Haltung zum Krieg in Gaza
Plädoyer pro Mensch
Foto: Marco Heinen
Statt lauer Wohlfühltemperaturen gab es Schafskälte am 12. Juni beim Sommerfest von Erzbischof Stefan Heße im Garten des Erzbischöflichen Amts in Kiel. Das war zwar nicht richtig angenehm, aber das Thema, über das der Redner des Abends sprach, war es auch nicht, sodass es wiederum gut passte. Abt Nikodemus Schnabel (S. 46/47) aus Jerusalem, der viele Monate vor dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres eingeladen worden war, konnte vor den rund 100 geladenen Gästen aus Landes- und Stadtpolitik, Gesellschaft, Wirtschaft, Medien, Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht mehr einfach über sein ursprüngliches Thema „Tür an Tür mit Juden und Muslimen“ sprechen. Stattdessen berichtete er vom Leid der Opfer des Krieges: „Ich bin weder pro Israel, noch pro Palästina. Ich bin pro Mensch“, sagte der Benediktiner aus der Überzeugung seines Glaubens heraus.
Jede Polarisierung vermeiden
Flaggen, Hymnen und Grenzen seien menschengemacht und hätten nichts Göttliches. „Was wirklich göttlich ist, was wirklich so kostbar ist, dass es Menschen entzogen“ sei, das sei, was Juden, Christen und Muslime gemeinsam glaubten, das sei der Mensch selbst, den Gott nach seinem Bild geschaffen habe. Selbst aus säkularer Sicht sei das unumstritten, stehe im Grundgesetz und finde sich als Quintessenz bei Immanuel Kant. Deshalb lehne er jede Polarisierung im Kontext des Krieges ab. Er spreche auch für die Christen im Heiligen Land, für gut 1,4 Prozent der Bevölkerung – nicht nur Katholiken, sondern Christen vieler Konfessionen. Opfer gebe es auf allen Seiten, sagte der Abt. Eines war die 81-jährige Organistin aus seiner Pfarrei in Gaza, „eine typisch palästinensische Christin“, die von einem Scharfschützen erschossen worden sei. „Ich sehe einfach nur: Menschen töten Menschen, Menschen sterben durch Menschenhand.“
Die schleswig-holsteinische Landtagspräsidentin Kristina Herbst hatte vor dem Vortrag des Abtes in ihrem Grußwort gefordert, „dass die Kräfte des Ausgleichs, der Verständigung und der Versöhnung wieder die Oberhand in diesem jahrzehntelangen Konflikt gewinnen“ mögen. Was am 7. Oktober in Israel geschah, die Ermordung und Geiselnahme von friedlichen und friedliebenden Menschen, widerspreche „zutiefst den Regeln des menschlichen Miteinanders“.