Verbot des Kirchenboten vor 80 Jahren

Nicht nur Schweigen und Anpassung

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Vor 80 Jahren verboten die Nationalsozialisten den Kirchenboten. Die vorerst letzte Ausgabe erschien am 25. Mai 1941. Nachforschungen zeigen: Das Bistumsblatt war damals nicht konfliktfrei, aber auch kein aktives Mittel des Propagandaministeriums. 


Die letzte Ausgabe vor dem Verbot vor 80 Jahren wurde am 25. Mai 1941 gedruckt. Dahinter das Titelblatt der ersten Ausgabe nach dem Krieg. Sie erschien am 24. März 1946. Foto: Anja Sabel

Sieben fettgedruckte Zeilen verkündeten die Hiobsbotschaft: Der Kirchenbote müsse bis auf Weiteres eingestellt werden, "um Menschen und Material für andere kriegswichtige Zwecke freizumachen", teilte der Verlag mit. Es könne kein Papier mehr bereitgestellt werden - das war der offizielle Grund. Papier als kriegswichtiges Gut war tatsächlich knapp. Doch kam das dem nationalsozialistischen Regime äußerst gelegen, um sich der unliebsamen Kirchenblätter entledigen zu können.

Diesen Verdacht sprach Bischof Wilhelm Berning auf der Männerwallfahrt nach Rulle im Juni 1941 laut aus: Er habe sehr wohl Verständnis für die wirtschaftlichen Gründe dieser Maßnahme, aber kein Verständnis dafür, dass 100 Prozent der kirchlichen und nur 30 Prozent der säkularen Presse davon betroffen seien. 

Auch die Redaktion durchschaute, dass das Verbot der Bistumszeitung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ideologisch begründet war. "Auf Wiedersehen!" hieß ein kurzer Beitrag, in dem sie sich von den Lesern verabschiedete. In den verklausulierten Worten "schwang die Hoffnung mit, dass es nur ein Abschied auf Zeit ist", sagt Volker Poerschke. Der Text habe die Gläubigen aufgefordert, ihren Glauben in den Familien und durch Gottesdienstbesuche zu erhalten und zu festigen. Es sei ein Appell gewesen, auch weiterhin auf Gott zu vertrauen, für die Werte des Glaubens einzutreten und nicht den Verlockungen des Regimes nachzugeben.

Berufsverbote konnten nach dem Schriftleitergesetz leichter erteilt werden

Poerschke, heute Redakteur bei der Neuen Osnabrücker Zeitung, setzte sich während seines Studiums vor 15 Jahren mit der Rolle des Kirchenboten im Nationalsozialismus auseinander. Sein Fazit: Das Blatt war nicht konfliktfrei, aber auch kein aktives Mittel des Propagandaministeriums. 

Zwischen 1930 und 1933 wandten sich Artikel massiv gegen den Nationalsozialismus. In jener Zeit verhielten sich Bischof Berning und große Teile des Episkopats noch diplomatisch. "Wo das Politische sich kirchenfeindlich aufstellte, wo christliche Werte in Gefahr waren, da galt es auch für den Kirchenboten, entgegenzutreten", fasst Poerschke zusammen.

Nach 1933 wurde die Kritik vorsichtiger. Der staatliche Druck wuchs. 1937 wurde die Zeitung dem Schriftleitergesetz unterworfen, das heißt, der Schriftleiter war direkt dem Staat unterstellt, nicht mehr dem Herausgeber. So konnten leichter Berufsverbote erteilt werden. Ab 1940 war es nicht mehr möglich, über die Schrecken des Krieges zu berichten, über die Lage der Kirche in Deutschland, Euthanasie und Rassenideologie. Gezwungermaßen wurde der Kirchenbote zum Unterhaltungsblatt.

"Es wäre vielleicht konsequenter gewesen, spätestens nach dem Schriftleitergesetz das Erscheinen selbst einzustellen", sagt Volker Poerschke. So bleibe ein fader Beigeschmack, dass es vor allem darum gegangen sei, die bloße Existenz zu wahren. Andererseits: Wäre das klug gewesen? Es gab eine gewisse Reichweite, die man einfach aufgegeben hätte. Letztendlich war Herausgeber Bischof Berning dazu nicht bereit, weil der Kirchenbote mehr war als ein politisches Blatt.

Anja Sabel

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Wissenswertes

Die Auflage der ersten regulären Ausgabe des Kirchenboten am 3. Januar 1926 lag bei 14.000 Exemplaren. Im Bistum Osnabrück lebten damals knapp 240.000 Katholiken, weitere 160.000 in den angschlossenen "Norddeutschen Missionen" (Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg).

Dort erschienen zum Teil eigene Kirchenzeitungen: "Der Fels", "Paulusbote", "Elbfeuer" oder "Ansgarius". Sie gingen später aus finanziellen Gründen im Kirchenboten auf. Die erste Ausgabe nach dem Krieg erschien am 24. März 1946 mit Erlaubnis des britischen Militärs und einem Geleitwort von Bischof Berning auf der Titelseite. (asa)