Pro-und-Kontra-Diskussion zum Vatikan-Papier

Segensfeiern mutig wagen

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Die Theologin Martina Kreidler-Kos spricht sich offen für den Segen gleichgeschlechtlicher Paare aus. Der Theologe Christian Küthe hält dagegen. Beide diskutierten über das Vatikan-Schreiben, das viele Katholiken verärgert.


Auch in der Heilig-Kreuz-Kirche in Osnabrück wurden Paare, Familien und Einzelpersonen gesegnet. Neben Maria Lückmann (Foto), Sozialpädagogin im Gemeindedienst, segneten Gemeindereferentin Eva Heggemann-Rolfes und Pastor Hubertus Lutterbach im Anschluss an die Sonntagsmesse. Foto: Thomas Osterfeld

Martina Kreidler-Kos setzt „radikal und vertrauend“ bei der Liebe an. Es ist ihre Weise, sich dem römischen Schreiben „Responsum ad dubium“ („Antwort auf einen Zweifel“) zu nähern, das gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen verweigert und seit Wochen für Ärger unter deutschen Katholiken sorgt. Die Theologin Kreidler-Kos eröffnet eine Pro-und-Kontra-Diskussion zum Vatikan-Papier deshalb mit einem Gedicht: „Es ist, was es ist, sagt die Liebe“. 

In seinen berühmten Zeilen lässt der Dichter Erich Fried die Liebe für sich selbst sprechen. Erstaunlicherweise, sagt Kreidler-Kos, finde sich dieses schlichte unerschütterliche Vertrauen auch in „Amoris laetitia“ wieder. Liebe, formuliert darin Papst Franziskus, „besteht nicht nur darin, einige ärgerliche Dinge hinzunehmen, sondern ist etwas viel Umfassenderes: eine dynamische und ständige Widerstandsfähigkeit, die imstande ist, jede Herausforderung zu meistern. Es ist Liebe, trotz allem“.

Vatikan-Papier spiegelt Ratlosigkeit wider

In „Responsum ad dubium“ allerdings kommt das Wort Liebe nicht vor. Von Verbindungen ist da die Rede, und „offensichtlich sind diese Verbindungen nicht als Liebesbeziehung vorstellbar“, kritisiert Kreidler-Kos. Außerdem hätte sie sich eine Nachfrage gewünscht, warum die Segensfrage in unserem Land und unserem Kulturkreis so wichtig ist. Stattdessen habe Rom „im alten Modus der Disziplinarmaßnahme“ geantwortet. 

Zu der Diskussion, zu der die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) online eingeladen hat, nimmt die Leiterin des Bischöflichen Seelsorgeamts Osnabrück die Kontra-Seite ein. Eine weitere Schwäche des römischen Papiers: es transportiere eine alte Ratlosigkeit weiter. „Die Haltung der Kirche zur Homosexualität lautet ja: Gott liebt jeden einzelnen homosexuellen Menschen und auch sein gleichgeschlechtliches Begehren. Nur: Leben darf er oder sie es nicht.“ Kreidler-Kos zitiert dazu einen ihr bekannten homosexuellen Katholiken: „In den Augen der Kirche habe ich ein Holzbein. Mir wird gesagt: Gott liebt dich mit deinem Holzbein, du bist genauso viel wert wie alle anderen, wir begegnen dir mit Wertschätzung. Aber: Wenn du gehen willst, geh normal oder gar nicht.“ Kreidler-Kos gibt zu bedenken: „Was ist die Wertschätzung einer Person wert, wenn sie einen zentralen Lebensbereich ausklammert?“

Die Pro-Seite zum Vatikan-Schreiben nimmt Christian Küthe ein, Pastoralreferent in der Bremer Pfarrei St. Marien. Er hält das Papier für eine „klare und passende Positionierung“. Allerdings müsse man sich mehr damit auseinandersetzen. Segnungsfeiern für Homosexuelle wie am vergangenen Wochenende sieht Küthe kritisch und warnt vor Aktionismus. Der Theologe argumentiert schöpfungstheologisch mit Genesis 1 und 2, wonach Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen und diese Zweigeschlechtlichkeit auf Fruchtbarkeit hingeordnet hat. Fruchtbarkeit falle bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen weg, sagt er. „Das muss uns doch zu denken geben.“

In der Praxis gelassen mit dem Segen umgehen

Für ein gelingendes Leben, sagt daraufhin Martina Kreidler-Kos, seien wir als Menschen gefordert – mit der Bibel als Lehrmeisterin. „Aber wir können die Bibel nicht aufschlagen, um daraus eins zu eins Normen für unser Zusammenleben abzuleiten – zumindest nicht im Bereich der Sexualität.“ Sie schlägt vor: „Wenn wir Fruchtbarkeit über das Biologische hinaus definieren, wäre das ein Schritt hin zu einer positiven Sicht auf Sexualität. Dann könnten wir auch Homosexualität und homosexuelle Praxis wunderbar integrieren.“ Sie halte es für ein „Unding, den Segen buchhalterisch zu verweigern“.

In der Frage, wie das pastoral umsetzbar sei, wünscht sich Kreidler-Kos mehr Handlungsspielraum in den Ortskirchen. „Wir könnten es wagen, Segensfeiern verantwortet zu gestalten“, sagt sie. In der Praxis werde sich erweisen, „wie segensreich sie sind oder nicht“. Christian Küthe überzeugt das nicht. Solche Segnungen ließen sich weder biblisch noch theologisch, anthropologisch oder sakramententheologisch rechtfertigen. 

„Wir könnten doch in der Praxis sehr gelassen damit umgehen“, erwidert Kreidler-Kos. Seelsorger, die segnen wollten, könnten dies tun, andere, die Bedenken hätten, müssten sich nicht dazu verpflichtet fühlen.

Anja Sabel