Priester sein, Mensch bleiben
Welche Priester braucht die Kirche heute? Wie sollen sie leben, was sollen sie tun und nicht tun müssen? In einer Videokonferenz haben sich die norddeutschen Teilnehmer des Synodalen Weges mit diesen Fragen beschäftigt.
„Priesterliche Existenz“ heißt der Titel des Forums II im Synodalen Weg. „Das ist das Forum mit der höchsten Bischofs- und Klerikerquote“, sagte Stephan Buttgereit. Der Generalsekretär des Sozialdienstes katholischer Männer ist Laie. Zusammen mit dem Münsteraner Bischof Felix Genn leitet er das Forum – und Moderatorin Sabine Gautier durfte ihn als Gast der digitalen Diskussion begrüßen.
Priester sein, das könnte ein ebenso erfüllender wie interessanter Traumberuf für einen engagierten spirituell lebenden Christen sein. Aber der Nachwuchs ist fast ganz versiegt, viele Priester fühlen sich ausgebrannt oder überfordert, das Ansehen dieses Berufes in der Öffentlichkeit sinkt seit Jahren. Umso größer sind die Erwartungen, die mit dem Priestersein verbunden werden. „Priester stehen in einem Spagat zwischen den Polen: Mensch bleiben wollen und Hochwürden sein müssen“, sagte Hubertus Lürbke. Der Plöner vertritt bundesweit einen anderen Seelsorge-Beruf: die Gemeindereferenten. „Ich habe den Eindruck, dass Kirche sich schwer damit getan hat zu akzeptieren, dass Priester auch Menschen sind. Dass sie auch alle Fehler abdecken, die es bei anderen Menschen auch gibt.“
Jugendvertreterin Melanie Giering ist das Menschliche wichtig, und zwar als Kompetenz: „Priester haben total viele Möglichkeiten, sie können viel bewirken. Aber mir kann nur jemand in allen Lebenslagen helfen, der als Person selber diese Lebenswirklichkeit versteht und nicht in der Realität der Gemeinde unterwegs ist.“
Die Überhöhung des Klerikers und die devote Haltung der Gläubigen liegt oft auch an den Laien, mutmaßt Stephan Buttgereit. „Wenn Sie erleben, wenn ein Bischof in eine Gemeinde kommt, ist es wie bei Asterix und Obelix, wo der Häuptling auf dem Schild durchs Dorf getragen wird. Der Bischof wird aufs Schild gehoben, und man sieht rundherum die Schleimspuren.“ Gläubige sollen ihren Bischof dagegen als Person sehen und ihm so gegenübertreten.
Menschlich bleiben auch in der geistlichen Führungsrolle, das ist eine Voraussetzung für das leitende Amt, so sieht es Weihbischof Horst Eberlein. Ihm sei die Bischofsweihe nie ein Karriereziel gewesen. „Wer immer Bischof werden wollte, der sollte nicht Bischof werden“, sagte der Weihbischof. Und er selbst habe ein Vorbild dafür erlebt, was geistliche Autorität bedeuten kann – es war kein Priester, sondern der verstorbene Schweriner Landesrabbiner William Wolff: „Ich habe an ihm gesehen, wie jemand als Mensch wirken kann. Er hat Autorität nie eingefordert, sondern war Autorität durch sein Menschsein.“
Welche Priester braucht die Kirche heute? Pastor Peter Otto, Moderator des Hamburger Priesterrates, sieht schon jetzt eine Vielfalt von Möglichkeiten. Während seiner Studienzeit sei das Priesterbild noch ganz von der Gemeindepastoral bestimmt gewesen. „Seitdem hat sich der Blick geweitet. Wir haben ja verschiedene Formen des Priestertums. Nicht jeder Priester muss nach der Kaplanszeit Pfarrer werden. Es gibt Priester in verschiedenen Seelsorgebereichen.“ Und selbst den „Priester mit Zivilberuf“, der seinen priesterlichen Dienst „nach Feierabend“ ausübt, habe er selbst in Bad Bramstedt erleben können und schätzen gelernt.
Verheiratete Priester gibt es – im Ausnahmefall
Verschiedene Modelle gebe es auch für den Lebensstand des Priesters. Müssen alle Priester unverheiratet sein oder geht es auch anders? Das ist eine der Fragen, die das Forum des Synodalen Weges behandelt. Verheiratete Priester gibt es schon, auch im Norden. Es sind evangelische Pastoren, die zur katholischen Kirche gewechselt sind, oder Mitglieder der griechisch-katholischen Kirche, die den Pflichtzölibat für Priester nicht hat. „Wir haben das schon, aber in der römisch-katholischen Kirche nur als Ausnahme, nicht als Regel.“
In einer Diskussion über das Priestersein durfte auch die Frage nach „Priesterinnen“ nicht fehlen. Weihe für Frauen? Weihbischof Eberlein fand eine Formulierung, die breite Zustimmung fand. Diese Frage sei ein Fernziel: „Wie suchen wir einen Weg, dieser Frage eine Perspektive zu geben. Das Nahziel heißt: Wie sieht die konkrete Wirklichkeit des Priesters aus, was muss entfaltet und welche Gewichte verschoben werden? Die Fernziele weisen aus unserer Sicht in die Zukunft, und dazu gehört sicher auch die Frage: Amt und Frau in der Kirche. Wann das Konturen annimmt, da wage ich keine Antwort.“
Die online-Diskussion steht noch als Video auf der Internetseite www.erzbistum-hamburg.de
Text: Andreas Hüser