Sprachenvielfalt

Plattdeutsch ist ein Türöffner

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Sprache ist Heimat. Sie macht den Menschen aus, mit seiner Geschichte und seinen Wurzeln. Geht eine Sprache verloren - so wie es dem Plattdeutschen droht - verschwindet auch ein wichtiger Kulturschatz.


Plattdeutsch wird auch in der aktuellen Ausstellung "Bremen spricht" im Bremer Focke-Museum thematisiert. Sie ist bis zum 29. Mai zu sehen. Foto: Anja Sabel

Was er an der plattdeutschen Sprache schätzt? Da muss Christof Helming nur kurz überlegen. Es sind zum Beispiel die vielen „wunderbaren Begriffe“, die eine bestimmte Haltung widerspiegeln. „Dat dött man nich“ fällt ihm ein. Damit ist weit mehr gemeint als nur die reine Übersetzung „das tut man nicht“.  Sondern eben auch der Wille und Wunsch, sich im Leben anständig und respektvoll zu benehmen. Und das gefällt dem 48-jährigen Diplom-Verwaltungswirt aus Emsbüren ausgesprochen gut. „Sprache beeinflusst ja immer auch unser Denken und Tun.“

Dabei würde Helming, der bei der Stadt Lingen arbeitet und sich ehrenamtlich auf vielen Ebenen für die Kirche engagiert, Plattdeutsch nicht als seine Muttersprache bezeichnen. Er zählt zu jener Generation, die „Platt“ nicht mehr von Kindesbeinen an gelernt hat und eher Hochdeutsch aufgewachsen ist. Trotzdem ist ihm die Sprache durch Eltern, Großeltern und andere Verwandte vertraut und gehört deshalb zu seinem Leben dazu. „Das ist und bleibt ein Stück Identifikation mit der Heimat und von wo ich komme“, sagt er. 


Liebt Plattdeutsch: Christof Helming aus Lingen
Foto: privat

Deshalb hat er Plattdeutsch immer gut verstanden – und lernte später aus eigenem Antrieb noch mehr dazu. In der Jugendzeit redete seine Clique oft „up platt“ miteinander. „Wir fanden das cool“, erinnert er sich mit einem Schmunzeln. Aber wichtiger wurde ihm die Sprache später noch im Beruf. Nach seiner Ausbildung arbeitete Helming viele Jahre bei einer landwirtschaftlichen Krankenkasse. Da saßen viele Landwirte vor seinem Schreibtisch oder am anderen Ende der Telefonleitung. „Und dabei habe ich einfach viel Plattdeutsch gehört und immer mehr selbst gesprochen. Das war ein gutes Übungsfeld.“ Er spürte schnell, dass Plattdeutsch in vielen Situationen ein Türöffner ist. „Wenn wir Platt miteinander gesprochen haben, merkten die Leute schnell: Da sitzt kein steifer Verwaltungsmann, sondern einer, der uns und unsere Einstellung wirklich versteht.“ In dieser Zeit wurde er so sicher, dass er Platt fließend sprach und selbstbewusst einsetzte.

Von jungen Leuten nicht mehr selbstverständlich genutzt

Heute würde Christof Helming das nicht mehr so unterschreiben, er fühlt sich mitunter fast wieder ein wenig „unbeholfen“ im Plattdeutsch. Denn bei späteren beruflichen Stationen in einem Jobcenter und bei der Schulverwaltung in Rheine - „da war dann von heute auf morgen nichts mehr mit Platt.“ Er bedauert das sehr und wünschte sich selbst, die Sprache wieder mehr zu pflegen. „Das ist ein bisschen wie Radfahren, so ganz verlernt man das nie.“ 

Hat denn Plattdeutsch in seinen Augen als lebendige Sprache noch eine Chance? Es gibt mittlerweile viele Experten, die das eher kritisch beurteilen. Auch Helming ist skeptisch. Er hat über sein Engagement bei Kolping erlebt, dass in manchen Regionen Plattdeutsch zwar noch sehr verbreitet ist – aber gerade von jungen Leuten nicht mehr selbstverständlich genutzt wird. „Da müssen wir uns nichts vormachen, dafür ist es schon zu sehr verschwunden.“ Trotzdem macht er sich dafür stark, die Sprache als wichtiges Kulturgut zu erhalten: in der Literatur, in der Musik, im Theater, bei Veranstaltungen. 

Helming ist stets dankbar, wenn er das in solchen Kontexten erlebt - und wenn er plattdeutschen Unterhaltungen zuhören und sich mit „ne betken up platt“ beteiligen kann. Dann erlebt er „glücklicherweise“ kurze Augenblicke des Denkens in Platt. Und wenn er manchmal unterwegs mit dem Rad an einem Wegekreuz vorbeikommt, sagt er „usen Heiland“ Dank auf Plattdeutsch. 

Petra Diek-Münchow

Christof Helming arbeitet seit Februar als Fachbereichsleiter Jugend, Arbeit und Soziales bei der Stadt Lingen. Ehrenamtlich engagiert er sich im Landeskatholikenausschuss, im Katholikenrat, im Kolping-Diözesanvorstand und Pfarrgemeinderat. Er stammt aus Thuine und wohnt jetzt in Emsbüren-Gleesen.

Mehr über Plattdeutsch und eine Ausstellung über Sprachvielfalt im Bremer Focke-Museum lesen Sie im aktuellen Kirchenboten.