Interview mit Caritasdirektor Matthias Timmermann

Nicht in Apathie verfallen

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Foto: Achim Rizvani

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Matthias Timmermann, Direktor der Caritas im Norden

Bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 9. Juni war die AfD die erfolgreichste Partei. In drei Kreistagen hat diese Partei künftig die meisten Mandate, ebenso in den beiden größten Städten des Landes, Rostock und Schwerin. Matthias Timmermann, Direktor der „Caritas im Norden“ mit Sitz in Schwerin, gibt eine Einschätzung der Wahl aus Sicht des katholischen Sozialverbandes.

Bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern hat die AfD in drei Landkreisen sowie in Rostock und Schwerin die meisten Stimmen bekommen. Wie geschockt sind Sie?

Als eine Organisation, die sich unermüdlich für die Unterstützung und Integration benachteiligter Gruppen einsetzt, sehen wir den Zuwachs populistischer Kräfte mit großer Besorgnis. Populistische Politik hat häufig das Potenzial, Spaltungen in der Gesellschaft zu vertiefen und grundlegende soziale Werte zu untergraben. Ich hatte in den vergangenen Wochen den Eindruck, dass das öffentliche Werben für Demokratie und Vielfalt, auch seitens der Kirche mit der Caritas, die Menschen in unserem Erzbistum eint. Das Wahlergebnis spricht zumindest in Teilen leider eine andere Sprache.

Die Caritas hat täglich Kontakt mit Menschen in allen sozialen Schichten. Merken Sie und Ihre Mitarbeiter, dass die Menschen nach rechts rücken?

Zum Teil. Ich denke aber, dass der ganz überwiegende Teil des Rechtsrucks bei den Wahlen nicht auf Demokratiefeindlichkeit und völkischem Gedankengut beruht. Den mit den Regierungsparteien unzufriedenen Menschen scheint die Wahl einer extremistischen Partei das Ventil zu sein, mit dem man sich am deutlichsten Gehör für die eigene Unzufriedenheit verschafft. Die etablierten Parteien müssen hart daran arbeiten, Vertrauen zurückzugewinnen.

Das Wahlergebnis wird sich auf die örtlichen Parlamente auswirken. Sehen Sie Gefahr für die Arbeit der Caritas und Ihre Unterstützung von Migranten und Flüchtlingen?

Ja. Ohne Unterstützung der öffentlichen Hand reichen unsere Ressourcen nicht aus, um die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu unterstützen. Wir haben die Politik zur Bewältigung der großen Probleme in unserer Gesellschaft nicht alleine gelassen und selbstverständlich erwarten wir die gleiche Haltung von der Politik. Denn eines ist doch klar: Ohne die Hilfen der Caritas werden die Probleme in unserer Gesellschaft deutlich größer als mit unseren engagierten Hilfeleistungen.

Was folgt? Was kann Caritas tun?

Wir beobachten die Entwicklung genau und werden unsere Stimme erheben, wenn in der politischen Ausrichtung etwas in die falsche Richtung läuft. Jetzt ist entscheidend, nicht in Apathie zu verfallen, sondern aktiv gegen die Diskriminierung und Marginalisierung gefährdeter Gruppen vorzugehen. Die Caritas im Norden ruft dazu auf, sich gemeinsam gegen die Parolen der Populisten zu stellen. Wir planen, unsere Bemühungen zur Aufklärung und Unterstützung der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft zu intensivieren.

Andreas Hüser