Wie das Bistum Limburg künftig sexuellen Missbrauch verhindern will

Unterwegs mit der „Roadmap“

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Mit 64 Maßnahmen will das Bistum Limburg künftig sexuellen Missbrauch verhindern. Dr. Caspar Söling hat als Bischöflicher Beauftragter Fahrpläne („Roadmaps“) dafür entworfen. Das Ziel: ein weitgehender Umbau, Transparenz und Kontrolle. Von Ruth Lehnen


Mit einer klaren Marschrichtung will das Bistum gegen Missbrauch vorgehen. Bis 2023 sollen die meisten Ziele erreicht sein.


Es sind durchweg hehre Ziele, die sich das Bistum Limburg selbst ins Stammbuch schreibt: zum Beispiel „Doppelmoral beenden“, „Wir streben den gleichberechtigten Zugang von Männern und Frauen zum ordinierten Amt an“, „Schutz vor klerikalem Machtmissbrauch“. Das Bistum reagiert damit auf die Einsichten von 70 Expert/innen, die im Projekt „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ rund 60 Empfehlungen ausgesprochen hatten. Das Gutachten dieser Experten wurde im Juni 2020 übergeben. Das Bistum hat sich verpflichtet, die Empfehlungen umzusetzen.  

Das Bistum Limburg als gallisches Dorf?

Caspar Söling
Caspar Söling Foto: privat

Der Mann, der dafür sorgen soll, dass aus Empfehlungen konkrete Handlungen werden, ist Dr. Caspar Söling. Der Bischof hat ihn als Bischöflichen Beauftragten eingesetzt. Söling hat nun die sogenannten Roadmaps vorgelegt. Dabei folgt er einer Methode aus dem Projektmanagement: Um ein Ziel zu erreichen, werden einzelne Schritte definiert, Verantwortliche benannt und kontrolliert, ob es mit der Umsetzung wie geplant weitergeht. Sölings „Roadmaps“ wurden jetzt im Internet veröffentlicht. Das wirft im Einzelnen viele Fragen auf. Denn die „Roadmaps“ enthalten Ziele völlig unterschiedlicher Art. Unmittelbar leuchtet ein, wenn zum Beispiel die bisher ungenügende Aktenführung, die jetzt auch im Erzbistum Köln als Skandal benannt wurde, völlig erneuert, digitalisiert und fälschungssicher gestaltet werden soll.

Anderes wirkt fragwürdig: Wieso braucht das Bistum bei der Verständigung auf Werte ein neues Glaubensbekenntnis? Und dann sind da die Ziele, die weit über die Grenzen des Bistums hinausgehen. Zum Beispiel die „Segensfeier für homosexuelle Paare“, interessanterweise unter dem Oberpunkt „Katholische Sexualmoral“ geführt. Gerade eben hat sich die Glaubenskongregation in Rom zu dem Thema negativ geäußert. Soll das kleine Bistum Limburg zum gallischen Dorf werden, das dem großen Player Rom die Stirn bietet? Söling hält dagegen: „Mir ist völlig klar, dass es nicht allein in der Kompetenz des Bistums Limburg liegt, die Ziele zu erreichen. Aber wir geben uns nicht zufrieden und wollen ins Gespräch kommen, uns auch aktiv nach Rom wenden.“ Seine Auffassung: „Wer nicht anfängt, wird nicht fertig.“

Mit den „Roadmaps“ verdeutlicht das Bistum, wofür es stehe, wie es vorgehen wolle und schaffe auch eine „Verbindlichkeit nach außen“. Klar ist, dass die Maßnahmen geeignet sind, das Bistum auf Jahre mit der Eigen- und Neuorganisation zu beschäftigen.  
Um die Ziele zu erreichen, wird Geld in die Hand genommen, das an anderer Stelle eingespart werden muss: Eine Fachkraft Kommunikation soll helfen, das Vorgehen verständlicher zu formulieren, es soll Beschwerdelotsen geben, eine Ombudsstelle für Kinder, eine Ansprechperson zum Thema spiritueller Missbrauch, eine Stelle „Theologie und Ethik“ und Pfarrer-Referenten/innen, die Pfarrer unterstützen, sie aber auch kontrollieren sollen. Eine „verbindliche Art von Führung“ mit mehr Kontrolle der Mitarbeiter ist ausdrücklich gewünscht. Für Caspar Söling steht fest: Es reicht nicht, nur „Kulturwandel zu predigen: Wir wollen etwas erreichen.“ Sölings Optimismus, was die Lernfähigkeit der Institution Kirche und ihrer Mitarbeiter angeht, scheint ungebrochen, zumindest im Hinblick auf das Bistum Limburg.  
Was erreicht wird, zeigt eine Ampel an. Kommt eine Maßnahme nicht voran, steht die Ampel auf Rot, grün bedeutet: Quartalsziel erreicht. Der erste Quartalsbericht soll am 29. April unter www.bistumlimburg.de veröffentlicht werden.  

Unabhängige Kommission bis Mitte Juli

Ein weiterer Schritt zur Aufarbeitung steht schon bald an, wenn die Mitglieder des geplanten gemeinsamen Betroffenenbeirats der Bistümer Limburg, Mainz und Fulda gefunden sind. Die Frist, um Interesse daran zu bekunden, lief am 28. März ab. Nach Auskunft Sölings gibt es 20 Interessenten/innen, neun von ihnen werden ausgewählt. Der Betroffenenbeirat wird Vertreter/innen in die geplante diözesane Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs entsenden. Diese kann voraussichtlich bis Mitte Juli die Arbeit aufnehmen. Söling: „Ich wünsche mir kritische Geister und keine Applaudierer.“

 

Ruth Lehnen