Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Paare

Schluss mit dem Versteckspiel

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Das Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Paare hat viele Katholiken verärgert. Ganz besonders in Belm und Icker. Die Gremien haben einen Offenen Brief an den Bischof geschrieben und fordern eine tolerante pastorale Praxis.


Die bestellten Regenbogenfahnen, hier in Icker, hängen inzwischen an den Kirchtürmen der Pfarreiengemeinschaft. Foto: Holger Jansing

Die Regenbogenfahnen für die Kirchtürme sind angekommen. Endlich. Es gab Lieferengpässe, „deshalb mussten wir länger darauf warten“, sagt Judith Plümer. „Der Bedarf ist im Moment groß.“ Das Nein aus Rom zur Segnung homosexueller Paare hat auch in Belm und Icker viele Gemeindemitglieder verärgert. Die Pfarrgemeinderäte haben beschlossen, es nicht bei den Fahnen zu belassen, sondern einen Offenen Brief an den Bischof zu schreiben. „Damit erreichen wir mehr Menschen als in unseren Gottesdiensten“, erklärt Plümer, Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Belm. 

Die Gremien der Pfarreiengemeinschaft wünschen sich ein klares Signal des Bistums Osnabrück gegen das Verbot der vatikanischen Glaubenskongregation. Schluss mit dem Versteckspiel. Sie fordern eine pastorale Praxis, in der Geistliche in würdigender Weise lesbische und schwule Paare segnen können. Gleichzeitig äußern sie ihre Sorge, dass das Schreiben aus Rom die Reformprozesse „Synodaler Weg“ und „Kirche der Beteiligung“ torpediere. „Eine Antwort von Bischof Bode ist uns wichtig“, sagt Plümer. „Zumal wir wissen wollen, wie es weitergehen kann. Es hat bei uns schon Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare gegeben.“

Der kirchliche Segen war ein langgehegter Traum

Judith Plümer erinnert sich zum Beispiel an die „sehr schöne Feier“ zweier Frauen um die 60. „Wenn man im Laufe seines Lebens feststellt, dass man nicht klassisch kirchlich heiraten kann, ist das eine große Enttäuschung. Der Segen war für diese beiden Frauen ein langgehegter Traum.“ Den ein Pfarrer in Belm möglich machte. Aber offiziell heißt es noch immer: Priester dürften gleichgeschlechtliche Paare nicht segnen, weil Gott „Sünde nicht segnen kann“.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht, die ausgegrenzt werden“, sagt Sandra Coleman. Die Belmerin ist geprägt von der katholischen Jugendarbeit, aktives Gemeindemitglied, bei einem kirchlichen Arbeitgeber beschäftigt – und liebt Frauen. Deshalb ist das Segnungsverbot für sie „wie ein Schlag ins Gesicht“. „Dieses kategorische Nein macht mich unglaublich wütend und traurig. Am liebsten würde ich aus der Kirche austreten“, sagt sie. 

Judith Plümer kann diese Reaktion verstehen. „Die Kirchengemeinde ist Teil unseres Zuhauses. Es tut weh, nicht akzeptiert zu werden.“ Plümer befürchtet, dass weitere Gläubige der Kirche den Rücken kehren. Die Position des Vatikan enttäusche viele Katholiken, weil einander in Liebe zugetanen Menschen der Zuspruch Gottes verweigert werde. Sie missachte gesellschaftliche Realität und verletze die Lebensentwürfe einzelner Menschen. So ist es auch im Offenen Brief formuliert. Die Pfarrgemeinderäte in Belm und Icker fordern das Bistum auf, Farbe zu bekennen. 

Anton Hackmann sagt, er habe noch Hoffnung. Der Vorsitzende des Icker Pfarrgemeinderats und Vater eines homosexuellen Sohnes berichtet von einem guten Gespräch mit dem Bischof vor einiger Zeit. Und von Priestern, „die uns vor Ort freie Hand lassen“. Die ihm zu verstehen geben, dass sie gleichgeschlechtliche Paare mit der Bitte um den kirchliche Segen nicht abweisen würden. „Sonst wäre nicht zu ertragen, was Rom uns zumutet.“

Hackmanns Sohn, der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, hat keine Hoffnung mehr. Er ist aus der Kirche ausgetreten. Ein schmerzhafter Schritt. Aber das Segnungsverbot war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Ich könnte ganz offiziell mit meinem Hund zur Segnung fahren, aber nicht mit meinem Partner“, sagt er. Es habe ihn all die Jahre vieles gehalten: die guten Erfahrungen als Kind und Jugendlicher, sein Glaube an die befreiende christliche Botschaft, sein Religionsunterricht am Gymnasium. Er habe geglaubt, die Kirche von innen her mitverändern zu können und festgestellt: „Das ist nur Selbstberuhigung.“ Sein Glaube sei noch da, er sei sogar stärker geworden, aber er vertraue den Männern in der Amtskirche nicht mehr. Und als Lehrer weiß er: Der jungen Generation geht es genauso. „Es müsste sich mal ein Bischof in den Religionsunterricht setzen und zuhören, wie schlüssig junge Männer zum Thema Maria 2.0 argumentieren.“

Es geht um das Bekenntnis zueinander

Sein Vater wertet das Segnungsverbot als Angriff auf den „Synodalen Weg“. „Es geht darum, Machtstrukturen in der katholischen Kirche zu festigen.“ Das dämpfe die Reformbemühungen in den Ortskirchen, treibe einen Keil zwischen engagierte Laien und Kirchenleitung und beeinträchtige das gegenseitige Vertrauen. 

Der Offene Brief zitiert auch die Erkenntnisse vieler Theologen: „Die gleichgeschlechtliche Liebe wird in der Heiligen Schrift nicht verurteilt, sondern der Missbrauch der Sexualität. Die herangezogenen Bibelstellen sind nur im historischen und kulturellen Kontext schlüssig. Damit heute Urteile im Namen Gottes zu fällen, ist unangemessen.“ 

Judith Plümer stört es, dass sich die Kirche in das Sexualleben der Menschen einmische. „Das ist verletztend, wir sollten jeden so annehmen, wie er ist.“ Es gehe um die Partnerschaft von zwei Menschen, das Bekenntnis zueinander, egal, ob die Beziehung homo- oder heterosexuell sei. Anton Hackmanns Sohn will seine Liebe bald im Standesamt offiziell machen. Auch der kirchliche Segen, die Zusage Gottes für diese Partnerschaft, ist ihm wichtig – obwohl er kein Kirchenmitglied mehr ist. Am liebsten würde er in seiner Heimatkirche in Icker feiern. Aber, und das betont er ausdrücklich, „nicht heimlich“.

Anja Sabel

 

Zur Sache


Farbe bekennen Gemeindemitglieder überall im Bistum. Die Kirche
St. Marien in Lingen-Biene zum Beispiel wurde zu Ostern in Regenbogenfarben
angestrahlt. Foto: Christian Eilers

Einen Offenen Brief an den Bischof hat auch die Arbeitsgemeinschaft der Pfarrgemeinderäte im Dekanat Ostfriesland geschrieben. Die Reaktionen auf das Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Beziehungen seien verheerend und ließen die katholische Kirche als eine unbewegliche, an der Lebenssituation der Menschen vorbeigehende kalte Institution erscheinen, heißt es darin. „Wir werden nicht mehr verstanden und müssen das als Christinnen und Christen vor Ort aushalten.“

Und weiter: „Wir wissen, dass Sie mit den Einsprüchen aus Rom auch nicht einverstanden sind und möchten Ihnen den Rücken stärken. Kämpfen Sie dafür, dass es in der Bischofskonferenz eine Mehrheit gibt, die ihre Position in Rom und auch öffentlich in unserer Gesellschaft deutlich macht.“ 

Die belgische Bischofskonferenz mit ihrem "Es reicht" ist für die Katholiken in Ostfriesland auch ein Hoffnungssignal. "Das ist nicht ein Wort der Spaltung, sondern im Gegenteil eines, das die zunehmende Spaltung aufhalten will. Wir an der Basis, die oft genug mit kritischen, auch hämischen Anfragen wegen unseres Engagements in der Katholischen Kirche konfrontiert werden, brauchen Ermutigung und Unterstützung, so wir sie auch Ihnen zusichern möchten.“