Öffentliche Büchereien erweitern ihr Angebot um Samentütchen
Saatgut zu verleihen
Blumen, Kräuter oder Gemüse: Rund 30 öffentliche Büchereien in Niedersachsen bieten Samentütchen mit alten Sorten zur Ausleihe an. Die Saatgut-Bibliotheken sollen Jahr um Jahr wachsen.
Die „Grüne Posthörnli“ ist ihr Favorit. „Die musste ich einfach bestellen“, sagt Dörte Christensen und strahlt. Wenn eine Stangenbohne einen so klangvollen Namen trägt, muss sie doch schließlich schmecken. Und wer möchte, kann das seltene Gemüse sogar im eigenen Garten anbauen: Denn Dörte Christensen hat die Bohne nicht für sich selbst besorgt, sondern für die Saatgut-Bibliothek Adendorf im Landkreis Lüneburg.
Dort gibt es nicht nur Bücher, Spiele und andere Medien auszuleihen, sondern auch Pflanzensamen. Gestartet im Februar 2020 auf Initiative dreier Studentinnen der nahe gelegenen Leuphana Universität Lüneburg, geht die Adendorfer Saatgut-Bibliothek jetzt in die zweite Saison.
Exakt 637 Tüten sind im Angebot, gefüllt mit jeweils einer Handvoll Samen einer Sorte. Zur Wahl stehen 33 verschiedene Arten Blumen, Gemüse und Kräuter. Alle Sorten sind samenfest und können daher immer weiter vermehrt werden. „Uns geht es darum, die Vielfalt der alten Sorten zu erhalten“, sagt Bibliotheksmitarbeiterin Christensen.
Mit ihrer Saatgut-Bibliothek zählt die Bücherei Adendorf zwar zu den Vorreitern, aber sie ist nicht allein. Die Büchereizentrale Niedersachsen in Lüneburg, die landesweite Beratungsstelle für öffentliche Bibliotheken, hat in diesem Jahr ebenfalls ein Projekt rund um Saatgut und Umweltbildung angeschoben: In Zusammenarbeit mit dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt und der Initiative „Das Große Freie“ in Sehnde bei Hannover, die sich für die Erhaltung historischer Gemüsesorten einsetzt, hat die Zentrale in diesem Jahr rund 30 niedersächsische Bibliotheken mit einem Starterset Saatgut ausgestattet.
Jede Bücherei erhielt dabei 50 Tüten mit verschiedenen samenfesten Gemüsesorten wie Erbsen, Bohnen, Salat und Gartenmelde sowie Informationsblätter. Außerdem werden Lesungen angeboten. „Die Resonanz ist groß“, sagt Angelika Brauns, Geschäftsführerin der Büchereizentrale. „Die Bibliotheken vernetzen sich vor Ort mit anderen Aktiven und kaufen in der Regel weiteres Saatgut hinzu. Der Erhalt alter Sorten ist ein Thema, das wirklich boomt.“
Auch in Adendorf trifft die Idee offensichtlich einen Nerv: 140 Beutel sind bereits verliehen, sagt Dörte Christensen. In jeder Tüte stecken zwei weitere: eine gefüllt mit Saatgut und eine leere. „Die Idee ist, dass die Menschen uns nach der Saison Samen zurückschicken, damit unser Bestand immer weiter wächst“, sagt die 56-Jährige. Damit das auch klappt, gibt es zur Erinnerung im Herbst eine E-Mail.
Caroline George
F1-Saatgut ist ungeeignet
Das im Handel übliche Hybrid-Saatgut, auf der Tüte oft mit F1 gekennzeichnet, eignet sich nicht zur Vermehrung. Diese Samen können nur einmal ausgesät werden, denn in der nächsten Pflanzengeneration verlieren sie ihre typischen Eigenschaften. Und Achtung: Alte und regionale Samensorten dürfen nur getauscht, nicht verkauft werden. Sonst macht das Bundessortenamt Probleme!