Pro und Contra

Taufen im Fluss?

Image
46_taufen.jpg

Immer wieder nehmen christliche Gruppen ihre Neumitglieder durch die Taufe in einem Fluss in ihre Gemeinschaft auf. Begründung: So sei man näher am Original, der Taufe Jesu im Jordan. Das Untertauchen des ganzen Körpers erinnere außerdem sichtbar an die Auferstehung. Könnte eine solche Praxis auch für katholische Gemeinden interessant sein? Ein Pro und Contra von Anja Weiffen und Johannes Becher.



Christliche Pilger in weißen Gewändern steigen an der Taufstelle Yardenit (Israel) ins Wasser des Jordans.


PRO

Die Weihwasserbecken sind seit 20 Monaten leer. Wegen Corona. Immer wieder mal schauen Menschen enttäuscht in die Schalen. Die Pandemie hat Wasser im Gottesdienst quasi über Nacht verdunsten lassen. Aber schon vorher beschränkte sich der Umgang mit dem lebensspendenden Nass auf ein paar Tropfen. Stiegen Menschen im frühen Mittelalter noch in ein Taufbecken, wird heute – in der katholischen Kirche – ein Täufling kurz mit Wasser benetzt. Oft stehen Taufbecken in den Kirchen irgendwo hinten oder an der Seite. Die oft gepriesene katholische Sinnlichkeit: Hier ist sie „verdunstet“.


Anja Weifen

Flusstaufen sind kein neues Phänomen. In einigen christlichen Konfessionen sind sie möglich. Sie werden in Freikirchen, aber auch mit größerer Beliebtheit in der evangelischen Kirche praktiziert. Bilder von solchen Ereignissen faszinieren. Warum? Vielleicht weil sie an Jesu Taufe im Jordan erinnern. Oder weil Rituale wieder mit dem irdischen Leben in Kontakt kommen. Weil Worte wie „Wasser des Lebens“ physisch nachvollzogen werden können. Lohnt es sich nicht, dieser Frage nachzugehen? Wären Taufen unter freiem Himmel und in oder zumindest an einem natürlichen Gewässer nicht ein Zeichen dafür, dass die Kirche keine Berührungs-
ängste mit der Schöpfung hat? Und dass Menschen eingefügt sind in die von Gott gegebene Welt? Dass Spiritualität und Leiblichkeit zusammengehören?
Die Bäder im Heiligen Bezirk von Lourdes ziehen Menschen an. Sonst aber sind (Heil)Bäder vor allem ausgelagert in medizinische Gefilde. Oder Menschen suchen den Kontakt mit den Elementen im Urlaub – eine Sehnsucht, die mitunter an umweltschädliche Fernreisen delegiert wird.
Die Kirche könnte an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie mehr zur Schöpfung, die sie doch bewahren will, stehen würde – gerade in Zeiten, in denen Menschen sich nach Resonanz mit dem Leben, nach Ganzheitlichkeit und Spiritualität im Alltag sehnen. Die Corona-Pandemie hat dem Aufenthalt draußen eine Renaissance verschafft. Auch bei Gottesdiensten. Daran könnte angeknüpft werden.

Anja Weiffen, Redakteurin

 

CONTRA

"Ad Fontes“ – zu den Quellen: So pflegte mein Professor in Kirchengeschichte uns zum Sympathisieren mit den Originalschriften zu motivieren. Ad fontes: Näher zu den Quellen, so könnte auch der Trend zum Taufen in Flüssen überschrieben werden, der zur Zeit in evangelischen Kirchen zu beobachten ist. Nur eine Mode, weil es da so lustig zugeht – und gar nicht so steif, wie sonst bei kirchens? Ja, das hat schon was von Bespaßung statt religiösem Ernst.
Ad fontes! Im Wortsinn: Alle Täuflinge werden im Jordan getauft. Dort, wo Johannes Jesus mit Wassser übergoss. In der Tat: Tag für Tag finden sich an vielen Stellen des Flusses Gruppen
christlicher Pilger, die ihre Taufe erneuern.

Für den trotz Weihrauch eher nüchtern-katholisch sozialisierten Deutschen ist solches Tun eher mit Befremden verbunden. Rein äußerlich betrachtet, erinnert das mehr an Klamauk denn an frommes Ritual. Womit den inneren Beweggründen der Täuflinge keineswegs die Ernsthaftigkeit abgesprochen werden soll.


Johannes Becher

Aber wäre nicht wenigstens das Taufen durch Untertauchen sinnvoll? In den vergangenen Jahren haben auch katholische Gemeinden darüber nachgedacht, wie sich eine Ganzkörpertaufe verwirklichen lässt. Durch ein Tauchbecken in einem Kirchenneubau zum Beispiel. Schließlich wird ja auch im katholischen Handbuch für den Ritus der Kindertaufe seit 2008 der Wert der „Immersions-taufe“ – durch Untertauchen – betont: Dadurch komme die Symbolik von Tod und Auferstehung Christi klarer zum Ausdruck als beim Übergießen.
Trotzdem ist das Beträufeln mit Wasser nach wie vor der Normalfall. Und zwar aus guten Gründen: Wir taufen kleine Wesen, die die Form des Rituals gar nicht würdigen können. Höchs-tens durch lautes Weinen, wenn sie in zu kaltem Wasser durch Untertauchen erschreckt werden. Dann konkurriert die postbaptistische Belastungsstörung mit der Taufgnade. Außerdem: Als Event für die oft verweltlich-ten Gäste einer Taufzeremonie taugt ein Sakrament nicht.

Johannes Becher, Redaktionsleiter