Ökumenischer Besuchskreis im Klinikum Fulda
Netzwerken auf der Station
An jedem Mittwoch fünf Stunden ins Krankenhaus. Freiwillig und zuverlässig. Damen des Ökumenischen Besuchskreises im Klinikum Fulda kommen seit 40 Jahren in die Patientenzimmer und bauen Brücken zur Klinikseelsorge. Von Evelyn Schwab.
„Ich habe mir am Mittwoch nie etwas anderes vorgenommen, da bin ich im Krankenhaus.“ Für Helen Bräunig eine Selbstverständlichkeit. Fünf Stunden pro Woche, seit vier Jahrzehnten. Begleitend zur Arbeit gibt es einmal pro Monat eine Fortbildung. Sie hat derzeit etwa 15 ehrenamtliche Kolleginnen. Wenige sogar noch aus der Gründungszeit. Lieselotte Wiedner etwa. Und Brigitte Roth.
Vertrauliche und gute Gespräche sind in 15 Minuten möglich
Jede hat ihre feste Station. „Ich bin seit 40 Jahren auf der 4a“, so Roth. „Da wächst ein guter Kontakt, auch mit einmal wechselndem Pflegepersonal und neuen Ärzten.“ Die Damen vom Besuchskreis wollen ein Stück Alltag von draußen in die Klinik bringen. Und sie bestätigen: Gute Gespräche sind möglich, sogar in knappen 15 Minuten.
Mit 55 Jahren ist Sabine Haas inzwischen die Jüngste in der Runde der Damen. Sie hat kurz zuvor mit einer Patientin gesprochen: „Nicht viel älter als ich, sie wird sterben.“ Zuhören sei das Erste und das Beste, was man leisten könne. Krankheit werde in der heutigen Gesellschaft nicht gerne wahrgenommen, sagt Haas: „Du siehst nur weg.“
„Netzwerken auf der Station“, beschreibt Klinikseelsorgerin Annegret Hart-Laibold die Aufgabe des Ökumenischen Besuchskreises, den sie gemeinsam mit Pfarrerin Ulrike Röder leitet. „Relativ kurze, aber prägende Gespräche“ mit Patienten könnten sich bei Bedarf wiederholen oder verlängern lassen. Auf Wunsch auch mit Klinikseelsorgerin oder Pfarrerin.
In ihrer qualifizierten Ausbildung hätten die Damen vom Besuchsdienst gelernt, in den Gesprächen angemessen zu reagieren. Das hält Pfarrerin Röder fest. Wer im Krankenhaus liege, fühle sich zumeist geschwächt und habe Schmerzen. Ob ungeschminkt oder im OP-Hemd, manchem sei es eben unangenehm, anderen Menschen in gewisser unperfekter Weise oder in Schwäche zu begegnen.
Ein anderer Aspekt: „Vor allem bei Männern erlebe ich im Gespräch, dass Tränen laufen“, sagt Helga Greuling. Viele Erkrankte seien ja gewohnt, stets ihre starken Seiten zu zeigen. Gegenüber den eigenen Angehörigen könnten daher gerade Männer oft weniger offen reden. Ein Gespräch mit einer zunächst Unbekannten vom Besuchsdienst entlaste und störe gewohnte Rollenmuster nicht.
Schweigepflicht und Datenschutz gelten als feste Grundsätze. Und kein Patient muss Angst haben, in irgendeiner Weise „kirchlich belehrt“ zu werden. „Ich will niemanden bekehren und nichts verkaufen“, so stellt sich Barbara Herr humorvoll Patienten vor, deren Befürchtungen in diese Richtung laufen.
Sensibilität gegenüber anderen Religionen ist bei den Damen vorhanden. Vor Kurzem gab es eine Fortbildung mit Pfarrer Ferdinand Rauch vom Referat für Weltanschauungsfragen des Bistums. Gabriele Mannel nennt dagegen einen Vortrag über den Umgang mit dementen Patienten, aus dem sie vor einiger Zeit viel Wissen ziehen konnte. In den regelmäßigen Schulungen geht es sowohl um gute Gesprächsführung als auch um Möglichkeiten zur eigenen Reflexion.
Auftrag der Damen: in jedem Patienten Jesus erkennen
„Die während der Gespräche erfahrenen Dinge kann man nicht so einfach wegstecken, die begleiten einen noch eine Weile“, erzählt Klinikseelsorgerin Hart-Laibold. Die Damen beginnen jeden Mittwochmorgen mit einem Gebet. Zum Abschluss essen sie gemeinsam zu Mittag und genießen in Gemeinschaft eine kurze Auszeit. Natürlich geht es auch einmal darum, zusammen lachen zu können. Geburtstage werden in der Gruppe begangen, es gibt einen Jahresausflug. Manche verabreden sich zum Theaterbesuch oder Spaziergang. Die Zeit am Mittwochvormittag halten die Damen sich allerdings stets für die Begegnung mit den Kranken auf ihrer persönlichen Station frei, um zu trösten, aufzumuntern oder einfach als Zuhörende da zu sein. „Sie machen die Augen nicht zu“, betont Annegret Hart-Laibold. „In jedem Menschen Jesus sehen, das ist unser Auftrag.“
„Man erfährt etwas über die Welt und das Leben!“, antwortet Barbara Herr auf die Frage nach der Motivation für ihr Engagement. „Mir persönlich geht es gut, ich möchte anderen etwas geben. Und die Menschen sind dankbar, man bekommt etwas zurück.“ Das, was Patienten im Krankenhaus bewegt, spiegelt sich unter Umständen im eigenen Denken wider. „Die Arbeit hier ist schon auch Anregung, mich mit meinem Leben und mit meinem Tod zu beschäftigen“, sagt Sabine Haas.
Hat sich etwas verändert in den vergangenen Jahrzehnten? Ja, die Damen berichten von zwei offensichtlichen Trends. Erstens: Die Liegezeit der Patienten im Haus habe sich verkürzt. „Früher blieben manche Kranke ein Vierteljahr auf der Station, heute geht der Durchschnitt nach zehn Tagen“, sagt Roth. Zweitens: Es gibt mehr Technik im Krankenzimmer. „Bei den jüngeren Patienten ist das eigene Smartphone Standard, mancher bringt von zu Hause den Computer mit ans Klinikbett“, weiß Haas. Sie hat auch beobachtet: „Reden wollen eher die Älteren. Die Jüngeren nutzen oft andere Kanäle.“
Meinung: Eine gute Truppe
Vier Jahrzehnte Erinnerungen des Ökumenischen Besuchskreises, da fallen natürlich Namen. Als „Frau Panhoffs Truppe“ betrachteten sich die ersten 25 Damen, die 1978 im evangelischen Zentrum Haus Oranien in Fulda beschult wurden. Pfarrerin Sonja Panhoff und Dekan Gerhard Schnath auf evangelischer Seite, Pater Flavian und Gemeindereferentin Johanna Selig auf katholischer Seite, Kristin Weber-Fahr vom katholischen Frauenbund. Sie alle waren Geburtshelfer. Die Gründungsmitglieder wissen außerdem: Evangelische waren anfangs eher für die Seelsorge zuständig, Katholische mehr für das Soziale. Die Damen betreuten auch Kinder oder wuschen Wäsche. Die Voraussetzungen für gute Arbeit haben sich nicht grundlegend verändert. Manche Begegnung fordert heraus. Doch die Damen meistern alles bis heute kontaktfreudig, einfühlsam, zuverlässig, diskret, tolerant und aufgeschlossen.
Von Evelyn Schwab