Eritreisch-Orthodoxe Gemeinde feierte in Fulda

Mit Trommeln um die Kirche

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Eritreisch-Orthodoxen Kirche
Nachweis

Fotos: Hans-Joachim Stoehr

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Auf dem Kirchenvorplatz bilden die Gläubigen einen Kreis und singen, begleitet von großen Trommeln.

Die Anfänge waren klein – es waren sieben Eritreer in einem Gebetskreis. Daraus ist eine inzwischen eigenständige Gemeinde mit 200 Gläubigen entstanden. Die Mitglieder der eritreisch-orthodoxen Kirche feierten das mit einem Fest in Fulda.


Die frühe Tageszeit hat etwas von Ostermorgen – zumal die Sonne erst langsam nach oben steigt, die Hitze sich noch in Grenzen hält. Vor der katholischen Josephskirche unweit des Fuldaer Bahnhofs stehen Männer, Frauen und Kinder in weißen Gewändern. Die Gläubigen aus dem Nordwesten Afrikas gehören zur eritreisch-orthodoxen Kirche (siehe „Zur Sache“). Mehrere hundert haben sich an diesem Morgen zu einem Festgottesdienst versammelt. Die weißen Tücher, in die die Gläubigen sich hüllen, stehen für die Reinheit, in der sie als Getaufte vor Gott stehen.
Gottesdienstteilnehmerin Tsahay Tesfai ist aus dem südhessischen Heppenheim nach Fulda gekommen. Der Grund ist das Pilgerfest, zu dem jede Woche eine andere eritreisch-othodoxe Gemeinde in Deutschland einlädt. Deshalb ist an diesem Morgen auch ein größerer Andrang im Gotteshaus als sonst. 
Tsahay Tesfai erläutert, warum sich am Eingang der Kirche Dutzende von Schuhen befinden. Dies sei ein Hinweis auf die Anwesenheit Gottes. „Im Alten Tes-tament wird zu Moses gesagt:  ,Ziehe deine Schuhe aus, denn der Ort, an dem du stehst, ist heilig‘. Das Allerheiligste, die „Bundeslade“, ist der Tabot. Vor sechs Wochen ist dieser transportable Altartisch in der Gemeinde angekommen. „Bisher wurde der Tabot für die Eucharistiefeiern von der eritreisch-orthodoxen Gemeinde in Gießen ausgeliehen. „Durch den Tabot ist die Gemeinde nun eigenständig.

Der Gottesdienst dauert bis zu drei Stunden

Unter den Mitfeiernden sind auch Gläubige, die die Nacht in der Kirche durchwacht haben, bis der Gottesdienst am frühen Morgen begonnen hat. Es gibt auch einen weiteren Grund für die frühe Uhrzeit. Die orthodoxe Liturgie dauert lang. Für den Empfang der Kommunion müssen die Gläubigen aber nüchtern sein. „Ich habe seit gestern Abend nichts gegessen“, erklärt der angehende Diakon Meron Mebrathom (20). Einige der Gläubigen halten einen Stock in der Form eines lang gezogenen T in der Hand. Da die Gottesdienste  bis  zu  drei  Stunden dauern können, ist er zum Abstützen bei Müdigkeit hilfreich.
Ein Höhepunkt des Morgens ist eine Prozession mit dem Allerheiligsten um das Gotteshaus herum. Der Tabot wird von einem Geistlichen auf dem Kopf getragen. Ihm voraus gehen junge Männer in festlichen Gewändern, die großformatige Heiligendarstellungen in den Händen tragen. Begleitet wird die Gruppe von Männern, die zwei große Trommeln schlagen. Weitere schlagen kleine Rasseln im Takt. Auf dem Kirchvorplatz bildet die Gruppe einen Kreis mit den Trommlern in der Mitte. Die Priester und Diakone stehen mit dem Allerheiligsten auf den Stufen zum Kirchenportal. Zum Abschluss erteilt der Priester mit einem großen Holzkreuz den Segen. 
Besonders dankbar ist Afewerki Tewelde für diesen Tag. Er gehört zu den sieben Gründern eines Gebetskreises, aus dem die Gemeinde gewachsen ist. Dieser entstand in einer Fuldaer Unterkunft für Flüchtlinge. Unterstützt wurden sie von ihrem Landsmann Efrem Gebru und von Holger Schwan. „Wir beide kennen uns schon seit 35 Jahren. Efrems Familie und wir wohnten im selben Haus“, erklärt Schwan dazu. Er engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich für Flüchtlinge, hilft bei Übersetzungen, beim Ausfüllen von Formularen, gibt Hinweise zum Leben hier in Deutschland.
 

Festlicher Gottesdienst
Der Tabot (Altartisch) wird in feierlicher Prozession hereingetragen.

Die Mitglieder des Gebetskreises waren auf der Suche nach einem Versammlungsort für das Gebet. Beim Fuldaer Stadtpfarrer Stefan Buß stießen sie auf offene Ohren. Er stellte ihnen die Josephskirche zur Verfügung. „Wir sind ihm und der Innenstadtpfarrei sehr dankbar, dass sie uns unterstützt haben und weiter unterstützen“, sagt Tewelde mit Blick auf das gute Miteinander im Sinn der Ökumene.
Seit den Anfängen ist die Gemeinde immer mehr gewachsen. Heute gehören ihr etwa 200 Mitglieder an. Fast jeden Sonntag gibt es Taufen. Der Priester der Gemeinde wie auch die Diakone versehen ihren Dienst – anders als in ihrer Heimat Eritrea – ehrenamtlich. „Ich habe zwei Jobs“, sagt Priester Eseyas. Für seinen Broterwerb arbeitet er im Metallbau. Er und auch Diakon Davit Bihane kamen schon als Geistliche nach Deutschland, haben sich in ihrer eritreischen Heimat auf die Diakonen- und Priesterweihe vorbereitet. Als Seelsorger halten die beiden Gottesdienste, begleiten kranke oder trauernde Menschen. Der angehende Diakon Meron Mebrathom macht eine Ausbildung als Kraftfahrzeugmechaniker und zugleich hierzulande seine Ausbildung zum Diakon.
 

Zur Sache: Altorientalische Kirche

Die eritreisch-orthodoxe Kirche zählt wie die äthiopisch-orthodoxe Kirche oder die Kopten in Ägypten zu den altorientalischen Kirchen. Ihre Wurzeln reichen bis ins 4. Jahrhundert zurück. In Eritrea sind etwa die Hälfte Christen, die andere Hälfte Muslime. Die große Mehrheit der Christen gehört der orthodoxen Kirche an. In Hessen gibt es neben Fulda eritreisch-orthodoxe etwa in Gießen, Kassel und Frankfurt. (st)

Hans-Joachim Stoehr