Schließung nach 162 Jahren

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Hof der Domschule St. Marien neben der Kathedralkirche
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Foto: Martin John

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Bald ein vertrauter Anblick: Den Hof der Domschule St. Marien neben der Kathedralkirche werden mit Ende des Schuljahres bald keine Kinder mehr in den Pausen beleben.

Mit Ende des Schuljahres wird an vier weiteren Schulen des Erzbistums der Unterricht eingestellt. Darunter ist auch die Domschule St. Marien neben der Kathedralkirche. Sie ging aus einem 1861 gegründeten Waisenhaus hervor.

„Ich kann verstehen, warum die Domschule geschlossen wird. Gleichwohl schwingt dabei eine große Portion Wehmut mit“, sagt Marion Karg. Mehr als 20 Jahre hat sie an der Stadtteilschule in St. Georg als Lehrerin gewirkt, zuletzt als kommissarische Leiterin. 2021 übernahm sie dann die Leitung des Referats Schulaufsicht und Schulfachliche Beratung in der Abteilung Schule und Hochschule des Erzbistums. In dieser Funktion war sie auch damit befasst, neue Positionen für die Lehrer der Domschule zu finden. „Sie bleiben alle im katholischen Schulsystem und in 80 Prozent der Fälle konnte dabei auch deren Wünschen entsprochen werden“, sagt Karg.

Verstehen kann Karg die Schließung aus finanziellen Gründen. Die Wehmut rühre daher, „dass man für viele Schüler, deren Fähigkeiten nicht zur Geltung kamen, pädagogisch viel bewegen konnte.“ Die hätten beispielsweise zunächst Schwierigkeiten gehabt, seien danach aber erfolgreich auf dem Gymnasium gewesen. „Es ist ja auch Auftrag der Kirche, sich gerade für solche Schüler einzusetzen“, fügt Karg an.

Mit Ende des Schuljahres, also zu Beginn der Sommerferien, schließen neben der Domschule St. Marien noch weitere drei Schulen des Erzbistums: die Franz-von-Assisi-Schule in Barmbek, die Katholische Schule Altona und die katholische Grundschule in Neugraben. Die Schließung der Domschule hat freilich besondere Symbolkraft, da sie die älteste unter ihnen ist und sich direkt neben der Kathedralkirche und am Bischofssitz befindet.

Sie ging aus einem 1861 gegründeten Waisenhaus hervor, in dem die Kinder neben religiöser Unterweisung auch unterrichtet wurden. Zunächst geschah dies durch die Barmherzigen Schwes­tern vom heiligen Karl Borromäus. 25 Jahre später – 1868 – entstand dann in St. Georg eine katholische Schule in eigenem Gebäude mit anfangs 350 Schülern in sechs Klassen. Im gleichen Jahr wurde auch die erste weltliche Lehrkraft eingestellt, und zwar zugleich als Schulvorsteher der Knabenschule, denn die Geschlechtertrennung wurde damals ebenfalls eingeführt. Die Leitung der Mädchenschule lag bis 1955 bei den Borromäerinnen. Um die Jahrhundertwende besuchten 650 Schüler die Schule an der Danziger Straße. 

Viele Schüler aus anderen Stadtteilen

In der Entwicklung der Schule spiegelt sich auch die des Stadtteils St. Georg und der katholischen Immigration nach Hamburg wider. So besuchten in den Anfangsjahren auch viele Kinder polnischsprachiger Eltern aus den östlichsten Gebieten des Deutschen Reichs die Domschule. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen besonders viele Kinder aus portugiesischen, dann kroatischen und zuletzt ghanaischen Elternhäusern hinzu. „Insgesamt haben wir Kinder aus 87 Nationen unterrichtet“, weiß Marion Karg. In den 1950er und 1960er Jahren habe die „Schmille“, wie die Schule aufgrund ihrer Lage an der Schmilinskystraße genannt wurde, einen sehr guten Ruf als Realschule gehabt. Die Bindung an den Stadtteil habe dann abgenommen. „Da die Domschule über den Hauptbahnhof gut erreichbar war, kamen viele Schüler aus anderen Stadtteilen.“ 

Negativ wirkten sich auf die Attraktivität bald darauf die Prostitution in St. Georg aus, die sich zeitweilig bis in die Schmilinskystraße ausweitete. Dies änderte sich erst Anfang des jetzigen Jahrtausends mit der Gentrifizierung der Straßenzüge um die Lange Reihe herum. 

Außerdem wurde weniger Schulgeld eingenommen, da die Zuwanderer, deren Kinder auf die Domschule gingen, zu eher einkommensschwächeren Schichten gehörten und daher weniger zahlen mussten. Zudem, so berichtet Karg weiter, sei der Anteil der Kinder, die auf ein Gymnasium geschickt wurden, immer weiter gestiegen, während der Anteil, derer, die auf eine Stadtteilschule gingen, sank. „Aber es wurde auch versäumt, in die Schule zu investieren, um ihr Ganztagesangebot attraktiver gestalten zu können“, beklagt Karg.

Besonders hebt Marion Karg den „großen Zusammenhalt des Kollegiums“ hervor. „Die haben ihre Schüler bis zum Abschluss betreuen wollen.“ Anlässlich der Schließung der Domschule St. Marien findet am Mittwoch, 12. Juli um 10 Uhr ein Gottesdienst in der Ansgar-Kapelle statt. 
Die Franz-von-Assisi-Schule feiert ihren Abschlussgottesdienst am Donnerstag, 29. Juni um 16 Uhr in der St. Franziskus-Kirche, die Katholische Schule Altona am Donnerstag, 6. Juli um 15 Uhr in der St. Theresien-Kirche und die Katholische Schule Neugraben am Freitag, 7. Juli um 10 Uhr auf dem Schulgelände. Im Anschluss an alle Gottesdienste ist ein Steh­empfang vorgesehen.

Matthias Schatz