Wahlen in Kambodscha

Urnengang ohne Opposition

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Eine Wahl ohne Wahl: Wer in Kambodscha nicht zur Wahl geht, dem drohen Repressionen und die einzig ernstzunehmende Oppositionspartei ist verboten.

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Ein Wahlplakat der Kambodschanischen Volkspartei (CCP) mit Bildern von Samdech Heng Samrin, Präsident der Nationalversammlung, und Ministerpräsident Hun Sen. Foto: kna


Wenn am Sonntag in Kambodscha ein neues Parlament gewählt wird, stehen die Kambodschanische Volkspartei (CPP) von Premierminister Hun Sen und 19 Kleinstparteien zur Auswahl. Die ernstzunehmende Opposition, die "Partei zur nationalen Rettung Kambodschas" (CNRP), wurde im vergangenen Jahr verboten, ihr Vorsitzender Kem Sokha wegen Hochverrats verhaftet. Bei der Wahl 2013 und der Kommunalwahl 2017 hatte die CNRP die Macht von Hun Sen ins Wanken gebracht. Der Machthaber lobt die verbliebenen 20 Parteien als Beweis für eine intakte Demokratie. Für Bürgerrechtler sind die 19 Minigruppen dagegen leere Hüllen und Tarnorganisationen der CPP.

Ein Mann, der sich als Pov Vannarith vorstellt, ist ein leidenschaftlicher Anhänger der verbotenen CNRP. Deshalb will der Tourismusexperte aus Phnom Penh am liebsten gar nicht wählen. "Vielleicht fahre ich einfach mit meiner Familie übers Wahlwochenende an den Strand", sagt er resigniert. Das wäre ein riskantes Vorhaben. Deshalb will der 34-Jährige auch nicht seinen richtigen Namen nennen. Denn Boykottaufrufe oder ähnliche Schritte sind verboten.

Wähler müssen bei der Stimmabgabe einen Finger in violette Farbe tauchen. Was als Maßnahme gegen Wahlbetrug gedacht war, wird durch die so mögliche Identifizierung von Nichtwählern für unredliche Zwecke missbraucht. "Wer nicht zur Wahl geht, muss mit Repressionen rechnen", sagt ein westlicher Diplomat, der ebenfalls namentlich nicht genannt werden will.

In Kambodscha herrscht gespenstische Ruhe. In Phnom Penh sucht man Wahlplakate fast vergeblich. Die CPP ist sich ihres Siegs sicher; die kleinen Parteien haben weder die finanziellen Mittel noch das Personal für einen Wahlkampf. Die Hauptstadt ist eine Hochburg der verbotenen Opposition. Um so auffälliger sind neuerdings die vielen Aufkleber mit Logos der CPP an Häusern und Geschäften. "Es ist unklar, ob die Haus- und Ladenbesitzer wirklich CPP-Wähler sind oder aus Selbstschutz ihre Loyalität gegenüber der Regierung erklären", sagt Ali Al-Nasani, Vertreter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Phnom Penh.

Hun Sen hat vor der Wahl nichts dem Zufall überlassen. Unliebsamen Radiosendern wurde die Sendelizenz entzogen; die regierungskritische Tageszeitung Cambodia Daily musste 2017 wegen angeblicher Steuerschulden aufgeben. Die Phnom Penh Post als letzte unabhängige Tageszeitung wurde vor kurzem an einen malaysischen Investor mit engen Verbindungen zum Clan von Hun Sen verkauft, nachdem auch ihr eine Steuerforderung in Millionenhöhe ins Haus geflattert war.

 

Human Rights Watch: Wahlen sind de-facto bedeutungslos

Hun Sen versichert sich der 150-prozentigen Loyalität von Armee, Polizei und buddhistischen Mönchen. "Kambodschas zunehmend diktatorisch agierende Einparteienherrschaft wird von Generälen der Sicherheitskräfte gestützt, die für schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind", so Human Rights Watch im gerade erschienenen Report "Hun Sens grausame Generäle". Dies mache die bevorstehenden nationalen Wahlen "de facto bedeutungslos", so die Menschenrechtsorganisation. Die in Kambodschas religiöser Gesellschaft einflussreichen buddhistischen Mönche hält Hun Sen mit Spenden und dem Bau neuer Pagoden bei Laune.

Die EU hat nach dem Verbot der CNRP die finanzielle Unterstützung der staatlichen Wahlkommission eingestellt. In die Bresche springen die Chinesen, seit einigen Jahren Kambodschas beste Freunde, die dies mit Investitionen und Entwicklungshilfe in Milliardenhöhe unter Beweis stellen. China, freut sich Hun Sen, verbinde die finanzielle Hilfe nicht mit Forderungen nach Demokratie und Menschenrechten wie die USA und Europa.

Der chinesische Geldsegen ist beileibe nicht umsonst. Kambodscha habe im Gegenzug dafür zu sorgen, dass der Staatenbund ASEAN China nicht wegen seiner militärischen Aufrüstung im Südchinesischen Meer verurteile, glaubt die Direktorin der von der Regierung unter Druck gesetzten Menschenrechtsorganisation LICADHO, Naly Pilorge. Und: "Das Meiste der chinesischen Finanzhilfe sind Kredite, die noch unsere Kinder und Enkel zurückzahlen müssen."

kna