Kirche-in-Not-Gründer Werenfried van Straaten

Schwere Vorwürfe gegen "Speckpater"

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Er galt als Lichtgestalt der Kirche, nun droht der Absturz: Gegen den als "Speckpater" berühmt gewordenen niederländischen Ordensmann Werenfried van Straaten gibt es schwere Vorwürfe. Es soll eine 20-jährige Frau sexuell bedrängt haben. 

Pater Werenfried van Straaten, Gründer von Kirche in Not / Ostpriesterhilfe, trägt sich in das Gästebuch des Haus Heisterbach ein, am 19. September 2002 in Königswinter.
Wurde von vielen verehrt: Dem niederländischen Ordensmann Werenfried-van-Straaten wird Missbrauch an einer 20-jährigen vorgeworfen. 

Er war ein moderner Bettelmönch. Eine Lichtgestalt der Kirche, eine marien-fromme Integrationsfigur vor allem der konservativen Katholiken. Doch jetzt droht ein Absturz. Gegen Werenfried van Straaten, den als "Speckpater" berühmt gewordenen niederländischen Ordensmann, gibt es schwere Vorwürfe.

Der Gründer des internationalen katholischen Hilfswerkes «Kirche in Not/Ostpriesterhilfe» soll 1973 eine 20-jährige Frau sexuell bedrängt haben. Das berichtet die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt". Dafür sei eine erhebliche Entschädigungssumme bezahlt worden: "Kirche in Not" bestätigt in diesem Zusammenhang eine Zahlung von 16.000 Euro für die Anerkennung erlittenen Leides im Jahr 2011. Zudem soll van Straaten laut "Christ & Welt" der Familie nach dem Vorfall rund 20.000 Euro gezahlt haben - laut Hilfswerk allerdings als Ausgleich wegen ungerechter Behandlung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

Die Vorwürfe seien im Vatikan schon seit zehn Jahren bekannt, schreibt "Christ & Welt" weiter. Zwischen 2009 bis 2011 hatte der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe im Auftrag von Papst Benedikt XVI. das Hilfswerk untersucht und 2010 den Präfekten der Kleruskongregation im Vatikan, Kardinal Mauro Piacenza, informiert. Die Vorwürfe: der Versuch des sexuellen Übergriffs, Maßlosigkeiten in der Lebensführung, erhebliche Defizite in der Personalführung sowie Anfälligkeiten für faschistoide Ideen.

Ein Seligsprechungsverfahren kam daraufhin nicht in Gang. Geheimhaltung war angesagt. Ein Jahrzehnt funktionierte das Schweigen. Erst kürzlich hat das Hilfswerk sich gegenüber "Christ & Welt" von seinem Gründer distanziert. "Diese massiven Defizite des Verhaltens von Pater van Straaten sind nicht zu rechtfertigen", schreibt die Organisation in einer Stellungnahme an die Zeitung. Öffentlich wurde das nicht: Das seit Jahren im Kölner Dom gefeierte Jahresgedenken rund um van Straatens Todestag am 31. Januar wurde in diesem Jahr ohne Angabe von Gründen abgesagt. Wer auf der Homepage von "Kirche in Not" nach dem Niederländer sucht, findet keine Würdigungen mehr. Die früher offensiv angebotenen Werenfried-T-Shirts, Werenfried-Bücher und Werenfried-DVDs sind aus dem Online-Shop entfernt.

Die Not von Flüchtlingen im Nachkriegsdeutschland war es, die den 1913 im niederländischen Mijdrecht geborenen van Straaten aufwühlte. Von seinem belgischen Kloster Tongerlo aus begann der Ordensmann, der eigentlich Künstler werden wollte, für die hungernden Deutschen Speckseiten bei den Bauern zu erbitten. Ein damals höchst unpopuläres Unterfangen, dem selbst Bischöfe widersprachen.

Immer wieder entwickelte van Straaten unkonventionelle Ideen: Im zerstörten Deutschland rüstete er Sattelschlepper mit Kapelle, Beichtstuhl und Wohnräumen für Missionare aus. Zu Beginn der 50er Jahre rollten 35 Kapellenwagen durch die Bundesrepublik. Der Pater gründete 1953 auch den Bauorden: Freiwillige halfen Flüchtlingsfamilien beim Bau eines eigenen Heimes. 1954 brachte das Magazin "Spiegel" sein Gesicht als Titelbild. Ähnlich unkonventionell engagierte er sich auch in Brasilien und im nach-sowjetischen Russland. Dort finanzierte sein Hilfswerk den Bau von "schwimmenden Kirchen", die über Amazonas, Don und Wolga zu abgelegenen Gemeinden fuhren.

Besonderes Augenmerk richtete van Straaten auf die Christen in Osteuropa, Russland und Kuba: Während des Kommunismus schmuggelte er, der auch als "letzter General des Kalten Krieges" bezeichnet wurde, Geld, Hilfsgüter und Bibeln nach Osten. Nach 1990 arbeitete er an seiner Vision: der Annäherung von katholischer und orthodoxer Kirche. Auch auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. schnürte Werenfried 1994 ein Hilfsangebot für die orthodoxe Kirche und baute Kontakte mit zahlreichen Bischöfen auf. Die anfängliche Euphorie allerdings schwand: Zu sehr waren die Beziehungen zwischen Vatikan und Orthodoxie belastet.

"Kirche in Not", seit 2011 Stiftung päpstlichen Rechts, engagiert sich weiterhin vor allem für die Verbreitung des Glaubens und verfolgte Christen. 2019 wurden 111,2 Millionen Euro weltweit in Projekte investiert. Das Hilfswerk folgt dabei einem betont konservativen Ansatz: Bedroht sieht man das Christentum auch durch den Liberalismus in den westlichen Demokratien. "Kirche in Not" ist zur Plattform geworden für viele, die sich als aufrechte Kämpfer gegen den Zeitgeist sehen.

Die Vorwürfe gegen die lange so hoch verehrte Gründerfigur sind ein schwerer Schlag für "Kirche in Not". Für die katholische Kirche in Deutschland verliert eine zweite, einst populäre Gründer-Gestalt an Glanz: Auch gegen den Schönstatt-Gründer Pater Josef Kentenich (1885-1968) waren in den vergangenen Monaten Vorwürfe des Machtmissbrauchs und sexueller Übergriffe laut geworden.

kna/Christoph Arens