Kolpingjugend argumentiert gegen Stammtischparolen

„Man muss es nur oft genug machen"

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Hetze gegen Ausländer? Oder verächtliche Bemerkungen gegen Frauen? Mancher möchte da widersprechen, traut sich aber nicht. Oder es fehlen die Argumente. Solche Gespräche kann man üben. Das hat die Kolpingjugend jetzt vorgemacht. Und fühlt sich dadurch sicherer.


Kira Saß, Marie-Christin Schulte, Francesk Prenga und Jakob Albers (v.l.) simulieren ein Gespräch am Stammtisch. Alexander Oldiges hört zu. Foto: Westphal

Die Ausländer, die Frauen, die Katholiken: Personengruppen, gegen die mancher Vorurteile hat – und sie auch lautstark äußert. Wird man selbst so angesprochen oder hört eine dieser sogenannten Stammtischparolen, ist man für eine Antwort oft nicht schlagfertig genug – selbst wenn man anderer Meinung ist. Für diesen Fall haben die Teilnehmer der Diözesankonferenz der Kolpingjugend im Seminar „Argumentieren gegen Stammtischparolen“ geübt. Ein neues Flüchtlingsheim wird gebaut. „Es gibt zu viele Flüchtlinge hier!“, sagt Marie-Chris­tin. „Wie viele denn, bitte?“, entgegnet Lukas. „Ach, genug!“, sagt Francesk. Lukas fehlen die Worte. „Wir brechen das Gespräch ab!“, ruft Alexander Oldiges. Es war inszeniert. Oldiges leitet ein Seminar zum Thema „Argumentieren gegen Stammtischparolen“.

Im Übungsgespräch verbreiten Marie-Christins und Francesks Figuren die Parolen, Lukas muss dagegen argumentieren. Beide Seiten sind nicht einfach zu spielen, sagen später alle Zuhörer. Für Argumente gegen Stammtischparolen fehlen oft die Worte. „Man denkt: Das stimmt so nicht! Aber das kann man nicht überzeugend rüberbringen“, sagt Sven Vehren aus Andervenne. „Die Themen sind eigentlich komplex. Man läuft Gefahr, genauso zu vereinfachen“, sagt Henk Hemmesmann aus Glandorf.

„Es ist einfach, man muss es nur oft genug machen“, sagt Alexander Oldiges. Der Referent aus Münster bietet seit eineinhalb Jahren seine Seminare in Osnabrück an. Mehr Sicherheit in solchen Situationen will er vermitteln. Dafür ist es wichtig zu wissen, was überhaupt Stammtischparolen auszeichnet. Es sind Aussagen, die verallgemeinern und Vorurteile ausdrücken. Die Gegenseite wird abgewertet, die eigene Position dabei automatisch aufgewertet. Die Sprache ist oft laut und aggressiv.

Nicht belehren oder beleidigen

Stammtischparolen kommen überall vor: im Beruf, im Sportverein, in der Schule, der Familie und den Sozialen Medien. Opfer und Inhalt sind austauschbar. Es geht nicht nur um Ausländerfeindlichkeit. Oldiges nennt die Phrase „Frauen und Technik“ als Beispiel. „Und ich komme aus dem Emsland. Was bekomme ich zu hören?“, fragt er. „Ach, die saufen ja nur!“, sagt jemand. „Genau. Oder: Bist du mit dem Fahrrad hier?“, ergänzt Oldiges. Ist man katholisch oder sogar in einem kirchlichen Verband aktiv wie der Kolpingsfamilie, hört man solche Sätze ebenfalls. „Mir sagten Leute: ,Wenn du für die katholische Kirche arbeitest, will ich mit dir nichts zu tun haben‘“, sagt Veronika Münster aus Dörpen.

Die Teilnehmer sind sich einig, dass sie gerne etwas erwidern würden. „Man will da eine Ungerechtigkeit beseitigen“, so Oldiges. „Solche Aussagen schaden der demokratischen Idee“, sagt Ann-Kathrin Raufhake, die Kolping-Jugendreferentin. Aber die richtigen Antworten zu finden, ist nicht leicht, das hat sich im inszenierten Gespräch gezeigt. Der Ton wird selbst hier immer rauer. „Und dann werden so allgemeine Zahlen genannt, dass man gar nicht dagegen argumentieren kann“, sagt Veronika.

Alexander Oldiges nennt Aspekte, die in einer Antwort hilfreich sind. „Ich kann eine Konkretisierung fordern“, sagt er. „Oder die Person nach ihren Erfahrungen fragen: ,Kennst du einen Flüchtling? Erzähl doch mal!‘“ Man kann versuchen, der Situation mit Humor und Ironie zu begegnen. Vorwürfe und Ignoranz sollte man vermeiden. „Ganz wichtig ist, den anderen ernst zu nehmen. Man darf nicht belehren oder beleidigen“, sagt Oldiges. Allerdings sei Abwägen sinnvoll. „Es gibt Situationen, in denen es klüger ist, nichts zu sagen. Ihr werdet einen superrechten Nazi nicht an einem Nachmittag umstimmen können.“

Am Ende haben die Teilnehmer einen klareren Blick für die Thematik bekommen. „Es ist hilfreich, sich mit etwas Abstand darüber zu unterhalten“, resümiert Veronika. „Und ich habe gemerkt, dass man solchen Aussagen öfter begegnet, als es einem bewusst ist.“

Katharina Westphal


Vorstand gewählt

Während der Diözesankonferenz der Kolpingjugend gab es auch Wahlen zum Vorstand. Ausgeschieden ist Sven Vieren (Andervenne), neu dabei ist Ina Wulftange (Wallenhorst). Zum Vorstand gehören außerdem Jakob Albers, Dorothea Osterfeld (beide Wallenhorst) und Francesk Prenga (Lingen-Darme). Geistlicher Begleiter bleibt Thomas Steinkamp, Gemeindeferent in Bad Laer und Remsede.


Stammtischparolen

Während der Internationalen Wochen gegen Rassismus bietet Pax Christi eine Veranstaltung an, wie man auf Hassparolen reagieren kann. Beginn ist am Dienstag, 12. März, um 19.30 Uhr im Pries­terseminar Osnabrück, Große Domsfreiheit 5/6. Referent ist Achim Bröhenhorst vom Landespräventionsrat Niedersachsen Anmeldung: Telefon 05 41/2 17 75. www.os-hh.paxchristi.de