Experten fordern Verbesserungen für Hausangestellte

"Menschenhandel vor der Haustür"

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Wirtschaftliche Abhängigkeit und Ausbeutung: Experten sehen Verbesserungsbedarf für Hausangestellte - auch in Deutschland.

Foto: kna/Harald Oppitz
Millionen Haushalte in Deutschland lassen ihre Wohnungen durch irregulär oder illegal Beschäftigte putzen. Foto: kna/Harald Oppitz


Vor kurzem ist das Buch zur Netflix-Serie auf Deutsch erschienen: "Maid" von Stephanie Land sorgt in mehreren Ländern für Debatten. Die US-Autorin erzählt, wie sie es als Putzhilfe gerade so schafft, sich und ihre kleine Tochter über Wasser zu halten. Die Sozialhilfesysteme sind kaum vergleichbar, doch Experten sehen Verbesserungsbedarf für Hausangestellte - auch in Deutschland.

Regine Rosner ist Fachbereichsleiterin für Frauen und Migration beim Katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit, In Via Deutschland. Als der Verband vor über 100 Jahren gegründet wurde, ging es nach ihren Worten vor allem darum, klassischen "Hausmädchen" zu helfen. Auch heute noch lassen Millionen Haushalte in Deutschland ihre Wohnungen oder Häuser durch irregulär oder illegal Beschäftigte putzen, wie eine OECD-Studie vor einem Jahr ergab. 75 Prozent der Arbeitsverhältnisse im Haushaltsbereich sind demnach nicht angemeldet - mehr als im EU-Durchschnitt, der bei 57 Prozent liegt.

Seit 2011 wird am 16. Juni der Internationale Tag der Hausangestellten begangen. An diesem Tag wurde das Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte der International Labour Organization (ILO) verabschiedet. Dennoch sei die Gefahr von Ausbeutung weiterhin groß, mahnt Expertin Rosner. "Da ihre Familien auf ihr Einkommen angewiesen sind, befinden sich die Frauen oft in einer hohen wirtschaftlichen Abhängigkeit." Vielen fehlten Informationen darüber, wie ihre Rechte aussehen.

Dabei betrifft Arbeitsausbeutung laut In Via und Deutschem Caritasverband, die in diesem Bereich zusammenarbeiten, nicht allein Hausangestellte. "Billiges Fleisch, preiswerte Maniküre, kostenlose Paketzustellung" - all dies könne auf "Menschenhandel vor der Haustür" hindeuten, warnten beide Verbände im vergangenen Herbst. Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten mit zu wenigen Pausen und "Fesselverträge" seien Realität für die Betroffenen.

 

24-Stunden-Pflege statt Putzhilfe

Manche Schätzungen gehen laut Rosner davon aus, dass 300.000 bis 600.000 Haushaltshilfen in Deutschland bei Familien mit Pflegebedarf beschäftigt sind, andere von bis zu 800.000. Sie arbeiten weniger als Putzhilfe, sondern eher im Bereich der "24-Stunden-Pflege"; fast immer sind es Ausländerinnen. "Je nach Aufgaben stehen diese Beschäftigten unter einem ungeheuren psychischen Druck", sagt Rosner. Wer rund um die Uhr in Rufbereitschaft sei, werde eindeutig ausgebeutet: "Und das ist nicht rechtens."

Das Thema sei jedoch weithin tabuisiert. "Niemand will bewusst jemanden ausbeuten, und alle wollen eine gute Versorgung für Pflegebedürftige", beschreibt sie die Perspektive der deutschen Gesellschaft. Die Erfahrungen derjenigen, die eben doch ausgebeutet werden, würden oftmals ausgeblendet. Viele von ihnen hätten beispielsweise weder Sozial- noch Krankenversicherung und keinen Anspruch auf Urlaubstage. Während der Corona-Pandemie hätten sie vielfach nicht aus- beziehungsweise wieder einreisen können - was die wirtschaftliche Versorgung ihrer Familien, aber auch die Familien mit dem Pflegebedarf vor Probleme stellte.

Der Pflegebereich ist durch die Pandemie in den öffentlichen Blick gerückt. "Nach dem großen Klatschen ist jedoch nicht viel passiert", kritisiert Rosner. Der Bereich müsse für Fachkräfte generell attraktiver werden, zumal der Bedarf an sogenannter 24-Stunden-Pflege steige. Im stationären Bereich seien angemessene Löhne und bessere Arbeitsbedingungen die Lösung. Im familiären Bereich brauche es faire Anbieter, die Haushaltshilfen über ihre Rechte aufklären, aber auch suchende Familien unterstützen. Der bürokratische Aufwand, eine Pflegekraft legal zu beschäftigen, zumal eine aus dem Nicht-EU-Ausland, sei hoch, so Rosner.

Wer eine Haushaltshilfe legal beschäftigen möchte, findet bei den Verbänden praktische Tipps und Informationen. Diese Beratungsarbeit ist das eine, die Sensibilisierung von Bevölkerung und Politik das andere. "Die Politik muss geltendes Recht auch umsetzen", fordert Rosner. So urteilte das Bundesarbeitsgericht vor knapp einem Jahr, dass Haushaltshilfen den Mindestlohn für die tatsächlich geleisteten Stunden erhalten müssen - und dazu zählen auch jene Zeiten, die jemand im Haushalt verbringt, um jederzeit aktiv werden zu können, wenn die betreute Person dies wünscht oder braucht.

kna