Demonstrationen gegen Krieg

Ostermärsche im Aufwind

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Der Krieg in der Ukraine hat die Haltung von Friedensbewegten infrage gestellt. Lassen sich mit autokratischen Herrschern im Dialog Konflikte ohne Gewalt lösen? Die Ostermärsche könnten dieses Jahr wieder Zulauf bekommen.


Schülerinnen und Schüler aus Osnabrück gingen schon in den ersten Tagen des Kriegs in der Ukraine auf die Straße Pax Christi rechnet jetzt auch bei den Ostermärschen mit mehr Zulauf. Foto: Florens Böwering

Ende der 1970er Jahre hatten sie großen Zulauf: Über die Kar- und Ostertage wurde deutschlandweit gegen die atomare Aufrüstung und den NATO-Doppelbeschluss auf die Straße gegangen. Tausende Menschen schlossen sich der Friedensbewegung an, waren bis zu vier Tage unterwegs, übernachteten in Zelten. Die Protestform des Ostermarsches gibt es noch immer, aber inzwischen meist auf einen Tag begrenzt und mit deutlich geringeren Teilnehmerzahlen. Der Krieg in der Ukraine dürfte dazu führen, dass der Zulauf in diesem Jahr wieder zunimmt. Denn selten war es wichtiger, sich für Frieden und Abrüstung einzusetzen – die Organisatoren nehmen den Gedanken in ihr Protestmotto auf. 

Franz-Josef Lotte ist einer, der innerhalb der katholischen Kirche mit dem Gedanken der Gewaltfreiheit unterwegs ist. Als Referent der kirchlich geprägten Bewegung pax christi, die die Ostermärsche unterstützt, setzt er auch weiterhin auf den Dialog von Konfliktparteien und blickt dabei auch zurück: „Dass Engländer, Franzosen, Polen und Deutsche einmal friedlich nebeneinander existieren würden, hätte nach dem Zweiten Weltkrieg vielleicht keiner für möglich gehalten. Aber dass es heute so ist, ist die Folge des Dialogs.“

Lotte räumt ein, dass nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine bei der Friedensbewegung zunächst auch Entsetzen, Fassungslosigkeit und Ohnmacht zu spüren waren. „Jetzt sollten wir aber zeigen, dass wir aus dieser Ohnmacht herauskommen“, sagt er. Denn auch wer auf den Dialog setze, habe eine gewisse Macht. „Es ist natürlich nicht die Macht der Waffen, es ist die Macht der Worte, mit denen ein Ausgleich der Interessen geschaffen werden kann.“ 

Nicht nur noch die Kriegstrommel schlagen

Gleich nach dem Einmarsch der Russen gingen in Osnabrück Menschen auf die Straße, Vertreter der katholischen Kirche waren mit dabei. „Und ihre Redebeiträge erhielten hohe Beachtung, was man am Applaus sehen konnte“, sagt Lotte und denkt an Diakon Gerrit Schulte und Domkapitular Theo Paul. „Wir werden unsere Grundprinzipien nicht aufgeben, weil ein Verbrecher diese Weltordnung infrage stellt“, so Theo Paul. „Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht die Orientierung verlieren und nur noch die Kriegstrommel schlagen – ob nun mit Worten oder mit Taten.“

Franz-Josef Lotte geht es neben der Forderung, dass der Krieg enden muss, auch noch um andere Punkte, die sich im Zuge des Einmarsches in Deutschland ergeben haben: Schnell hatte die Bundesregierung beschlossen, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Dass die Entscheidung fiel, ohne das Parlament zu beteiligen, gefällt Lotte gar nicht. Und: „Im Auswärtigen Amt angesiedelt gibt es den Aktionsplan ,Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung‘, der auch Friedensarbeit kirchlicher Organisationen unterstützt. Diesen in meinen Augen vielgeschätzten Aktionsplan gilt es ebenfalls zu stärken.“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in vielen Krisenregionen der Welt tätig, zum Beispiel in Myanmar und dem Südsudan, auch noch immer auf dem Balkan. Sie schulten dort Interessensgruppen, damit diese befähigt werden, ihre Konflikte im Dialog zu lösen. Darüber hinaus müsse trotz des Krieges die Forderung weiter erhoben werden, dass Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag unterschreibt.

Der Ursprung der Ostermärsche liegt in England, wo Ende der 1950er Jahre die ersten Menschen gegen die atomare Aufrüstung auf die Straße gingen. In Deutschland war es der 15. April 1960, der als Ursprung für die Tradition gilt. Ziel der Teilnehmer aus Braunschweig, Hannover, Hamburg und Bremen war der Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide.

Auch in diesem Jahr wird es an mehreren Orten im Norden Aktionen geben. Die Friedenskooperative, die die Termine sammelt, listet Aktionen für Osnabrück, Bremen und Emden auf, die jeweils am Karsamstag (16. April) geplant sind. In Osnabrück ist um 10 Uhr Treffpunkt vor dem Theater, in Bremen um 11 Uhr am Friedenstunnel und in Emden um 11.15 Uhr vor dem Bahnhof.

Matthias Petersen