Kolumbarium in Hannover-Misburg
Urnen-Friedhof in der Kirche
Im Jahre 2010 wurde die unter Denkmalschutz stehende neoromanische Hl.-Herz-Jesu-Kirche in Hannover-Misburg umgestaltet zu einer Bestattungskirche für Urnen. Charlotte Jarosch von Schweder ist neue Geschäftsführerin und will das Kolumbarium wieder mehr mit Leben füllen.
„Hier ist Leben auf dem Friedhof“, sagt Charlotte Jarosch von Schweder. Seit Oktober ist die 40-Jährige neue Geschäftsführerin des Kolumbariums Hl. Herz Jesu in Hannover-Misburg. 2010 ist das unter Denkmalschutz stehende neoromanische Gotteshaus umgestaltet worden – zu einer Bestattungskirche für Urnen. Also rechtlich zu einem Friedhof.
Links und rechts vom Hauptschiff sind „Himmelsleitern“ installiert: kleine Vitrinen an feinen Stahlstreben, in denen die Urnen stehen. Sichtbar. Mit Namen und Lebensdaten. Zuweilen mit einem Bild. Also atmosphärisch wie auf einem Friedhof mit Grabsteinen.
Damit der Vater dabei sein kann
Und doch ist es wie in einer Kirche. Stühle in Reihen im Kirchenschiff, ein großes Kruzifix, ein Altar. „Wir sind beides, bis zu den Altarstufen ein Friedhof und dann ein Gotteshaus“, sagt Jarosch von Schweder. Formal ist sie eine Filialkirche der Gemeinde St. Martin, der somit das Kolumbarium gehört. Jede Woche freitags um 18 Uhr wird eine heilige Messe gefeiert, eine halbe Stunde zuvor der Rosenkranz gebetet. Natürlich finden hier Trauerfeiern statt. Doch es wird auch getauft und geheiratet.
Ist das nicht despektierlich, in einer Bestattungskirche zu heiraten? „Nein, überhaupt nicht“, betont Charlotte Jarosch von Schweder. Zum einen, weil sie sich einen anderen Umgang mit dem Tod wünscht: „In anderen Ländern und Kulturen werden Verstorbene gefeiert, auch fröhlich, um sie nicht zu vergessen, um ihnen weiter nahe zu sein.“ Nahe sein führt zum zweiten Grund, warum Leben auf dem Friedhof dazu gehört: „Gerade erst hatten wir die Anfrage von einem Paar, dass hier getraut werden möchte, weil die Urne ihres Vaters hier steht.“ Lächelnd fügt sie hinzu: „Das ist doch ein schöner Gedanke, wenn der Vater so bei der Heirat dabei sein kann.“ Erinnerung ist immer etwas Lebendiges. Erst recht zwischen Altar und Himmelsleiter.
Gerade erst wurden 224 neue Vitrinen an den Himmelsleitern errichtet. Die Gesamtzahl der Plätze für die Urnen hat sich so auf 1300 erhöht, mehr als 800 Plätze sind verkauft. Wie bei Grabstellen auf Friedhöfen werden die Vitrinen für 20 Jahre vergeben. „Die Nachfrage ist groß“, sagt Jarosch von Schweder. Nicht zuletzt, weil Hinterbliebene nicht mehr vor Ort leben. Grabpflege wird so zu einer Herausforderung, die Erinnerungspflege aber nicht.
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wird am Freitag, 18. November wieder ein Gedenkgottesdienst für die beigesetzten Verstorbenen, in diesem Fall der letzten Jahre, gefeiert. Beginn ist um 18 Uhr in Hl. Herz Jesu in Hannover-Misburg. „Das wird ein besonders gestalteter Gottesdienst.“ Ein Horn-Trio wird die Feier musikalisch umrahmen.
Von Tod, Sterben und Begräbniskultur
Aber der neuen Geschäftsführerin geht es um noch mehr Leben auf dem Friedhof. Dafür hat die ausgebildete Sopranistin und gelernte Kulturmanagerin gleich drei Ideen. Zum einen mehr kulturelle Veranstaltungen. Das ist für das Kolumbarium selbst nichts Neues. Von Anfang an haben hier Kunst- und Musikveranstaltungen stattgefunden. Auch Kabarett war zwischen den Urnen zu hören. Nachdenklich, vergnüglich, aber immer pietätvoll. „Daran möchte ich wieder anknüpfen“, betont Charlotte Jarosch von Schweder. Die Pandemie hat auch hier zu einem Bruch geführt. Ein erster Ansatzpunkt ist die besondere musikalische Gestaltung der regelmäßigen Gottesdienste: „Diese Kirche hat eine besondere Akustik.“ Die Reihe trägt den Leitgedanken „Klingendes Requiem“, den Auftakt machte die ausgebildete Sopranistin selbst mit drei Arien letzten Freitag im Gottesdienst. Am 11. November wird ein Streichtrio mit Peter Meier (Bratsche), Anna-Maria Brödel (Geige) und Johannes Brödel (Cello) den Gottesdienst um 18 Uhr mitgestalten. Nach der Gedenkfeier am 18. November wird am 25. November Regionalkantor Francesco Bernasconi mit Orgelstücken die heilige Messe bereichern. „Es ist ein vorsichtiger Auftakt“, meint Jarosch von Schweder. Das Leben zwischen den Urnen will mit Würde und Vorsicht entwickelt werden.
Das gilt auch für den zweiten Ansatzpunkt: „Ich möchte kulturell tätige Gruppen hier ins Kolumbarium holen.“ Der Tod gehört zur menschlichen Existenz, er wirft zentrale Fragen auf – und diese letzten Fragen sind immer schon ein Thema für Kunst und Kultur gewesen: „Dieser Raum zwischen den Urnen lädt zur Auseinandersetzung mit Vergänglichem und Ewigem ein.“
Daher möchte die Geschäftsführerin des Kolumbariums Führungen zu Tod und Sterben, aber auch zur Begräbnis- und Erinnerungskultur anbieten für Schulklassen, aber auch für Menschen, die mit Tod und Sterben befasst und konfrontiert sind. Die Geschäftsführerin denkt da an Haupt- und Ehrenamtliche in Hospizen oder an Mitarbeitende in den Rettungsdiensten. Sie selbst engagiert sich ehrenamtlich beim Malteser Hilfsdienst und weiß daher genau, dass Helfen auch eine seelische Belastung für Rettende sein kann.
Trauerbegleiter gesucht
Der dritte Ansatzpunkt: „Wir suchen noch Ehrenamtliche, damit Trauernde nicht allein bleiben müssen.“ Interessierte werden geschult, können dann zu den Öffnungszeiten des Kolumbariums für Gespräche zur Verfügung stehen, für ein aufmunterndes Lächeln oder das gemeinsame Anzünden einer Kerze. „Trauer trägt immer Schmerz in sich“, sagt Charlotte Jarosch von Schweder: „Manchmal kann man sich eher einem vermeintlich fremden Menschen öffnen als einem Familienmitglied, unter Umständen auch erst nach Jahren.“ Daher habe diese Begleitung von Trauernden einen so hohen Stellenwert im Kolumbarium Hl. Herz Jesu.
Mehr Informationen rund ums Kolumbarium gibt es unter Telefon 01 74 / 9 41 01 02.
Adresse: Kolumbarium Hl. Herz Jesu, Max-Kuhlemann-Str. 13, 30559 Hannover, Telefon: 0511 / 9 59 26-0, E-Mail: info@kolumbarium-hannover.de; Internet: www.kolumbarium-hannover.de
Öffnungszeiten: Di 15–17 Uhr, Mi 10–12 Uhr, Fr 17–19 Uhr, Sa 10–12 Uhr, So 14–17 Uhr (Sprechzeiten nach Vereinbarung).
Rüdiger Wala