Wohn- und Pflegezentrum St. Anna eröffnet

Neue Plätze für die „Junge Pflege“

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Mittendrin mit Handicap – so lässt sich ein neues Wohnheim in Osnabrück beschreiben. Direkt im Stadtzentrum wurde eine Pflegeeinrichtung eröffnet, die speziell auf die Bedürfnisse junger Menschen ausgerichtet ist: das Wohn- und Pflegezentrum St. Anna in der Johannisstraße 39-40.


Wohnheimleiterin Adele Falk im Gespräch mit einem Bewohner. Jeder kann sein Zimmer individuell einrichten. Foto: Stefan Buchholz

In dem dreigeschossigen Gebäude neben der Kirche St. Johann sind 25 Einzelzimmer und mehrere gemeinsame Wohnbereiche entstanden. Dort, wo früher das ehemalige Kinderheim St. Johann war, leben zurzeit Gäste zwischen 19 und 50 Jahren. Das Besondere: Sie alle leiden unter schwerwiegenden und dauerhaften neurologischen Ausfallerscheinungen – Schäden, die nicht von Geburt an bestanden haben. Dazu zählen etwa Multiple Sklerose oder schwere Schädel-Hirn-Verletzungen nach Schlaganfällen oder Unfällen.

Für die Bewohner sei eine 24-stündige Interventionsbereitschaft notwendig, erklärt Franz Paul, Geschäftsführer der St.-Elisabeth-Pflege GmbH. Das Unternehmen betreibt in Osnabrück und in der Region stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste.

Mit der Pflege und Betreuung hat man bereits seit 16 Jahren Erfahrung. Im Paulusheim hilft Leiterin Adele Falk mit ihrem Team bereits seit 2003 in der dortigen „Jungen Pflege“, die in Fachkreisen auch „Phase F“ genannt wird. Verfolgt wird ein Therapieansatz, den Adele Falk als aktivierende Langzeitversorgung beschreibt. Diese Therapieform wird auch in St. Anna angewendet. Vor allem die Inklusion und Integration der Bewohner lasse sich wegen der zentralen Lage gut umsetzen. „Hier lässt sich das Leben in der Stadt erleben“, sagt Adele Falk. „Wir freuen uns schon richtig auf die Maiwoche.“

Kleinere Einkäufe können die Bewohner erledigen – allein oder mit geschulten Betreuern. Nach der Eingewöhnung ist außerdem bereits eine Reihe von gemeinsamen Projekten geplant. Es soll zudem Begegnungen mit den Bewohnern der benachbarten St.-Johann-Behindertenhilfe, der Kirchengemeinde und den Teilnehmern lokaler Stadtteiltreffs geben. „Und auch Kinobesuche stehen auf unserem Programm“, sagt Adele Falk.

200 Jahre altes Kinderheim entkernt

Im Wohnheim gibt es neben Einzelzimmern und Gemeinschafträumen auch therapeutische Bereiche. Die Bewohner können Angebote der Ergotherapie, Logopädie sowie der Physio- und Musiktherapie nutzen. Vorteilhaft an der guten Lage ist auch die Anbindung an das benachbarte Marienhospital.

Um das neue Wohnheim auf die Bedürfnisse der „Jungen Pflege“ auszurichten, musste umfassend umgebaut werden. Das ehemalige, über 200 Jahre alte Kinderheim wurde quasi entkernt. Statisch instabile Decken und Wände mussten neu eingezogen werden. Erneuert wurden sämtliche Strom- und Wasserleitungen sowie der Kanalanschluss zur Straße hin. Eingebaut ist nun auch ein Fahrstuhl, der allen Erfordernissen einer Pflegeeinrichtung entspricht.

Die Kosten für die Umbauten betragen gut 2,5 Millionen Euro. „Jede andere kommerzielle Nutzung des Gebäudes in dieser zentralen Innenstadtlage wäre sicher wirtschaftlicher gewesen“, sagt Geschäftsführer Paul. Doch eine solche Umnutzung war für ihn und den Bischöflichen Stuhl als Träger undenkbar.

Mit den 55 Plätzen im Paulusheim und den jetzt 25 neuen Bewohnern im St.-Anna-Haus ist in Osnabrück Deutschlands größte Einrichtung für die „Junge Pflege“ im Bereich „Pflege F“ entstanden. Neben der fachlichen Qualifikation brauchen die Pflegenden viel Empathie für die Arbeit mit den Patienten. „Und sie müssen den noch jungen Menschen gegenüber viel Ehrlichkeit an den Tag legen“, beschreibt Adele Falk die Aufgaben ihrer Mitarbeiter. Denn die Lebensplanung der Patienten sei oft von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen worden.

Zur Eröffnung des neuen St.-Anna-Wohnheims kam auch Christian Wulff in seiner Eigenschaft als Schirmherr der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft. Der ehemalige Bundespräsident verwies darauf, wie sehr Spastiken und Kontraktionen auch die Psyche der Betroffenen beeinträchtigen können. Wulff nahm sich viel Zeit, um sich mit den Bewohnern zu unterhalten. (buc)