Das "Ethik-Eck": Umweltschutz contra Denkmalschutz?
Photovoltaikanlage auf Kirchendach?
Die Frage lautet diesmal: „Meine Freunde meckern immer mit mir: ,Die Kirche' hätte doch so riesige Dachflächen mit viel Platz für Photovoltaikanlagen. Aber es seien keine drauf. Wenn ich ,Laudato si' von Papst Franziskus lese, dann denke ich: Umweltschutz wäre wichtiger als Denkmalschutz. Stimmt das?
An der Zeit
"In der Tat gilt es, dem Klimawandel sehr ambitioniert zu begegnen. Photovoltaikanlagen sind ein wichtiges Instrument. Da Kirchen meist geostet sind, bieten sich oft große Dächer mit Südausrichtung als ideale Erntefläche der von Gott geschenkten Sonnenenergie an.
Bei vielen historischen und denkmalgeschützten Kirchen scheint jedoch eine PV-Anlage schwer vorstellbar. Hingegen sollte für moderne Kirchenbauten eine Einzelfallprüfung feststellen, ob deren Dachfläche kaum einsehbar ist oder alternativ eine PV-Anlage mit Bedacht angeordnet oder sogar künstlerisch gestaltet werden kann. Selbst für den Denkmalbereich gibt es inzwischen dezente Bauweisen und farblich an die Dacheindeckung angepasste PV-Module, so dass mit viel Sensibilität vorsichtige Schritte denkbar sein sollten. Zumindest bei profanen Denkmälern neigen sogar Gerichte schon dazu, die Belange des Klimaschutzes höher zu gewichten.
Eine ,Vermarktung' des Kirchendachs durch die Einspeisevergütung und somit eine gewisse Profanisierung des Sakralbaus schien früher bei Kirchen ein Hemmschuh. Angesichts heutiger Vergütungssätze liegt jedoch die Eigennutzung des Stroms für Licht, Wärme und gegebenenfalls E-Mobilität näher, auch um Seele und Fahrzeug beim Kirchbesuch aufzutanken.
Zeiten und Ansichten ändern sich bekanntlich. Wie war das früher bei der Einführung technischer oder stilistischer Neuerungen an Kirchen? In den Anfängen hatten die Kirchen keinen Turm. Die Symbolik des Christentums kann das Phänomen des Kirchturms wohl auch nicht erklären. So wurden Kirchtürme als repräsentative Symbole von Macht und profaner Ruhmsucht schließlich beim Bau der Klöster von Bettelorden verboten. Glocken waren im Christentum anfänglich wegen ihrer Verbindung mit magischen Ritualen der Vorzeit umstritten. Trotzdem dienten Kirchturmuhr und Glockenschlag bald der Ordnung der Gebetszeiten und regelten darüber hinaus das weltliche Leben, wie Öffnungszeiten von Stadt und Markt sowie die Arbeitszeit auf den Feldern. Religiöse und profane Funktion von Uhren und Geläut an der Kirche schienen also gut vereinbar.
Der Klimawandel wird immer mehr zum Zeichen der Zeit. Um Verluste von Menschenleben und Lebensgrundlagen zu vermeiden, ist es jetzt wohl an der Zeit, neu zu bedenken, wo die Bewahrung der Schöpfung durch die Nutzung von himmlischer Energie auch auf Kirchendächern vorangebracht werden kann. Das wäre eine sehr christliche Dienstleistung – auch für die Welt."
Anfangen
"Ist das wirklich ein Gegensatz? Umweltschutz und Denkmalschutz? Ist das eine besser und das andere schlechter? Wie soll das entschieden werden?
Es hilft vielleicht, sich zu überlegen: Aus welchen Gründen engagiert sich jemand für etwas? Das hat wohl ganz persönliche Gründe, die mit der eigenen Lebensgeschichte zu tun haben. Der eine wird besonders durch Kinder berührt, weil ihm das Herz aufgeht, wenn er die Enkel lachen und toben sieht, die andere, die mit der eigenen Kindheit ein schweres Paket mit sich trägt, engagiert sich lieber im Tierschutz.
In dem einen steigen so unangenehme Gefühle auf, wenn die Bilder von Flucht und Elend in den Nachrichten laufen, dass er schnell umschaltet, die andere greift zur Überweisung.
Wen das erfüllt hat, mit der alten Mutter Zeit zu verbringen, und wer das Gespräch mit der traurigen und belasteten Freundin bereichernd empfindet, traut sich vielleicht, sich bei der Telefonseelsorge oder dem Besuchsdienst über eine Mitarbeit zu informieren. Wer sich überfordert fühlt, ist froh, damit nicht befasst zu sein.
Wem der Denkmalschutz wichtig ist, kennt vielleicht den Trost durch die Kunst oder fühlt sich in einer bestimmten Landschaft, einer bestimmten Kirche zuhause und möchte, dass das bleibt. Wer im Umweltschutz aktiv ist, spürt, wie dringlich vieles angegangen werden müsste, den treibt die Angst um die Zukunft der Erde um. Und wäre am liebsten bei den jungen Leuten, die freitags demonstrieren.
Das Wichtigste ist wohl, dass jeder und jede sich anrühren lässt. Und da, wo es für sie stimmt, mittut und mit-
mischt. Ob im Eine-Welt-Laden oder beim Bäumepflanzen, im Besuchsdienst oder in der Heimatforschung.
Auch der Gegensatz zwischen bewahren und verändern ist nur scheinbar. Beide Bestrebungen wollen das Gute. Und halten für möglich, dass es gut und besser werden kann. (Beide können auch in der Sackgasse landen, sich wegen der eigenen Wichtigkeit engagieren zu wollen, da hilft ein selbstkritischer Blick.)
Wahrscheinlich ist es besser anzufangen, als entscheiden zu wollen, was das beste und das wichtigste ist. Und wenn es wirklich zum Konflikt käme, einen Ausgleich zu suchen.
Oder steckt noch was anderes dahinter: Eure Kirche redet nur und tut selbst nichts? Auch da heißt die Antwort: ja und nein. Für die Bewahrung der Schöpfung ist viel Bewusstsein gewachsen und viele sind da aktiv unterwegs. Und ja, es gäbe auch noch viele Dächer, nicht nur bei den Kirchen, und auch sonst viel zu tun."
Würde
"Es gibt Fragen, die sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten lassen. Dazu gehört die knifflige Frage: Ist Umweltschutz wichtiger als Denkmalschutz? Selbstverständlich ist Umweltschutz wichtiger als Denkmalschutz, könnte man auf den ersten Blick sagen, wenn man auf die Güter schaut, die dadurch geschützt werden sollen. Eingriffe in die Umwelt, die Menschen immer vorgenommen haben, können ein für menschliche Gesellschaften schädigendes, bedrohliches Ausmaß annehmen. In einer – um es drastisch zu formulieren – Umwelt, die das gute menschliche (Zusammen-)Leben gefährdet oder zerstört, lassen sich auch keine Denkmäler mehr genießen. In diesem Sinne ist die Umwelt ein gegenüber dem Denkmal fundamentaleres Gut. Ähnlich wie die Gesundheit gegenüber der Bildung.
Aber man kann die Frage nach dem Verhältnis von Umweltschutz und Denkmalschutz auch anders angehen. Es lässt sich auch fragen, welches Gut denn von besonderer Würde (lateinisch dignitas) ist. Gemäß dem Grundsatz der Dignität kann es sein, dass in möglichen Konflikten zwischen Umwelt und Kultur der Belang des Umweltschutzes zurücktreten sollte. Es kommt halt, wie so oft in moralischen Fragen, auf die Situation und die Umstände an.
Wenn zum Beispiel ein großer, prächtiger Baum, der für das Mikroklima einer Straße von Belang sein kann, durch seinen Wuchs die Stabilität eines Denkmals gefährdet, warum sollte man ihn nicht fällen, um das Denkmal zu schützen? Hier würde die Güterabwägung vieler vermutlich zu Gunsten des erhaltenswerten Bauwerks ausfallen, das Menschen noch erfreuen kann, wenn der Baum, der es bedroht, längst gestorben ist.
Nun aber zum konkreten Beispiel, das der Frage zugrunde liegt: Wäre es nicht geboten, die sichtbare Beschädigung eines Denkmals (durch eine Photovoltaikanlage) in Kauf zu nehmen, wenn dadurch ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden könnte? Wäre das nicht im Falle eines kirchlichen Denkmals sogar gefordert, wenn die Kirche heute so auf den Schutz der Umwelt pocht? Ich würde sagen: Nein. Es stimmt, dass die Kirche – will sie sich selbst treu sein – dem Umweltschutz einen hohen Rang einräumen sollte. Aber es gibt auch andere Güter, die zu schützen und zu bewahren sind, etwa der Schutz von religiös oder kulturell bedeutsamen Gebäuden gegen ihre funktionale Verzweckung – sei sie kommerziell oder ökologisch motiviert. Die Umwelt wird nicht gerettet durch diese spezielle Photovoltaikanlage; aber diesem speziellen Gebäude würde ein ästhetischer Schaden zugefügt."