Flüchtlinge in der Corona-Krise

"Nur du bist mein Freund hier"

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Weltweit dreht sich alles um die Corona-Krise. Andere wichtige Themen werden davon überlagert. Was bedeutet das beispielsweise für die Menschen, die aus Syrien und anderen Ländern nach Deutschland geflüchtet sind?


Mit einer Ausstellung hat die Osnabrücker Pfarrei St. Joseph auf die Lage von Flüchtlingen aufmerksam gemacht. Die ist im Moment besonders schwer. Foto: Österreichische Bibelgesellschaft

„Gott hat den Fremdling lieb“, lautet der Titel einer Ausstellung, die die Osnabrücker Pfarrei St. Joseph sechs Wochen lang in Osnabrück gezeigt hat: In ihren fünf Kirchen, in der Tagespflege Voxtrup, in der Tagespflege in Nahne und auch in der Bunte-Beratungsstelle in Lüstringen standen die Stellwände. Sie zeigen nicht nur Fotos. Sie zitieren auch die Bibel, die an vielen Stellen zum Schutz fremder Menschen aufruft. Gestaltet wurde die Wanderausstellung von der Österreichischen Bibelgesellschaft. „Die Rückmeldungen, die wir erhalten haben, waren allesamt positiv“, sagt Stefan Schulte. Der Gemeindereferent hat die Stellwände inzwischen wieder abgebaut und auf die Heimreise geschickt. 

Seine Pfarrei setzt sich intensiv mit Migration auseinander und bietet Flüchtlingen Unterstützung an: Kolpingmitglieder organisieren einen Deutschkurs, die Frauengemeinschaften bieten Café-Nachmittage für Familien an, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung lädt ein zu Wanderungen und Spielenachmittagen. Ehrenamtliche organisieren monatliche Treffen, besorgen Hilfsmaterialien und gestalten Fahrten. Auch wenn das jetzt gerade alles ausfällt – aus der engen Zusammenarbeit weiß Schulte, wie sich Flüchtlinge jetzt fühlen: „Für die Familien ist es besonders schwer, sich nicht treffen und besprechen zu können, da sie es traditionell in ihrer Heimat gewohnt sind, viel Kontakte zu haben und das Leben miteinander zu teilen.“ Bereits unter normalen Umständen würden sich Flüchtlinge darüber wundern, dass die Deutschen so wenig draußen sind. 

Jetzt, durch die Vorgaben im Zusammenhang mit dem Coronavirus, sei die Situation für sie noch ungewöhnlicher. Zumal sie sich auch nicht mit deutschen Familien treffen könnten. Manche Flüchtlinge verstünden die aktuellen Nachrichten nicht oder nicht richtig, weil sie die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschten. Eine Familie dachte, dass sämtliche Geschäfte am kommenden Tag geschlossen würden. „Sie hatten wirklich Angst“, sagt Stefan Schulte und ergänzt: „Ich konnte ihnen vermitteln, dass es eine Fake-Nachricht war.“

Belastend ist die Lage auch für Familien, die abgeschoben werden sollen

Besonders hilfreich sei zurzeit der Austausch über Social-Media-Kanäle. „Wir haben einen für muslimische Flüchtlinge und einen für christliche Flüchtlinge“, erläutert Schulte. Hier würden Fragen beantwortet, Unsicherheiten geklärt. Denn zu den üblichen Sorgen von Flüchtlingen über ihre Aufnahme und ihre Zukunft in Deutschland komme jetzt noch die Angst um die Gesundheit und Fragen nach dem korrekten Verhalten im Falle einer Erkrankung hinzu.  

Besonders schwer sei die Lage für Neuankömmlinge. Die Gemeinde begleite aktuell einen Flüchtling aus dem Iran, der erst seit ein paar Wochen in Osnabrück ist. Nach ersten Kontakten, dem Übermitteln einer Erstausstattung für den Alltag und wenigen Besuchen des Deutschkurses sei er nun weitgehend auf sich allein gestellt. „Als ich ihn per WhatsApp fragte, wie es ihm gehe, schrieb er: ‚Ich bin alleine. Ich habe keinen Freund in Osnabrück. Nur du bist mein Freund hier‘“, erzählt Stefan Schulte. 

Belastend sei die Lage für eine Flüchtlingsfamilie, die gerade abgeschoben werden solle: „Hier versuchen wir zu helfen. Dazu bedarf es vieler Kontakte, Briefe, Unterschriften und Bescheinigungen. Leider sind die Schulen und Kindergärten geschlossen, so dass wir nicht an Unterschriftenlisten der Kinder kommen, die die Familie gern unterstützen würden.“ Die Arbeit müsse per Telefon, E-Mail oder Brief erfolgen. Aktuell sei es für christliche Flüchtlinge nicht möglich, Gottesdienste auf Arabisch zu feiern. „Rund um Ostern hatten wir eine Feier geplant, denn es ist für sie sehr berührend, in ihrer Heimatsprache zu beten und zu singen.“ 

Trotz aller Einschränkungen versucht die Gemeinde, alle zu unterstützen. So verschickt die Leiterin der Deutschkurse Bilder, um spielerisch Vokabeln mit den Flüchtlingen zu üben. Ehrenamtliche erledigen Einkäufe für Ältere, die Priester nehmen wöchentlich eine Messe auf und zeigen sie online. Auf der Webseite gibt es Beschäftigungsangebote für Kinder, auch Gebete sind dort zu finden. „Ich habe das Gefühl, dass wir schon gut aufeinander achten und füreinander da sind“, sagt Gemeindereferent Schulte. „Gemeinsam werden wir die Krise meistern.“

Marie Luise Braun