Schutzkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt

Mehr Licht und neue Schlösser

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Alle Pfarrgemeinden und katholischen Einrichtungen im Bistum Hildesheim müssen ein Schutzkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt erarbeiten. In Göttingen in der Gemeinde St. Paulus ist man schon einen Schritt weiter. In einem Aktionstag wurde das fertige Präventionskonzept vorgestellt.


Mit ihrem Schutzkonzept will die Pfarrgemeinde St.
Paulus sexualisierte Gewalt verhindern. | Foto: Broermann

„Es ist ein Thema, mit dem man sich nicht gerne beschäftigt“, räumt Pfarrer Hans Haase ein. Es sei aber nötig, um weitere Opfer zu verhindern. Kirche müsse als ein Schutzraum wahrgenommen werden. Er selbst sei skeptisch gewesen gegenüber den Präventionsschulungen, sie seien aber notwendig und gut, betont Haase.

In einem Arbeitskreis entwickelte er gemeinsam mit Vertretern aus allen Kirchorten ein Schutzkonzept für die Pfarrei. Neben Verhaltensvorgaben für alle ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter enthält es auch einen „Notfallplan“, der vorschreibt wie bei sexualisierter Gewalt „schnell und angemessen geholfen wird“.

Unterstützung erhielt der Arbeitskreis auch von Jutta Menkhaus-Vollmer, der Präventionsbeauftragten im Bistum Hildesheim.

„Wir haben mit einer Risikoanalyse angefangen“, berichtet Gemeindereferentin Bianca Nowak.

Bewegungsmelder und Notfallknöpfe

Alle Räume der Gemeinde wurden überprüft, ob sich darin insbesondere Kinder wohlfühlen können. Es gab einige Ecken, an denen es nicht genug Licht gab, nun helfen Bewegungsmelder, Treppen und Gänge auszuleuchten ohne im Dunkeln den Lichtschalter suchen zu müssen. Auf den Toiletten wurden Notfallknöpfe installiert. Zukünftig sollen die Gruppenräume im Pfarrheim noch mit Glastüren ausgestattet werden, damit sie einsehbar bleiben.
 


Beim Aktionstag gab es in der Kirche St. Vinzenz
Übungen zu Nähe und Distanz.

Die Analyse habe außerdem ergeben, dass nicht alle Gemeindemitarbeiter den Kindern überhaupt bekannt seien. „Deswegen  haben wir Infotafeln gestaltet, auf denen alle ehren- und hauptamtlich Verantwortlichen dargestellt werden“, sagt Nowak. Das erleichtere zu überprüfen, ob jemand überhaupt „vor Ort eine Funktion oder Aufgabe hat“. Geprüft wurden auch die Schlüssellisten und in einigen Fällen zur Sicherheit die Schlösser ausgetauscht.

Mehr Informationen über Kinderrechte

Nowak betont, ein wesentlicher Bestandteil des Schutzkonzepts seien die Kinderrechte, über die immer wieder informiert werden müsse. Das geschehe sowohl während der Erstkommunionvorbereitung als auch über Plakate in den Gruppenräumen. „Kinder müssen selbst bestimmen können, wie viel Nähe für sie passt“, erklärt Nowak.

Die Präventionsarbeit wird in der Pfarrei fortgesetzt durch Schulungen für alle neuen Mitarbeiter.  Alle fünf Jahre ist eine Auffrischungsschulung vorgesehen. „Wir führen Listen zur Dokumentation und lassen uns von neuen Mitarbeitern ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis zeigen“, sagt Nowak.

Johannes Broermann

 

 


Jutta Menkhaus-Vollmer ist Präventionsbeauftragte für sexuellen Missbrauch im Bistum Hildesheim. Die KiZ hat bei ihr nachgefragt, wie es in Sachen Prävention im Bistum aktuell aussieht.

Wie weit hat die Prävention zur Verhinderung von sexualisierter Gewalt im Bistum inzwischen Fuß gefasst?
Wir schulen seit sechseinhalb Jahren unsere haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden. Das ist Pflicht. Bisher haben wir mehr als 7000 Ehrenamtliche und mehr als 2000 Hauptberufliche geschult. Wir verlangen von je­dem Mitarbeitenden ein erweitertes Führungszeugnis und eine Selbstauskunftserklärung. Wir erarbeiten Schutzkonzepte in unseren Pfarreien und Einrichtungen, etc. Wir wollen als Kirche ein sicherer Ort und Kompetenzort sein. Unser Ziel in der Präventionsarbeit ist es, mit einem Stab von Referenten möglichst viele Menschen vorbeugend zu schulen. Damit verringern wir die Gefahr, dass es zu schweren Grenzverletzungen und Übergriffen kommt.

Haben alle, die sollten oder müssten, den Präventionskurs „Augen auf“ durchlaufen?
Die Fortbildung „Prävention von sexualisierter Gewalt haben so gut wie alle durchlaufen. Wir bieten jedes Jahr weitere Kurse für alle neuen Mitarbeitenden an. Darüberhinaus sind wir in der Vertiefungsphase der Fortbildungen. In unserem Bistum müssen die Fortbildungen alle 5 Jahre erneuert werden.

Wird die Verpflichtung zur Teilnahme am Kurs, für alle, die haupt- oder ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, akzeptiert oder als unnötig angesehen und belächelt?
Natürlich gibt es auch immer „Verweigerer“. Aber die meisten Menschen akzeptieren die verpflich­tenden Fortbildungen, sie unterstützen unsere Arbeit mit großem Engagement. Viele sind sogar der Meinung, dass wir noch stärker in die Präventionsarbeit einsteigen sollen, um die Kultur der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit weiter zu stärken und wahrhaft zu leben.

Wie sieht es mit den Präventionskonzepten in den Pfarrgemeinden und katholischen Einrichtungen und Schulen aus? Wo besteht noch Handlungsbedarf?
Viele Gemeinden haben schon ein fertiges Schutzkonzept. Viele Pfarreien und Einrichtungen stecken noch mitten im Prozess. Darüber hinaus  haben wir „Präventionsfachkräfte“  in allen katholischen Schulen und Pfarreien ausgebildet. Mit der vollen Unterstützung des Bistums werden wir die Präventionsarbeit weiter ausbauen.

Kann man sagen, dass sich die Präventionsmaßnahmen im Bistum Hildesheim bereits ausgezahlt haben?
Wir haben einen erheblichen Rückgang in der Schwere der Fälle. Das zeigt den Erfolg unserer Präventionsarbeit und spornt uns an, noch mehr zu machen. Das Bewusstsein in unsere Kirche zum Thema „sexualisierte Gewalt“ hat sich verändert. Und das ist gut!

Fragen: Edmund Deppe