Medjugorje zählt zu den größten katholischen Wallfahrtsorten
Modrić und Maria
Fotos: kna/Paula Konersmann
Fußballtrikots flattern auf Plastikbügeln im Wind. Dass der Spieler, dessen Name es trägt – Luka Modrić – aus dem Nachbarland Kroatien stammt, ist vielleicht ein Zeichen der Völkerverständigung. Vielleicht auch nur ein Marketing-Gag. Denn von Marketing versteht man etwas in Medjugorje, diesem Dorf im äußersten Westen von Bosnien-Herzegowina.
Der Ort ist geprägt von Kontrasten: 2300 Einwohner gegenüber drei Millionen Pilgern im Jahr; Luxus-Hotels nahe jenen Häusern, die noch Einschusslöcher aus dem Bürgerkrieg aufweisen. Und eben Fußballtrikots inmitten von Rosenkränzen, Weihwasser-Fläschchen und Marienfiguren.
Vor allem aber sind Marienfiguren hier zu haben, in allen Farben, Größen und Preisklassen. Viele haben eher den Charakter eines Urlaubssouvenirs – preisgünstige, offenkundig nicht immer gut verarbeitete Plastikpüppchen. Doch das Angebot reicht auch bis zu hüfthohen Marmorstatuen. Ob innig berührter Pilger, aufgeschlossener Geistlicher oder erheiterter Tourist, hier kommen viele Menschen – oder: Zielgruppen – auf ihre Kosten.
Medjugorje zählt inzwischen zu den größten katholischen Wallfahrtsorten. Bekannt wurde das Dorf durch Berichte von Marienerscheinungen von sechs Jugendlichen im Jahr 1981; bei einigen sollen sie bis heute andauern. Die über 42 000 Erscheinungen, von denen hier in den vergangenen 42 Jahren berichtet wurde, sind ein Spitzenwert.
Tränentücher für die Christus-Skulptur
Die Kirche hat die Vorkommnisse bislang nicht offiziell anerkannt, jedoch mehrmals untersucht. Papst Franziskus äußerte sich zur Frage nach deren Echtheit bislang nicht selbst, entsandte jedoch 2017 einen Bischof als vor Ort lebenden Beauftragten und Visitator und erlaubte 2019 erstmals auch von Bischöfen geleitete Pilgerfahrten nach Medjugorje.
Vor zwei Jahren erlebte der Ort nach der Corona-Pandemie einen Höhepunkt, als zum 40. Jahrestag der Erscheinungen wieder viele Pilger und Priester zusammenkommen durften.
Doch auch an einem durchschnittlichen Tag herrscht hier reges Treiben. Menschen stehen am Vormittag ebenso wie am frühen Abend an, um feuchte Stellen an der bronzenen Christus-Figur abzuputzen, die im Garten hinter der Kirche Sankt Jakobus steht. Viele nutzen dafür kein 08/15-Taschentuch: Die Souvenirshops, die sich auf der Straße vor der Kirche aneinanderreihen, bieten eigens „Tränentücher“ an.
Was religiös weniger sensible Beobachter putzig finden mögen, sorgt durchaus für Kritik. Der Schöpfer der Skulptur des Gekreuzigten, der slowenische Künstler Andrej Ajdic, spricht sogar von einer Mafia. Diejenigen, die das Wasser an der Statue für ein Wunder hielten, würden ausgenutzt, um „ein Riesengeld zu verdienen“, sagte er einmal im Deutschlandfunk.
Von der überlebensgroßen Figur führt ein idyllischer Weg zur Kirche, die selbst eher schlicht ist. Gottesdienste werden auf der Bühne im Freien zelebriert, und viele Messen sind vollbesetzt: Ordensleute im Ornat, ins Gebet vertiefte Besucher aus aller Welt, Familien. Während der Fürbitten kicken ein paar Jungs auf der benachbarten Wiese, Spaziergänger mit Getränk in der Hand bleiben stehen, halten einen Moment inne. Dieses Nebeneinander, das anderswo deplatziert wäre, wirkt hier seltsam stimmig.
Tausende junge Pilger jetzt beim Mladifest
Neben der Kirche findet sich eine Reihe von Kabinen; ein Ampelsystem zeigt an, ob sie besetzt oder frei sind. Ein kleines Schild weist darauf hin, welche Sprache gesprochen wird: Über den meisten dieser Beichtstühle steht „hrvatski“, Kroatisch. Hier bilden sich keine langen Schlangen, aber immer wieder warten Einzelne geduldig auf Einlass.
Wer jetzt, Ende Juli, zum Mladifest kommt, einem internationalen Jugendgebetstreffen mit jährlich Zehntausenden Gästen, der kann zusätzlich auf den Erscheinungshügel Podbro wandern oder auf den benachbarten Kreuzberg. Und wem all das zu wenig handfest erscheint, dem sei ein Ausflug ins nahegelegene Mostar empfohlen: Schönheit und Symbolkraft der Alten Brücke, die 1993 gesprengt wurde und die seit 2004 wieder Ost und West miteinander verbindet, dürften kaum strittig sein.