Weltgebetstag 2022

Unbekannte Nachbarn

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Zukunftsplan Hoffnung – diesen Slogan schreiben sich jährlich am ersten Freitag im März Frauen in über 150 Ländern der Welt auf die Fahnen. Beim Weltgebetstag geht es dieses Jahr um drei britische Landesteile.

 


Die grünen Hügeln Englands: Drei britische Landesteile stehen im Zentrum des Weltgebetstags der Frauen. Foto: istock/Simon Izquierdo

Seit 130 Jahren schließen sich Frauen über ökumenische Grenzen hinweg zusammen, um an einem Tag im Jahr füreinander zu beten. „Ich liebe diesen Weltgebetstag der Frauen“, sagt Rita Steinbreder. „Mich begeistert die Vorstellung, weltweit zusammenzukommen und ein Gebet in 24 Stunden um die Erde zu schicken“, so die Referentin des evangelischen Frauenwerks der Landeskirche. Jedes Jahr wird ein ökumenischer Gottesdienst in einem ausgewählten Land vorbereitet, der immer am ersten Freitag im März gefeiert wird. 

2022 haben Frauen aus Nordirland, Wales und England diese Rolle übernommen und geben Einblick in ihre Welt. Dabei können Teilnehmerinnen „die Lebenssituationen und den Glauben anderer kennenlernen und so über den eigenen Tellerrand schauen“, sagt Steinbreder. Für Farina Dierker, Referentin der Frauenseelsorge im Bistum Osnabrück, war die Auswahl zunächst überraschend: „Erst habe ich gedacht: Bei einem so nahen Schwerpunktland ist doch wahrscheinlich alles so ähnlich wie bei uns.“ Nach tieferer Beschäftigung mit der Region erkannte sie, dass es zwar Nachbarn sind, aber eigentlich auch Fremde.

Für Steinbreder ist der Weltgebetstag ein „Türöffner für Frauen, um über Fragen des gesellschaftlichen Lebens zu sprechen“. 2022 beschäftigen sich die Teilnehmerinnen mit Armut, Einsamkeit und Gewalt gegen Frauen. Im Fokus des Gottesdienstes stehen drei reale Personen aus Nordirland, Wales und England. Sie berichten über ihre eigenen Erfahrungen und wie ihr Glaube ihnen in schwierigen Zeiten Hoffnung gegeben hat. „Ich finde es wichtig, dass die Frauen selbst eine Stimme bekommen“, sagt Dierker. Das geschieht über Videos, die während des Gottesdienstes gezeigt werden können.

Auch in den zurückliegenden Jahren hatte der Weltgebetstag Themenschwerpunkte, „die unseren Alltag berühren“, so Steinbreder. 2021 stand der pazifische Inselstaat Vanuatu im Vordergrund. Gespräche über die Klimakrise und dessen existenzielle Bedrohung für die Bewohnerinnen Vanuatus ließen Steinbreder beispielsweise verstehen, „welchen Einfluss westliche Industriestaaten für den Klimawandel haben und wie eng globale Zusammenhänge doch sind“. 

Wie sich englische Frauen gegen Gewalt wehren

Als Vorbereitung für 2022 gab es auch dieses Mal Werkstätten, in denen sich Multiplikatorinnen für ihre eigenen Gemeinden schulen lassen konnten. In Onlineseminaren bekamen die Teilnehmerinnen Einblicke in die Schwerpunktländer. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie lebendig die Diskussionen in diesen Werkstätten geführt werden“, sagt Steinbreder. 

Einige Seminare begleitete auch die Engländerin Tavier Fairburn, Städtebotschafterin aus Osnabrücks Partnerstadt Derby. Sie hatte zwar vorher noch nie Kontakt zum Weltgebetstag, doch konnte sie über ihr Erfahrungen aus England berichten. „Die Teilnehmerinnen waren sehr offen und bereit, über verschiedene Probleme in den Ländern zu diskutieren“, sagt Fairburn. Sie berichtete, wie die Corona-Pandemie vor allem die finanzielle Lage von Frauen stark belastet und welche Rolle Klassenunterschiede im Bildungssystem spielen. 

Anhand der Bewegung „Re­claim the streets“ (Holt euch die Straßen zurück), die 2021 in England große Aufmerksamkeit bekam, zeigte Fairburn den Teilnehmerinnen auch, wie sich englische Frauen gegen Gewalt wehren. „Diese Aktionen haben mich persönlich sehr bewegt und können auch ein Beispiel für deutsche Frauen sein“, sagt Rita Steinbreder. Fairburn wollte aber nicht nur über Probleme in ihrer Heimat sprechen. Im Anschluss an die Werkstätten „haben wir einfach nur englische Scones gegessen und Tee getrunken. Das fand ich richtig gut“, sagt die Städtebotschafterin und lacht. 

„Der Weltgebetstag lässt Menschen als Weltgemeinschaft zusammen beten und handeln“, sagt Dierker. Dieses Jahr dreht sich der Gottesdienst vor allem um Hoffnung. Im Fokus steht die Bibelstelle „Gott hat gute Pläne für uns“ (Jeremia, 29,11). „Dieser Zuspruch kann Menschen weltweit eine Perspektive geben und trotz pandemischer Einschränkungen den Blick auf die Zukunft richten“, fügt Dierker hinzu. Mit der Kollekte werden Frauenprojekte unterstützt, die vom Weltgebetstag organisiert werden. In Deutschland wird beispielsweise für ein Projekt gesammelt, das schwangeren Geflüchteten im englischen Leeds Unterstützung anbietet.

Der Gottesdienst am 4. März ist in erster Linie für Erwachsene gedacht, doch inzwischen wird der „Weltgebetstag“ auch jünger. Mehrere Kindertagesstätten im Bistum greifen das Thema kindgerecht auf, was Farina Dierker besonders freut. In Emsbüren und Osnabrück (Heilig Geist) gibt es zum Beispiel ein englisches Frühstück.

Beate Kampen