auch Fortbildungen an in Haus Ohrbeck bei Osnabrück und im Lingener Ludwig-Windthorst-Haus. Zurzeit ist Schulpastoral in Krisenfällen – bei Tod und Trauer, wenn eine Schülerin oder ein Lehrer stirbt – sehr gefragt. Die Kurse für ein Kriseninterventionskonzept an der eigenen Schule sind für 2024 ganz ohne Werbung ausgebucht.

Elisabeth Lis
Elisabeth Lis ist Referentin für Schulpastoral im Bistum Osnabrück. Foto: privat

Warum ist Schulpastoral auch in Zukunft wichtig?

Bleiben wir bei Krisen und Todesfällen – auch das Thema Suizid spielt eine Rolle: Da sind die Lehrkräfte und die Schulleitungen oft sehr gefordert. Die Schulpastoral kann in solchen Situationen ganz praktisch, aber natürlich auch gut ausgebildet wertvolle Arbeit leisten und unterstützen. 
Es ist wichtig, dass Schulpastoral an allen Schulformen stattfindet, weil sie zur Humanisierung der Schulen beiträgt. Sie sorgt dafür, dass es nicht nur um Leistung und Unterricht geht. Sie ist in Krisen da, hält aber auch diakonische Projekte bereit, die helfen, Fragen zu klären wie: Wo will ich hin in meinem Leben? Dabei darf unsere Zielgruppe nicht nur katholisch sein. Wir sind offen für alle und arbeiten grundsätzlich auch religionssensibel. Dort, wo die Beziehung zwischen allen Beteiligten stimmt, ist Schulpastoral zukunftsfähig.

Aber müsste dann Schulpastoral nicht noch präsenter sein, zum Beispiel mit mehr als zwei Wochenstunden?

Ich wäre sofort einverstanden. Sowohl personell als auch finanziell müsste mehr investiert werden, denn an den Schulen haben wir viele Zielgruppen, die wir auch in den anderen pastoralen Feldern haben: Kinder, Jugendliche, Eltern. Sie werden uns dort alle auf dem Silbertablett serviert, und wir wollen uns ja nicht nur in der eigenen katholischen Blase bewegen. Wir müssen nur rausgehen und sie ansprechen. Gleichzeitig ist es aber keine Einbahnstraße. Auch die Schulen selbst könnten aktiver werden in Sachen Kooperation. Die schulpastorale Landschaft ist unterbesetzt, es gibt Lehrermangel – wenn alles knapper wird, müssen wir uns einfach noch besser vernetzen.

An nicht wenigen Schulen ist der Religionslehrer gleichzeitig der Schulseelsorger. Ist diese Kombination sinnvoll?

Der Lehrer, der Noten vergibt und zugleich vertrauliche Gespräche führt – das kann tatsächlich schwierig sein. Deshalb ist es wichtig, sich über die verschiedenen Rollen klar zu werden und sie zu trennen. Das besprechen wir auch in der Ausbildung. Manchmal sind externe Seelsorgerinnen und Seelsorger sinnvoller. Der Nachteil ist wiederum, dass die Externen das Schulsystem nicht so gut kennen und mehr Zeit brauchen, um in ihre Rolle zu finden und Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern zu bekommen.

Klingt herausfordernd.

Das ist es tatsächlich. Ich empfehle oftmals eine gute Mischung, die zur jeweiligen Schule passt, zum Beispiel: „Unterrichte doch ein paar Stunden Religion und mach ein paar Stunden Schulseelsorge.“ Grundsätzlich freue ich mich über jeden Menschen, der Interesse an Schulpastoral hat.

 

Zur Sache

Schulseelsorge ist – einfach gesagt – ein evangelischer Begriff, und Schulpastoral ist katholisch besetzt. Man kann aber beides verwenden, weil sich die Aufgaben letztendlich ähneln.

Schulseelsorger kümmern sich um ein gutes Miteinander in der Schule. Sie arbeiten in Projekten wie Mobbingintervention, Streitschlichterprogrammen oder Café-Initiativen mit. Zur Schulseelsorge gehören auch Einzelgespräche. Das bleibt oft unsichtbar, weil inzwischen auch Laptop oder Handy längst Orte der Begegnung sind. Insgesamt geht es darum, Sorgen, Ängste und Nöte auf allen Ebenen wahrzunehmen. Grundsätzlich ist Schulseelsorge unabhängig von Religion und Weltanschauung – und offen für alle Menschen im Lebensraum Schule.

Schulpastoral arbeitet projektbezogen und sieht sich eher der Gestaltung von (inneren und schulischen) Räumen verpflichtet. Konzeptionell wird oft eine Art Tandem zwischen gemeindlichen und schulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebildet, so dass zumindest eine Seite weniger in den Unterricht eingebunden ist – was das Vertrauen stärkt. Auf katholischer Seite heißt es explizit: „Schulpastoral will allen am Schulleben Beteiligten Zugänge zur Botschaft des Evangeliums und zur Begegnung mit Jesus Christus eröffnen. Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorger sind Anwälte der spirituellen Dimension menschlichen Lebens in der Schule … Ihre Angebote eröffnen Räume, in denen Gelassenheit, Dankbarkeit und Achtsamkeit erfahren und eingeübt werden können, und sie schaffen Gelegenheiten, mit Gott in Dialog zu treten.“

Auch wenn der Zungenschlag hier anders klingt als bei der evangelischen Schulseelsorge, sind die Projekte, die aus dieser Arbeit entstehen, oft einander ähnlich: Lehrkräfte laden Schülerinnen und Schüler zum Pilgern ein, sie bauen Kanus, sie stoßen caritative oder diakonische Projekte an, sie feiern Schulgottesdienste, sie unterstützen Lehrkräfte. Auch Tage der Orientierung als Angebot für Schulen von kirchlicher Seite gibt es bei beiden Ansätzen.

Der größte Unterschied ist: Katholische Schulpastoral bietet ein Netzwerk an, das die Arbeit an Schulen unterstützt. Evangelische Schulseelsorge dagegen stärkt Religionslehrkräfte in ihrem Handeln in der Schule, hat aber nicht notwendigerweise ein Netzwerk zur Kirchengemeinde vor Ort vor Augen.

In der aktuellen Ausgabe des Kirchenboten erzählen vier Schulseelsorgerinnen an vier unterschiedlichen Schulen von ihrem Alltag. 

Anja Sabel